Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Uninaßgedliches Treitschke, der das Material in seinem sechsten Bande benutzen sollte, starb darüber Nunmehr hat ein Neffe des Ministers, der Regierungspräsident von Diest, Man sieht, daß diese kleine Publikation von 80 Seiten einen ganz hervor¬ Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Maßgebliches und Uninaßgedliches Treitschke, der das Material in seinem sechsten Bande benutzen sollte, starb darüber Nunmehr hat ein Neffe des Ministers, der Regierungspräsident von Diest, Man sieht, daß diese kleine Publikation von 80 Seiten einen ganz hervor¬ Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227996"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Uninaßgedliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_981" prev="#ID_980"> Treitschke, der das Material in seinem sechsten Bande benutzen sollte, starb darüber<lb/> hinweg.</p><lb/> <p xml:id="ID_982"> Nunmehr hat ein Neffe des Ministers, der Regierungspräsident von Diest,<lb/> diese Briefe und andre Aktenstücke ans dem Nachlasse seines Onkels, darunter<lb/> Briefe Friedrich Wilhelms IV. und des Prinzen von Preußen an Bodelschwingh,<lb/> veröffentlicht in einer kleinen Schrift, die uns übrigens auch mancherlei neues über<lb/> das Jahr 1848 bringt: Meine Erlebnisse im Jahre 1343 und die Stellung des<lb/> Staatsministers von Bodelschwingh vor und an dem 13. März 1843, von Gustav<lb/> von Diest (Berlin, Mittler und Sohn). Wir erhalten darin nicht nur mehrere<lb/> authentische Berichte über die damalige Lage außer dem, auf den sich Bismarcks<lb/> Anerkennung bezieht, sondern wir sehen anch daraus, was den Minister von Bodel¬<lb/> schwingh betrifft, daß es nach dessen Verhalten vorher und nachher, nach seiner<lb/> ganzen Persönlichkeit und den mitgeteilten objektiven Thatsachen unsinnig wäre, die<lb/> ihm von der falschen Geschichtsüberlieferung zugewiesene Rolle aufrecht erhalten zu<lb/> wollen. Es hat keinen mutigern und überzeugungstreuern Anhänger des Königs<lb/> und keinen beständigem Vertreter der königlichen Rechte gegeben, und keinen konnte<lb/> es schwerer treffen, als ihn, daß er gegen seiue Einsicht gehorchen mußte. Seine<lb/> Angehörigen haben nun bis zum Jubiläumsjahre damit gewartet, daß dem Namen<lb/> des Toten sein Recht würde, weil sie einen geschichtlichen Anlaß zu ihrem Vor¬<lb/> gehen haben wollten; leicht wird ihnen das Warten nicht geworden sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_983"> Man sieht, daß diese kleine Publikation von 80 Seiten einen ganz hervor¬<lb/> ragenden Wert hat. Wir möchten doch auch auf die interessanten persönlichen Er¬<lb/> lebnisse hinweisen, die der Verfasser bescheiden hinter die großen Ereignisse ver¬<lb/> steckt. Er war es z. B., der in einer Nacht auf Posten vor dem Palais des<lb/> Prinzen von Preußen, auf die Schultern des befreundeten Kameraden steigend, die<lb/> bekannte Kreideinschrift „Nationaleigentum" auslöschte. nachdenkende Leser möchten<lb/> wissen, wer denn wohl ans deS Königs Entschließungen den meisten Einfluß aus¬<lb/> geübt habe. Bodelschwingh denkt an Georg von Vincke, ohne den Namen zu<lb/> nennen (S. 24). Herr von Diest deutet mit gutem Grund auf den Hofprediger<lb/> Strauß, der in der Nacht zwischen dem 13. und 19. März einen Gottesdienst vor<lb/> dem Könige halten mußte. Unverständlich erscheint das Verhalten Bismarcks im<lb/> März 1889 gegenüber dem Pfarrer von Bodelschwingh. Er selbst hatte doch<lb/> einst in einem hier ebenfalls zum erstenmale veröffentlichten Briefe vom 27. Januar<lb/> 1849 den ehemaligen Minister gebeten, die Wahl zur zweiten Kammer für den<lb/> Wahlkreis Teltow anzunehmen oder, wenn er durchaus nicht wolle, ihm — Bismarck —<lb/> seinen Einfluß zuzuwenden. In solchem Vertrauen stand er zu Bodelschwingh, so<lb/> hoch verehrte er ihn persönlich. Das würde er nicht gethan haben, wenn er ge¬<lb/> meint hätte, Bodelschwingh sei der Veranlasser jener königlichen Entschließungen<lb/> gewesen. In Bezug auf die Gründe Bismarcks möchten wir uns an dieser Stelle<lb/> auf keine Vermutungen einlassen. Wir setzen statt dessen die Schlußstellen der<lb/> beiden Briefe hierher. „Ew. Hvchehrwürdeu würden daher nicht nur dem<lb/> Andenken Ihres Herrn Vaters, sondern auch der Geschichte und der Krone einen<lb/> Dienst erweisen, wenn Sie in die Veröffentlichung des Schreibens vom 30. März<lb/> 1848 willigten." — „Meines Dafürhaltens kann es dabei aber von keiner Be¬<lb/> deutung sein, ob die Veröffentlichung mit meiner Person in Zusammenhang gebracht<lb/> wird; es kommt lediglich darauf an, daß die von Ihrem Herrn Vater referirten<lb/> Thatsachen xublioi M'ig werden."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Maßgebliches und Uninaßgedliches
Treitschke, der das Material in seinem sechsten Bande benutzen sollte, starb darüber
hinweg.
