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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zu dem Aainpfe gegen die Unsittlichkeit

weiseste Belgien. Daher müssen auch wir dieser antinationnlen Stimmung
Rechnung tragen und bei der Wahl zwischen dem Rheinhafen Rotterdam und
dem Scheldeplatz Antwerpen dies letzte möglichst begünstigen. Die kleine Un¬
bequemlichkeit der Verkehrserschwerung darf uns nicht hindern, dem belgischen
Antwerpen möglichst den Vorzug zu geben, zumal da es zu materiellen Opfern
bereit gewesen ist. Die Geschichte der Rheinschiffahrt und Rheinsischerei weiß
ein Lied von der holländischen Unfreundlichkeit zu singen, sodaß auch wirt¬
schaftspolitisch die Frage zu Gunsten Belgiens entschieden werden muß.
Solange sich nicht die lächerliche Deutschenfurcht in Holland legt, und der
Deutschenhaß nicht der nationalen Freundschaft der Stammesbrüder weicht, muß
Holland auch die notgedrungne Zurückhaltung des deutschen Mutter- und
Hinterlandes am eignen Leibe sühlen, und in diesem Punkt ist der Holländer
sehr empfindlich und verständnisinnig. Auf die Dauer wird das wirtschaftliche
Interesse auch zur nationalen Wiedergeburt der gesamten Niederlande in
deutschnationalem Sinne führen.

In Südafrika wächst in gleicher Weise unsre wirtschaftliche Beteiligung,
daher dürfen wir hoffen, daß sich anch unser Handel dem eigennützigen Schutze
Albions entwindet, da das praktische England auch im internationalen Handel
immer nur das britische Interesse vertritt. Erst die Emanzipation des deutschen
Handels von der englischen Flagge hat ihn wieder groß gemacht wie zu den
Zeiten der Hanse, wo das flandrische Quartier mit dem Vorort Brügge der
Aurd von Strantz Stolz des alten Reiches war.




Zu dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit

>le Beratungen des Reichstags über die lex Heinze müssen im
! Volksfreunde die gemischtesten Gefühle erregen. Einem sozialen
Übel durch Strasgesetzbuchparagraphen Einhalt thun, und sitten¬
lose Menschen durch Zuchthaus, Gefängnis oder Geldbuße zur
Sittlichkeit erziehen wollen, ein solches Bemühen kann, wie
jeder Einsichtige erkennen muß, von keinem Erfolg gekrönt sein.

Nur vorsichtiger, aber darum nicht weniger eifrig werden Kuppler und
Zuhälter ihr schändliches Gewerbe treiben, wenn sie wissen, daß das Gesetz
ihr Vergehen schwerer ahndet, als es bisher der Fall war. Und kaum eine
der von der Unzucht lebenden Personen wird durch die drohende oder vielleicht
auch schon erlittene Strafe bewogen werden, den Weg des Lasters zu verlassen


Grenzboten II 1898 U>
Zu dem Aainpfe gegen die Unsittlichkeit

weiseste Belgien. Daher müssen auch wir dieser antinationnlen Stimmung
Rechnung tragen und bei der Wahl zwischen dem Rheinhafen Rotterdam und
dem Scheldeplatz Antwerpen dies letzte möglichst begünstigen. Die kleine Un¬
bequemlichkeit der Verkehrserschwerung darf uns nicht hindern, dem belgischen
Antwerpen möglichst den Vorzug zu geben, zumal da es zu materiellen Opfern
bereit gewesen ist. Die Geschichte der Rheinschiffahrt und Rheinsischerei weiß
ein Lied von der holländischen Unfreundlichkeit zu singen, sodaß auch wirt¬
schaftspolitisch die Frage zu Gunsten Belgiens entschieden werden muß.
Solange sich nicht die lächerliche Deutschenfurcht in Holland legt, und der
Deutschenhaß nicht der nationalen Freundschaft der Stammesbrüder weicht, muß
Holland auch die notgedrungne Zurückhaltung des deutschen Mutter- und
Hinterlandes am eignen Leibe sühlen, und in diesem Punkt ist der Holländer
sehr empfindlich und verständnisinnig. Auf die Dauer wird das wirtschaftliche
Interesse auch zur nationalen Wiedergeburt der gesamten Niederlande in
deutschnationalem Sinne führen.

