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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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deutschen Zeitungen gedruckt, und die österreichische Regierung, die gerade an¬
fing, mit den Magyaren zu liebäugeln, ließ sich einschüchtern, und das in
jedem Sinne wohlthätige Werk mußte unterbleiben! Mehr in das Gebiet des
Komischen gehört ein andrer, ungefähr gleichzeitiger Zug. Als auf dem ge¬
samten Erdboden die Vorbereitungen für die Schillerfeier getroffen wurden,
fand die Nation, die, wie man sagt, ihren eignen Globus hat, daß man un¬
möglich einem dentschen Dichter huldigen dürfe, und ein Patriot entdeckte, daß
im Jahre 1759 auch ein großer magyarischer Dichter geboren sei, Kazinezy.
Der Name genoß allgemeine Unbekanntschaft, doch erfuhr man, dessen Träger
sei Schauspieler und Übersetzer aus dem Deutschen gewesen, und ein Flücht¬
ling, den ich um die Bedeutung Kcizinczys für die ungarische Litteratur be¬
fragte, belehrte mich, er verdiene neben Basedow gestellt zu werden. Und
wirklich rettete der ungarische Basedow sein Vaterland vor der Schmach der
Schillerfeier.

Was alles seitdem teils von Österreich zugelassen, teils von Ungarn verübt
worden ist, wie man die Militärgrenze preisgab, eine politisch und strategisch
hochwichtige Einrichtung, eine Stütze österreichischen Staatsbewußtseins und
der deutschen Sprache, -- wie deutsche Bildungsstätten aller Art unterdrückt,
gehemmt, verkürzt wurden usw. -- das darf als bekannter vorausgesetzt werden.
Und trotz alledem und alledem wagte auf dem kunstwissenschaftlicher Kongresse
zu "Budapest" 1896 ein Redner aus Wien von der Versöhnung der deutschen
mit der französischen Kunstwissenschaft "auf dem Boden der ungarischen Freiheit"
zu faseln. Solcher Aufmunterung bedarf das Magyarentum umso weniger,
seitdem es sich eine Firma nach der Mode der deutschen Buchhändler beilegen
durfte: Kossuth Nachfolger. Es steht ja alles, wie der Hochmut der Chau-
vinisteu es sich wünschen kann. Die türkische Justiz ist glücklich über die
österreichische, die schreckliche Zeit herübergerettet worden; siebenbürgische Damen,
die nach altem Brauch ihrem Könige in Wien die Beschwerden des Landes
vortragen wollten, wurden von dem Minister Banfsy ab und zur Ruhe ver¬
wiesen mit dem Bedeuten, daß nicht in Wien, sondern in Budapest über die
Angelegenheiten Ungarns entschieden werde; die jüdischen Konsortien, die jetzt
den ganzen ungarischen Handel und Wandel in Händen haben, erfreuen sich
schon in der ganzen Welt eines traurigem Rufs, und während es früher hieß,
Ungarn sei viel zu arm, um seinen richtigen Anteil an dem Aufwande für die
sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten zu entrichten, will man heute gar
nichts mehr zahlen, weil man Österreich gar nicht brauche.

Seit wann die Deutschen die Ehre haben, auch die Windischen zu ihren
grimmigen Feinden zu rechnen, wird kaum genau festzustellen sein. Als das
Germanische Museum uoch neu war, hatte es auch Gelehrte in Laibach als
Mitglieder, 1859 entstand ebendaselbst sogar ein Zweigverein der Schiller¬
stiftung, und die armen Slowenen, die gleich den meisten Südslawen am


vom Deutschenhaß

deutschen Zeitungen gedruckt, und die österreichische Regierung, die gerade an¬
fing, mit den Magyaren zu liebäugeln, ließ sich einschüchtern, und das in
jedem Sinne wohlthätige Werk mußte unterbleiben! Mehr in das Gebiet des
Komischen gehört ein andrer, ungefähr gleichzeitiger Zug. Als auf dem ge¬
samten Erdboden die Vorbereitungen für die Schillerfeier getroffen wurden,
fand die Nation, die, wie man sagt, ihren eignen Globus hat, daß man un¬
möglich einem dentschen Dichter huldigen dürfe, und ein Patriot entdeckte, daß
im Jahre 1759 auch ein großer magyarischer Dichter geboren sei, Kazinezy.
Der Name genoß allgemeine Unbekanntschaft, doch erfuhr man, dessen Träger
sei Schauspieler und Übersetzer aus dem Deutschen gewesen, und ein Flücht¬
ling, den ich um die Bedeutung Kcizinczys für die ungarische Litteratur be¬
fragte, belehrte mich, er verdiene neben Basedow gestellt zu werden. Und
wirklich rettete der ungarische Basedow sein Vaterland vor der Schmach der
Schillerfeier.

