Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

damals ein sächsischer Prinz anders als streng sächsisch empfinden sollen! Sein
politischer Gesichtskreis erfuhr wohl die erste grundsätzliche Erweiterung, als
er, der erste sächsische Prinz, der eine Universität bezog, in Bonn zu Dcchl-
manns Fußen saß, des charaktervoller Propheten der deutschen Einheit unter
preußischer Führung, und als er dann im Frühjahr 1849 mit den Waffen
hinauszog, um in Schleswig die deutsche Sache gegen die Dänen zu schützen.
Ein gütiges Geschick vergönnte ihm, für eine nationale Sache zum erstenmale
im Feuer zu stehen, und ersparte ihm den traurigen Anblick des heimischen
Bürgerkriegs. Die nachfolgenden Jahre waren freilich nicht geeignet, den
Stolz auf deutsche Erfolge zu fördern, und niemand ahnte, Prinz Albert, der
seit 1854 Thronfolger war, am wenigsten, daß die militärische Thätigkeit, der
er sich mit voller Neigung hingab, die Vorbereitung zu so großen Thaten sein
würde. Erst als mit dem Anfange der sechziger Jahre die Aussichten auf
schwere Verwicklungen aufstiegen, da faßte er früh mit klarer Entschlossenheit
die Möglichkeit einer Waffenentscheidung ins Auge und befürwortete 1864 die
von der Regierung beim Landtage beantragte Vermehrung der Armee als
Mitglied der ersten Kammer mit den charakteristischen Worten: "Die Zeit kann
kommen, wo man nicht nach der Industrie und dem Handel Sachsens, nicht
nach seiner Kunst und Wissenschaft fragen wird, sondern wo man fragen wird:
Wie haben sich unsre Sachsen geschlagen?" und alles, was er in seinen ver-
schiedne" militärischen Stellungen, zuletzt als Oberbefehlshaber, im alltäglichen
Dienst und bei den regelmäßigen Manöver" thun konnte, um die sächsischen
Truppen kriegstüchtig zu machen und um selbst zu lernen, das that er mit ganzem
Eifer, stets bei der Sache, streng im Dienst und doch vou der Mannschaft
schon mit warmer Anhänglichkeit und vollem Vertrauen betrachtet. So stark
trat diese militärische Neigung hervor, daß man damals kaum beachtete, wie
der Kronprinz ein sehr vielseitiges Interesse hatte und an den Staatsange¬
legenheiten, vor allem in der ersten Kammer, regen Anteil nahm.

Die Zeit, die er geahnt hatte, kam; der Entscheidungskampf von 1866
brach aus. Es war mit sein Verdienst, wenn allein von allen deutschen
Mittelstaaten Sachsen militärisch gerüstet war, und wenn die Armee, da sie
das Land nicht decken konnte, in bester Ordnung nach Böhmen zurückging.
Wie sie sich dort schlug, immer kaltblütig und ausdauernd, wie dort Kronprinz
Albert auf dem Schlachtfelde znerst seinen Feldherrnblick und seine sichere
Führung bewährte, wie beide, der Führer und die Truppe", in der schwerste"
Prüfung, inmitten von Niederlage und Rückzug, glänzend die Probe bestanden,
ist hier nicht zu schildern. Wenn aber Sachsen aus der ganzen Krisis un¬
geschmälert hervorging, so verdankte es das der Achtung, die seine Armee dem
Sieger eingeflößt hatte, und dem festen Vertrauen, das er in die Zuverlässig¬
keit und Ehrlichkeit des Königs Johann und des Kronprinzen Albert setzte.
Mannhaft, mit offnem Visier waren sie für das eingetreten, was nach ihrer


damals ein sächsischer Prinz anders als streng sächsisch empfinden sollen! Sein
politischer Gesichtskreis erfuhr wohl die erste grundsätzliche Erweiterung, als
er, der erste sächsische Prinz, der eine Universität bezog, in Bonn zu Dcchl-
manns Fußen saß, des charaktervoller Propheten der deutschen Einheit unter
preußischer Führung, und als er dann im Frühjahr 1849 mit den Waffen
hinauszog, um in Schleswig die deutsche Sache gegen die Dänen zu schützen.
