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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

zu können. Denn in seiner letzten Veröffentlichung, einer Novellensammlung,
der er nach der umfang- und gehaltreichsten den Titel Adotja gegeben hat
(Berlin, G. Grote), ist er von der Gymnasialhumoreske bereits zu humoristischen
Erzählungen aus dem Leben von Universitütsprofessoren und Dozenten gediehen,
ohne damit freilich mehr zur Hebung dieses Standes in der öffentlichen
Meinung beizutragen. Mit dem wirklichen Leben haben diese Schilderungen,
die an und für sich sehr unterhaltend sind, nichts zu thun. Aber um so mehr
die erste, die der Sammlung den Namen gegeben hat. Hier wird Eckstein
zum Sittenprediger; er, der vor Jahren den Übermut der Schuljugend zu noch
kühnem Thaten angestachelt hat, zeigt die letzten Folgen der Emanzipation,
die Tragödie der freien Liebe, die ein edel geartetes Weib in den Armen eines
schwachen Mannes zu leiden hat. Die Lehre ist sehr eindringlich und wird
wohl viele Leser überzeugen, wie wir wünschen, am meisten die weiblichen.
Die freie Liebe ist und bleibt immer eine größere Fessel für das Weib als
für den Mann, und die Frauen können nichts unsinnigeres thun, als wenn
sie die Probe auf ihre Theorien an Masfenbcispielen machen wollten!




Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

ir pflegen Italien das Land der Kunst zu nennen. Aber zu dem
Lande fehlt leider das Volk, womit nicht gerade das Volk der
Künstler gemeint ist, das ja auch in andern Ländern den Ver¬
gleich mit der Vergangenheit nicht aushält, sondern die Menschen,
die die Kunst ihrer Vorfahren schätzen, verstehen und verwerten.
Zwar sieht in Italien auch der Main? aus dem Volk in der Regel mit einem
gewissen Stolze auf die Kunstwerke seines Orts, und die Gebildeten wissen
auch in ihrer schönen, phrasenreichen Sprache von ihrer glänzenden Kunst und
ihrer prächtigen alten Kultur zu reden und zu schreiben, aber höher schützen
sie doch die Eintrittsgelder, die die fremden Reisenden zurücklassen, und den
vielfältigen Gewinn, den sonst der Fremdenverkehr mit sich bringt, und der sich
auf viele Millionen beläuft. Davon hat der praktische Italiener etwas. Die
Kunst überläßt er herzlich gern den Fremden, den Deutschen, Engländern und
Franzosen, zu denen neuerdings noch die Amerikaner gekommen sind. Die
mögen sie studiren und zu Büchern verarbeiten. So ist es in Italien mit
der antiken Archäologie gegangen, und so geht es mit dem Studium der ita¬
lienischen Kunst.


Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

zu können. Denn in seiner letzten Veröffentlichung, einer Novellensammlung,
der er nach der umfang- und gehaltreichsten den Titel Adotja gegeben hat
(Berlin, G. Grote), ist er von der Gymnasialhumoreske bereits zu humoristischen
Erzählungen aus dem Leben von Universitütsprofessoren und Dozenten gediehen,
ohne damit freilich mehr zur Hebung dieses Standes in der öffentlichen
Meinung beizutragen. Mit dem wirklichen Leben haben diese Schilderungen,
die an und für sich sehr unterhaltend sind, nichts zu thun. Aber um so mehr
die erste, die der Sammlung den Namen gegeben hat. Hier wird Eckstein
zum Sittenprediger; er, der vor Jahren den Übermut der Schuljugend zu noch
kühnem Thaten angestachelt hat, zeigt die letzten Folgen der Emanzipation,
die Tragödie der freien Liebe, die ein edel geartetes Weib in den Armen eines
schwachen Mannes zu leiden hat. Die Lehre ist sehr eindringlich und wird
wohl viele Leser überzeugen, wie wir wünschen, am meisten die weiblichen.
Die freie Liebe ist und bleibt immer eine größere Fessel für das Weib als
für den Mann, und die Frauen können nichts unsinnigeres thun, als wenn
sie die Probe auf ihre Theorien an Masfenbcispielen machen wollten!




Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

ir pflegen Italien das Land der Kunst zu nennen. Aber zu dem
Lande fehlt leider das Volk, womit nicht gerade das Volk der
Künstler gemeint ist, das ja auch in andern Ländern den Ver¬
gleich mit der Vergangenheit nicht aushält, sondern die Menschen,
die die Kunst ihrer Vorfahren schätzen, verstehen und verwerten.
Zwar sieht in Italien auch der Main? aus dem Volk in der Regel mit einem
gewissen Stolze auf die Kunstwerke seines Orts, und die Gebildeten wissen
auch in ihrer schönen, phrasenreichen Sprache von ihrer glänzenden Kunst und
ihrer prächtigen alten Kultur zu reden und zu schreiben, aber höher schützen
sie doch die Eintrittsgelder, die die fremden Reisenden zurücklassen, und den
vielfältigen Gewinn, den sonst der Fremdenverkehr mit sich bringt, und der sich
auf viele Millionen beläuft. Davon hat der praktische Italiener etwas. Die
Kunst überläßt er herzlich gern den Fremden, den Deutschen, Engländern und
Franzosen, zu denen neuerdings noch die Amerikaner gekommen sind. Die
mögen sie studiren und zu Büchern verarbeiten. So ist es in Italien mit
der antiken Archäologie gegangen, und so geht es mit dem Studium der ita¬
lienischen Kunst.


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[0040] Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung zu können. Denn in seiner letzten Veröffentlichung, einer Novellensammlung, der er nach der umfang- und gehaltreichsten den Titel Adotja gegeben hat (Berlin, G. Grote), ist er von der Gymnasialhumoreske bereits zu humoristischen Erzählungen aus dem Leben von Universitütsprofessoren und Dozenten gediehen, ohne damit freilich mehr zur Hebung dieses Standes in der öffentlichen Meinung beizutragen. Mit dem wirklichen Leben haben diese Schilderungen, die an und für sich sehr unterhaltend sind, nichts zu thun. Aber um so mehr die erste, die der Sammlung den Namen gegeben hat. Hier wird Eckstein zum Sittenprediger; er, der vor Jahren den Übermut der Schuljugend zu noch kühnem Thaten angestachelt hat, zeigt die letzten Folgen der Emanzipation, die Tragödie der freien Liebe, die ein edel geartetes Weib in den Armen eines schwachen Mannes zu leiden hat. Die Lehre ist sehr eindringlich und wird wohl viele Leser überzeugen, wie wir wünschen, am meisten die weiblichen. Die freie Liebe ist und bleibt immer eine größere Fessel für das Weib als für den Mann, und die Frauen können nichts unsinnigeres thun, als wenn sie die Probe auf ihre Theorien an Masfenbcispielen machen wollten! Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung ir pflegen Italien das Land der Kunst zu nennen. Aber zu dem Lande fehlt leider das Volk, womit nicht gerade das Volk der Künstler gemeint ist, das ja auch in andern Ländern den Ver¬ gleich mit der Vergangenheit nicht aushält, sondern die Menschen, die die Kunst ihrer Vorfahren schätzen, verstehen und verwerten. Zwar sieht in Italien auch der Main? aus dem Volk in der Regel mit einem gewissen Stolze auf die Kunstwerke seines Orts, und die Gebildeten wissen auch in ihrer schönen, phrasenreichen Sprache von ihrer glänzenden Kunst und ihrer prächtigen alten Kultur zu reden und zu schreiben, aber höher schützen sie doch die Eintrittsgelder, die die fremden Reisenden zurücklassen, und den vielfältigen Gewinn, den sonst der Fremdenverkehr mit sich bringt, und der sich auf viele Millionen beläuft. Davon hat der praktische Italiener etwas. Die Kunst überläßt er herzlich gern den Fremden, den Deutschen, Engländern und Franzosen, zu denen neuerdings noch die Amerikaner gekommen sind. Die mögen sie studiren und zu Büchern verarbeiten. So ist es in Italien mit der antiken Archäologie gegangen, und so geht es mit dem Studium der ita¬ lienischen Kunst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/40>, abgerufen am 23.07.2024.