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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Magyarisinmg der Vrtsnamen

gestaltung zugleich eine Magyarisirung der Namen enthält, so ist das eine
angenehme aber durchaus nicht geplante Zugabe.

Und so kann alles geschehen, und so wird alles geschehen. Die Parla-
mentsmaschiue arbeitet mit erfreulicher Genauigkeit. "Sie sind vierhundert,
wir sind dreizehn," hat ein sächsischer Abgeordneter, Dr. Karl Schmidt, den
Magyaren im Parlament zugerufen. Aber dadurch, daß ein Gesetz gegeben
wird, wird noch uicht der Beweis geliefert, daß es gut sei. Dies Gesetz wenig¬
stens ist unnötig, zweckwidrig, verderblich.

Aber das Gesetz ist auch ohne Rücksicht auf menschliches Gefühl, auf das
geschichtliche Bewußtsein, auf das nationale Empfinden gemacht worden, und
das fällt mit am schwersten ins Gewicht- Die Stätten und Orte, die unsre
Vorfahren als ihre Heimat geliebt, wo sie in Kampf und Frieden, in Sorge
und Lust, in Arbeit und Erfolg ein großes Kulturwerk geschaffen haben, ein
Kulturwerk, dnrch das sie dem ganzen Lande, weit über die engen Grenzen
ihres Gebiets hinaus, den Stempel ihres Wesens aufgedrückt haben, diese
Städte und Orte sollen um ihren Charakter verlieren. Alle die Siedlungen,
die von deutschen Gründern ihren deutschen Namen erhalten und ihn mit
Ehren durch die Jahrhunderte getragen haben; alle die Orte, die so aus¬
schließlich deutsch waren, daß es unmöglich ist, sie sich anders vorzustellen,
so ausschließlich deutsch, daß fremde Nationen in ihnen nicht einmal Nieder-
lassungsrecht hatten, die sollen nun in magyarische Namensformen verkleidet
werden, und damit soll planmäßiges Vergessen der Vergangenheit erzielt werden.
Aber Namen sind nicht Rauch!

Der Lehrer erzählt seinen Schülern in der Heimatkunde von der Burg,
die sich am Ende des Holtauerthales erhebt. Er erzählt ihnen, wie in
jener Zeit, wo Hermann von Nürnberg Hermmmstadt gründete, auch ein vor¬
nehmer Ritter Michael mit sechsundzwanzig Knechten mitgekommen sei und
die Burg gegründet habe, die nach ihm den Namen trage: Ivis-visMocl.
Klingt das nicht lächerlich, aber klingt es nicht auch aberwitzig und brutal?
Darf man mit den Gefühlen eines Volkes spielen?

Es geht keine Festlichkeit vorüber, ohne daß die siebenbürger Sachsen
ihr Volkslied sängen. Es wurde von Max Moltke gedichtet, dem vor einigen
Jahren verstorbnen Leipziger Schriftsteller, als er in den vierziger Jahren in
Kronstäbe weilte. Die erste Strophe lautet:


Siebenbürgen, Land deS Segens,
Land der Fülle und der Kraft;
Mit dem Gürtel der Karpathen,
Um das grüne Kleid der Saaten,
Land voll Gold und Rebensaft.

Jede der folgenden Strophen beginnt mit einem ähnlichen Ausruf: "Sieben¬
bürgen. Land der Duldung," "Siebenbürgen, süße Heimat" n. tgi. Das Lied


Grenzvoten II 1898 41
Die Magyarisinmg der Vrtsnamen

gestaltung zugleich eine Magyarisirung der Namen enthält, so ist das eine
angenehme aber durchaus nicht geplante Zugabe.

Und so kann alles geschehen, und so wird alles geschehen. Die Parla-
mentsmaschiue arbeitet mit erfreulicher Genauigkeit. „Sie sind vierhundert,
wir sind dreizehn," hat ein sächsischer Abgeordneter, Dr. Karl Schmidt, den
Magyaren im Parlament zugerufen. Aber dadurch, daß ein Gesetz gegeben
wird, wird noch uicht der Beweis geliefert, daß es gut sei. Dies Gesetz wenig¬
stens ist unnötig, zweckwidrig, verderblich.

Aber das Gesetz ist auch ohne Rücksicht auf menschliches Gefühl, auf das
geschichtliche Bewußtsein, auf das nationale Empfinden gemacht worden, und
das fällt mit am schwersten ins Gewicht- Die Stätten und Orte, die unsre
Vorfahren als ihre Heimat geliebt, wo sie in Kampf und Frieden, in Sorge
und Lust, in Arbeit und Erfolg ein großes Kulturwerk geschaffen haben, ein
Kulturwerk, dnrch das sie dem ganzen Lande, weit über die engen Grenzen
ihres Gebiets hinaus, den Stempel ihres Wesens aufgedrückt haben, diese
Städte und Orte sollen um ihren Charakter verlieren. Alle die Siedlungen,
die von deutschen Gründern ihren deutschen Namen erhalten und ihn mit
Ehren durch die Jahrhunderte getragen haben; alle die Orte, die so aus¬
schließlich deutsch waren, daß es unmöglich ist, sie sich anders vorzustellen,
so ausschließlich deutsch, daß fremde Nationen in ihnen nicht einmal Nieder-
lassungsrecht hatten, die sollen nun in magyarische Namensformen verkleidet
werden, und damit soll planmäßiges Vergessen der Vergangenheit erzielt werden.
Aber Namen sind nicht Rauch!