Ein gütiges Geschick vergönnte ihm, für eine nationale Sache zum erstenmale
im Feuer zu stehen, und ersparte ihm den traurigen Anblick des heimischen
Bürgerkriegs. Die nachfolgenden Jahre waren freilich nicht geeignet, den
Stolz auf deutsche Erfolge zu fördern, und niemand ahnte, Prinz Albert, der
seit 1854 Thronfolger war, am wenigsten, daß die militärische Thätigkeit, der
er sich mit voller Neigung hingab, die Vorbereitung zu so großen Thaten sein
würde. Erst als mit dem Anfange der sechziger Jahre die Aussichten auf
schwere Verwicklungen aufstiegen, da faßte er früh mit klarer Entschlossenheit
die Möglichkeit einer Waffenentscheidung ins Auge und befürwortete 1864 die
von der Regierung beim Landtage beantragte Vermehrung der Armee als
Mitglied der ersten Kammer mit den charakteristischen Worten: „Die Zeit kann
kommen, wo man nicht nach der Industrie und dem Handel Sachsens, nicht
nach seiner Kunst und Wissenschaft fragen wird, sondern wo man fragen wird:
Wie haben sich unsre Sachsen geschlagen?" und alles, was er in seinen ver-
schiedne» militärischen Stellungen, zuletzt als Oberbefehlshaber, im alltäglichen
Dienst und bei den regelmäßigen Manöver» thun konnte, um die sächsischen
Truppen kriegstüchtig zu machen und um selbst zu lernen, das that er mit ganzem
Eifer, stets bei der Sache, streng im Dienst und doch vou der Mannschaft
schon mit warmer Anhänglichkeit und vollem Vertrauen betrachtet. So stark
trat diese militärische Neigung hervor, daß man damals kaum beachtete, wie
der Kronprinz ein sehr vielseitiges Interesse hatte und an den Staatsange¬
legenheiten, vor allem in der ersten Kammer, regen Anteil nahm.

Die Zeit, die er geahnt hatte, kam; der Entscheidungskampf von 1866
brach aus. Es war mit sein Verdienst, wenn allein von allen deutschen
Mittelstaaten Sachsen militärisch gerüstet war, und wenn die Armee, da sie
das Land nicht decken konnte, in bester Ordnung nach Böhmen zurückging.
Wie sie sich dort schlug, immer kaltblütig und ausdauernd, wie dort Kronprinz
Albert auf dem Schlachtfelde znerst seinen Feldherrnblick und seine sichere
Führung bewährte, wie beide, der Führer und die Truppe», in der schwerste»
Prüfung, inmitten von Niederlage und Rückzug, glänzend die Probe bestanden,
ist hier nicht zu schildern. Wenn aber Sachsen aus der ganzen Krisis un¬
geschmälert hervorging, so verdankte es das der Achtung, die seine Armee dem
Sieger eingeflößt hatte, und dem festen Vertrauen, das er in die Zuverlässig¬
keit und Ehrlichkeit des Königs Johann und des Kronprinzen Albert setzte.
Mannhaft, mit offnem Visier waren sie für das eingetreten, was nach ihrer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227746"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_273" prev="#ID_272"> damals ein sächsischer Prinz anders als streng sächsisch empfinden sollen! Sein<lb/>
politischer Gesichtskreis erfuhr wohl die erste grundsätzliche Erweiterung, als<lb/>
er, der erste sächsische Prinz, der eine Universität bezog, in Bonn zu Dcchl-<lb/>
manns Fußen saß, des charaktervoller Propheten der deutschen Einheit unter<lb/>
preußischer Führung, und als er dann im Frühjahr 1849 mit den Waffen<lb/>
hinauszog, um in Schleswig die deutsche Sache gegen die Dänen zu schützen.<lb/>
Ein gütiges Geschick vergönnte ihm, für eine nationale Sache zum erstenmale<lb/>
im Feuer zu stehen, und ersparte ihm den traurigen Anblick des heimischen<lb/>
Bürgerkriegs. Die nachfolgenden Jahre waren freilich nicht geeignet, den<lb/>
Stolz auf deutsche Erfolge zu fördern, und niemand ahnte, Prinz Albert, der<lb/>
seit 1854 Thronfolger war, am wenigsten, daß die militärische Thätigkeit, der<lb/>
er sich mit voller Neigung hingab, die Vorbereitung zu so großen Thaten sein<lb/>
würde. Erst als mit dem Anfange der sechziger Jahre die Aussichten auf<lb/>
schwere Verwicklungen aufstiegen, da faßte er früh mit klarer Entschlossenheit<lb/>
die Möglichkeit einer Waffenentscheidung ins Auge und befürwortete 1864 die<lb/>
von der Regierung beim Landtage beantragte Vermehrung der Armee als<lb/>