Was alles seitdem teils von Österreich zugelassen, teils von Ungarn verübt
worden ist, wie man die Militärgrenze preisgab, eine politisch und strategisch
hochwichtige Einrichtung, eine Stütze österreichischen Staatsbewußtseins und
der deutschen Sprache, — wie deutsche Bildungsstätten aller Art unterdrückt,
gehemmt, verkürzt wurden usw. — das darf als bekannter vorausgesetzt werden.
Und trotz alledem und alledem wagte auf dem kunstwissenschaftlicher Kongresse
zu „Budapest" 1896 ein Redner aus Wien von der Versöhnung der deutschen
mit der französischen Kunstwissenschaft „auf dem Boden der ungarischen Freiheit"
zu faseln. Solcher Aufmunterung bedarf das Magyarentum umso weniger,
seitdem es sich eine Firma nach der Mode der deutschen Buchhändler beilegen
durfte: Kossuth Nachfolger. Es steht ja alles, wie der Hochmut der Chau-
vinisteu es sich wünschen kann. Die türkische Justiz ist glücklich über die
österreichische, die schreckliche Zeit herübergerettet worden; siebenbürgische Damen,
die nach altem Brauch ihrem Könige in Wien die Beschwerden des Landes
vortragen wollten, wurden von dem Minister Banfsy ab und zur Ruhe ver¬
wiesen mit dem Bedeuten, daß nicht in Wien, sondern in Budapest über die
Angelegenheiten Ungarns entschieden werde; die jüdischen Konsortien, die jetzt
den ganzen ungarischen Handel und Wandel in Händen haben, erfreuen sich
schon in der ganzen Welt eines traurigem Rufs, und während es früher hieß,
Ungarn sei viel zu arm, um seinen richtigen Anteil an dem Aufwande für die
sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten zu entrichten, will man heute gar
nichts mehr zahlen, weil man Österreich gar nicht brauche.

Seit wann die Deutschen die Ehre haben, auch die Windischen zu ihren
grimmigen Feinden zu rechnen, wird kaum genau festzustellen sein. Als das
Germanische Museum uoch neu war, hatte es auch Gelehrte in Laibach als
Mitglieder, 1859 entstand ebendaselbst sogar ein Zweigverein der Schiller¬
stiftung, und die armen Slowenen, die gleich den meisten Südslawen am


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[0524] vom Deutschenhaß deutschen Zeitungen gedruckt, und die österreichische Regierung, die gerade an¬ fing, mit den Magyaren zu liebäugeln, ließ sich einschüchtern, und das in jedem Sinne wohlthätige Werk mußte unterbleiben! Mehr in das Gebiet des Komischen gehört ein andrer, ungefähr gleichzeitiger Zug. Als auf dem ge¬ samten Erdboden die Vorbereitungen für die Schillerfeier getroffen wurden, fand die Nation, die, wie man sagt, ihren eignen Globus hat, daß man un¬ möglich einem dentschen Dichter huldigen dürfe, und ein Patriot entdeckte, daß im Jahre 1759 auch ein großer magyarischer Dichter geboren sei, Kazinezy. Der Name genoß allgemeine Unbekanntschaft, doch erfuhr man, dessen Träger sei Schauspieler und Übersetzer aus dem Deutschen gewesen, und ein Flücht¬ ling, den ich um die Bedeutung Kcizinczys für die ungarische Litteratur be¬ fragte, belehrte mich, er verdiene neben Basedow gestellt zu werden. Und wirklich rettete der ungarische Basedow sein Vaterland vor der Schmach der Schillerfeier. Was alles seitdem teils von Österreich zugelassen, teils von Ungarn verübt worden ist, wie man die Militärgrenze preisgab, eine politisch und strategisch hochwichtige Einrichtung, eine Stütze österreichischen Staatsbewußtseins und der deutschen Sprache, — wie deutsche Bildungsstätten aller Art unterdrückt, gehemmt, verkürzt wurden usw. — das darf als bekannter vorausgesetzt werden. Und trotz alledem und alledem wagte auf dem kunstwissenschaftlicher Kongresse zu „Budapest" 1896 ein Redner aus Wien von der Versöhnung der deutschen mit der französischen Kunstwissenschaft „auf dem Boden der ungarischen Freiheit" zu faseln. Solcher Aufmunterung bedarf das Magyarentum umso weniger, seitdem es sich eine Firma nach der Mode der deutschen Buchhändler beilegen durfte: Kossuth Nachfolger. Es steht ja alles, wie der Hochmut der Chau- vinisteu es sich wünschen kann. Die türkische Justiz ist glücklich über die österreichische, die schreckliche Zeit herübergerettet worden; siebenbürgische Damen, die nach altem Brauch ihrem Könige in Wien die Beschwerden des Landes vortragen wollten, wurden von dem Minister Banfsy ab und zur Ruhe ver¬ wiesen mit dem Bedeuten, daß nicht in Wien, sondern in Budapest über die Angelegenheiten Ungarns entschieden werde; die jüdischen Konsortien, die jetzt den ganzen ungarischen Handel und Wandel in Händen haben, erfreuen sich schon in der ganzen Welt eines traurigem Rufs, und während es früher hieß, Ungarn sei viel zu arm, um seinen richtigen Anteil an dem Aufwande für die sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten zu entrichten, will man heute gar nichts mehr zahlen, weil man Österreich gar nicht brauche. Seit wann die Deutschen die Ehre haben, auch die Windischen zu ihren grimmigen Feinden zu rechnen, wird kaum genau festzustellen sein. Als das Germanische Museum uoch neu war, hatte es auch Gelehrte in Laibach als Mitglieder, 1859 entstand ebendaselbst sogar ein Zweigverein der Schiller¬ stiftung, und die armen Slowenen, die gleich den meisten Südslawen am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/524>, abgerufen am 27.12.2024.