Der Lehrer erzählt seinen Schülern in der Heimatkunde von der Burg,
die sich am Ende des Holtauerthales erhebt. Er erzählt ihnen, wie in
jener Zeit, wo Hermann von Nürnberg Hermmmstadt gründete, auch ein vor¬
nehmer Ritter Michael mit sechsundzwanzig Knechten mitgekommen sei und
die Burg gegründet habe, die nach ihm den Namen trage: Ivis-visMocl.
Klingt das nicht lächerlich, aber klingt es nicht auch aberwitzig und brutal?
Darf man mit den Gefühlen eines Volkes spielen?

Es geht keine Festlichkeit vorüber, ohne daß die siebenbürger Sachsen
ihr Volkslied sängen. Es wurde von Max Moltke gedichtet, dem vor einigen
Jahren verstorbnen Leipziger Schriftsteller, als er in den vierziger Jahren in
Kronstäbe weilte. Die erste Strophe lautet:


Siebenbürgen, Land deS Segens,
Land der Fülle und der Kraft;
Mit dem Gürtel der Karpathen,
Um das grüne Kleid der Saaten,
Land voll Gold und Rebensaft.

Jede der folgenden Strophen beginnt mit einem ähnlichen Ausruf: „Sieben¬
bürgen. Land der Duldung," „Siebenbürgen, süße Heimat" n. tgi. Das Lied


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[0329] Die Magyarisinmg der Vrtsnamen gestaltung zugleich eine Magyarisirung der Namen enthält, so ist das eine angenehme aber durchaus nicht geplante Zugabe. Und so kann alles geschehen, und so wird alles geschehen. Die Parla- mentsmaschiue arbeitet mit erfreulicher Genauigkeit. „Sie sind vierhundert, wir sind dreizehn," hat ein sächsischer Abgeordneter, Dr. Karl Schmidt, den Magyaren im Parlament zugerufen. Aber dadurch, daß ein Gesetz gegeben wird, wird noch uicht der Beweis geliefert, daß es gut sei. Dies Gesetz wenig¬ stens ist unnötig, zweckwidrig, verderblich. Aber das Gesetz ist auch ohne Rücksicht auf menschliches Gefühl, auf das geschichtliche Bewußtsein, auf das nationale Empfinden gemacht worden, und das fällt mit am schwersten ins Gewicht- Die Stätten und Orte, die unsre Vorfahren als ihre Heimat geliebt, wo sie in Kampf und Frieden, in Sorge und Lust, in Arbeit und Erfolg ein großes Kulturwerk geschaffen haben, ein Kulturwerk, dnrch das sie dem ganzen Lande, weit über die engen Grenzen ihres Gebiets hinaus, den Stempel ihres Wesens aufgedrückt haben, diese Städte und Orte sollen um ihren Charakter verlieren. Alle die Siedlungen, die von deutschen Gründern ihren deutschen Namen erhalten und ihn mit Ehren durch die Jahrhunderte getragen haben; alle die Orte, die so aus¬ schließlich deutsch waren, daß es unmöglich ist, sie sich anders vorzustellen, so ausschließlich deutsch, daß fremde Nationen in ihnen nicht einmal Nieder- lassungsrecht hatten, die sollen nun in magyarische Namensformen verkleidet werden, und damit soll planmäßiges Vergessen der Vergangenheit erzielt werden. Aber Namen sind nicht Rauch! Der Lehrer erzählt seinen Schülern in der Heimatkunde von der Burg, die sich am Ende des Holtauerthales erhebt. Er erzählt ihnen, wie in jener Zeit, wo Hermann von Nürnberg Hermmmstadt gründete, auch ein vor¬ nehmer Ritter Michael mit sechsundzwanzig Knechten mitgekommen sei und die Burg gegründet habe, die nach ihm den Namen trage: Ivis-visMocl. Klingt das nicht lächerlich, aber klingt es nicht auch aberwitzig und brutal? Darf man mit den Gefühlen eines Volkes spielen? Es geht keine Festlichkeit vorüber, ohne daß die siebenbürger Sachsen ihr Volkslied sängen. Es wurde von Max Moltke gedichtet, dem vor einigen Jahren verstorbnen Leipziger Schriftsteller, als er in den vierziger Jahren in Kronstäbe weilte. Die erste Strophe lautet: Siebenbürgen, Land deS Segens, Land der Fülle und der Kraft; Mit dem Gürtel der Karpathen, Um das grüne Kleid der Saaten, Land voll Gold und Rebensaft. Jede der folgenden Strophen beginnt mit einem ähnlichen Ausruf: „Sieben¬ bürgen. Land der Duldung," „Siebenbürgen, süße Heimat" n. tgi. Das Lied Grenzvoten II 1898 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/329>, abgerufen am 28.12.2024.