Nunmehr hat ein Neffe des Ministers, der Regierungspräsident von Diest,
diese Briefe und andre Aktenstücke ans dem Nachlasse seines Onkels, darunter
Briefe Friedrich Wilhelms IV. und des Prinzen von Preußen an Bodelschwingh,
veröffentlicht in einer kleinen Schrift, die uns übrigens auch mancherlei neues über
das Jahr 1848 bringt: Meine Erlebnisse im Jahre 1343 und die Stellung des
Staatsministers von Bodelschwingh vor und an dem 13. März 1843, von Gustav
von Diest (Berlin, Mittler und Sohn). Wir erhalten darin nicht nur mehrere
authentische Berichte über die damalige Lage außer dem, auf den sich Bismarcks
Anerkennung bezieht, sondern wir sehen anch daraus, was den Minister von Bodel¬
schwingh betrifft, daß es nach dessen Verhalten vorher und nachher, nach seiner
ganzen Persönlichkeit und den mitgeteilten objektiven Thatsachen unsinnig wäre, die
ihm von der falschen Geschichtsüberlieferung zugewiesene Rolle aufrecht erhalten zu
wollen. Es hat keinen mutigern und überzeugungstreuern Anhänger des Königs
und keinen beständigem Vertreter der königlichen Rechte gegeben, und keinen konnte
es schwerer treffen, als ihn, daß er gegen seiue Einsicht gehorchen mußte. Seine
Angehörigen haben nun bis zum Jubiläumsjahre damit gewartet, daß dem Namen
des Toten sein Recht würde, weil sie einen geschichtlichen Anlaß zu ihrem Vor¬
gehen haben wollten; leicht wird ihnen das Warten nicht geworden sein.
Man sieht, daß diese kleine Publikation von 80 Seiten einen ganz hervor¬
ragenden Wert hat. Wir möchten doch auch auf die interessanten persönlichen Er¬
lebnisse hinweisen, die der Verfasser bescheiden hinter die großen Ereignisse ver¬
steckt. Er war es z. B., der in einer Nacht auf Posten vor dem Palais des
Prinzen von Preußen, auf die Schultern des befreundeten Kameraden steigend, die
bekannte Kreideinschrift „Nationaleigentum" auslöschte. nachdenkende Leser möchten
wissen, wer denn wohl ans deS Königs Entschließungen den meisten Einfluß aus¬
geübt habe. Bodelschwingh denkt an Georg von Vincke, ohne den Namen zu
nennen (S. 24). Herr von Diest deutet mit gutem Grund auf den Hofprediger
Strauß, der in der Nacht zwischen dem 13. und 19. März einen Gottesdienst vor
dem Könige halten mußte. Unverständlich erscheint das Verhalten Bismarcks im
März 1889 gegenüber dem Pfarrer von Bodelschwingh. Er selbst hatte doch
einst in einem hier ebenfalls zum erstenmale veröffentlichten Briefe vom 27. Januar
1849 den ehemaligen Minister gebeten, die Wahl zur zweiten Kammer für den
Wahlkreis Teltow anzunehmen oder, wenn er durchaus nicht wolle, ihm — Bismarck —
seinen Einfluß zuzuwenden. In solchem Vertrauen stand er zu Bodelschwingh, so
hoch verehrte er ihn persönlich. Das würde er nicht gethan haben, wenn er ge¬
meint hätte, Bodelschwingh sei der Veranlasser jener königlichen Entschließungen
gewesen. In Bezug auf die Gründe Bismarcks möchten wir uns an dieser Stelle
auf keine Vermutungen einlassen. Wir setzen statt dessen die Schlußstellen der
beiden Briefe hierher. „Ew. Hvchehrwürdeu würden daher nicht nur dem
Andenken Ihres Herrn Vaters, sondern auch der Geschichte und der Krone einen
Dienst erweisen, wenn Sie in die Veröffentlichung des Schreibens vom 30. März
1848 willigten." — „Meines Dafürhaltens kann es dabei aber von keiner Be¬
deutung sein, ob die Veröffentlichung mit meiner Person in Zusammenhang gebracht
wird; es kommt lediglich darauf an, daß die von Ihrem Herrn Vater referirten
Thatsachen xublioi M'ig werden."
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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