In Südafrika wächst in gleicher Weise unsre wirtschaftliche Beteiligung,
daher dürfen wir hoffen, daß sich anch unser Handel dem eigennützigen Schutze
Albions entwindet, da das praktische England auch im internationalen Handel
immer nur das britische Interesse vertritt. Erst die Emanzipation des deutschen
Handels von der englischen Flagge hat ihn wieder groß gemacht wie zu den
Zeiten der Hanse, wo das flandrische Quartier mit dem Vorort Brügge der
Aurd von Strantz Stolz des alten Reiches war.




Zu dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit

>le Beratungen des Reichstags über die lex Heinze müssen im
! Volksfreunde die gemischtesten Gefühle erregen. Einem sozialen
Übel durch Strasgesetzbuchparagraphen Einhalt thun, und sitten¬
lose Menschen durch Zuchthaus, Gefängnis oder Geldbuße zur
Sittlichkeit erziehen wollen, ein solches Bemühen kann, wie
jeder Einsichtige erkennen muß, von keinem Erfolg gekrönt sein.

Nur vorsichtiger, aber darum nicht weniger eifrig werden Kuppler und
Zuhälter ihr schändliches Gewerbe treiben, wenn sie wissen, daß das Gesetz
ihr Vergehen schwerer ahndet, als es bisher der Fall war. Und kaum eine
der von der Unzucht lebenden Personen wird durch die drohende oder vielleicht
auch schon erlittene Strafe bewogen werden, den Weg des Lasters zu verlassen


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[0129] Zu dem Aainpfe gegen die Unsittlichkeit weiseste Belgien. Daher müssen auch wir dieser antinationnlen Stimmung Rechnung tragen und bei der Wahl zwischen dem Rheinhafen Rotterdam und dem Scheldeplatz Antwerpen dies letzte möglichst begünstigen. Die kleine Un¬ bequemlichkeit der Verkehrserschwerung darf uns nicht hindern, dem belgischen Antwerpen möglichst den Vorzug zu geben, zumal da es zu materiellen Opfern bereit gewesen ist. Die Geschichte der Rheinschiffahrt und Rheinsischerei weiß ein Lied von der holländischen Unfreundlichkeit zu singen, sodaß auch wirt¬ schaftspolitisch die Frage zu Gunsten Belgiens entschieden werden muß. Solange sich nicht die lächerliche Deutschenfurcht in Holland legt, und der Deutschenhaß nicht der nationalen Freundschaft der Stammesbrüder weicht, muß Holland auch die notgedrungne Zurückhaltung des deutschen Mutter- und Hinterlandes am eignen Leibe sühlen, und in diesem Punkt ist der Holländer sehr empfindlich und verständnisinnig. Auf die Dauer wird das wirtschaftliche Interesse auch zur nationalen Wiedergeburt der gesamten Niederlande in deutschnationalem Sinne führen. In Südafrika wächst in gleicher Weise unsre wirtschaftliche Beteiligung, daher dürfen wir hoffen, daß sich anch unser Handel dem eigennützigen Schutze Albions entwindet, da das praktische England auch im internationalen Handel immer nur das britische Interesse vertritt. Erst die Emanzipation des deutschen Handels von der englischen Flagge hat ihn wieder groß gemacht wie zu den Zeiten der Hanse, wo das flandrische Quartier mit dem Vorort Brügge der Aurd von Strantz Stolz des alten Reiches war. Zu dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit >le Beratungen des Reichstags über die lex Heinze müssen im ! Volksfreunde die gemischtesten Gefühle erregen. Einem sozialen Übel durch Strasgesetzbuchparagraphen Einhalt thun, und sitten¬ lose Menschen durch Zuchthaus, Gefängnis oder Geldbuße zur Sittlichkeit erziehen wollen, ein solches Bemühen kann, wie jeder Einsichtige erkennen muß, von keinem Erfolg gekrönt sein. Nur vorsichtiger, aber darum nicht weniger eifrig werden Kuppler und Zuhälter ihr schändliches Gewerbe treiben, wenn sie wissen, daß das Gesetz ihr Vergehen schwerer ahndet, als es bisher der Fall war. Und kaum eine der von der Unzucht lebenden Personen wird durch die drohende oder vielleicht auch schon erlittene Strafe bewogen werden, den Weg des Lasters zu verlassen Grenzboten II 1898 U>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/129>, abgerufen am 27.12.2024.