Mitglied der ersten Kammer mit den charakteristischen Worten: &#x201E;Die Zeit kann<lb/>
kommen, wo man nicht nach der Industrie und dem Handel Sachsens, nicht<lb/>
nach seiner Kunst und Wissenschaft fragen wird, sondern wo man fragen wird:<lb/>
Wie haben sich unsre Sachsen geschlagen?" und alles, was er in seinen ver-<lb/>
schiedne» militärischen Stellungen, zuletzt als Oberbefehlshaber, im alltäglichen<lb/>
Dienst und bei den regelmäßigen Manöver» thun konnte, um die sächsischen<lb/>
Truppen kriegstüchtig zu machen und um selbst zu lernen, das that er mit ganzem<lb/>
Eifer, stets bei der Sache, streng im Dienst und doch vou der Mannschaft<lb/>
schon mit warmer Anhänglichkeit und vollem Vertrauen betrachtet. So stark<lb/>
trat diese militärische Neigung hervor, daß man damals kaum beachtete, wie<lb/>
der Kronprinz ein sehr vielseitiges Interesse hatte und an den Staatsange¬<lb/>
legenheiten, vor allem in der ersten Kammer, regen Anteil nahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_274" next="#ID_275"> Die Zeit, die er geahnt hatte, kam; der Entscheidungskampf von 1866<lb/>
brach aus. Es war mit sein Verdienst, wenn allein von allen deutschen<lb/>
Mittelstaaten Sachsen militärisch gerüstet war, und wenn die Armee, da sie<lb/>
das Land nicht decken konnte, in bester Ordnung nach Böhmen zurückging.<lb/>
Wie sie sich dort schlug, immer kaltblütig und ausdauernd, wie dort Kronprinz<lb/>
Albert auf dem Schlachtfelde znerst seinen Feldherrnblick und seine sichere<lb/>
Führung bewährte, wie beide, der Führer und die Truppe», in der schwerste»<lb/>
Prüfung, inmitten von Niederlage und Rückzug, glänzend die Probe bestanden,<lb/>
ist hier nicht zu schildern. Wenn aber Sachsen aus der ganzen Krisis un¬<lb/>
geschmälert hervorging, so verdankte es das der Achtung, die seine Armee dem<lb/>
Sieger eingeflößt hatte, und dem festen Vertrauen, das er in die Zuverlässig¬<lb/>
keit und Ehrlichkeit des Königs Johann und des Kronprinzen Albert setzte.<lb/>
Mannhaft, mit offnem Visier waren sie für das eingetreten, was nach ihrer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] damals ein sächsischer Prinz anders als streng sächsisch empfinden sollen! Sein politischer Gesichtskreis erfuhr wohl die erste grundsätzliche Erweiterung, als er, der erste sächsische Prinz, der eine Universität bezog, in Bonn zu Dcchl- manns Fußen saß, des charaktervoller Propheten der deutschen Einheit unter preußischer Führung, und als er dann im Frühjahr 1849 mit den Waffen hinauszog, um in Schleswig die deutsche Sache gegen die Dänen zu schützen. Ein gütiges Geschick vergönnte ihm, für eine nationale Sache zum erstenmale im Feuer zu stehen, und ersparte ihm den traurigen Anblick des heimischen Bürgerkriegs. Die nachfolgenden Jahre waren freilich nicht geeignet, den Stolz auf deutsche Erfolge zu fördern, und niemand ahnte, Prinz Albert, der seit 1854 Thronfolger war, am wenigsten, daß die militärische Thätigkeit, der er sich mit voller Neigung hingab, die Vorbereitung zu so großen Thaten sein würde. Erst als mit dem Anfange der sechziger Jahre die Aussichten auf schwere Verwicklungen aufstiegen, da faßte er früh mit klarer Entschlossenheit die Möglichkeit einer Waffenentscheidung ins Auge und befürwortete 1864 die von der Regierung beim Landtage beantragte Vermehrung der Armee als Mitglied der ersten Kammer mit den charakteristischen Worten: „Die Zeit kann kommen, wo man nicht nach der Industrie und dem Handel Sachsens, nicht nach seiner Kunst und Wissenschaft fragen wird, sondern wo man fragen wird: Wie haben sich unsre Sachsen geschlagen?" und alles, was er in seinen ver- schiedne» militärischen Stellungen, zuletzt als Oberbefehlshaber, im alltäglichen Dienst und bei den regelmäßigen Manöver» thun konnte, um die sächsischen Truppen kriegstüchtig zu machen und um selbst zu lernen, das that er mit ganzem Eifer, stets bei der Sache, streng im Dienst und doch vou der Mannschaft schon mit warmer Anhänglichkeit und vollem Vertrauen betrachtet. So stark trat diese militärische Neigung hervor, daß man damals kaum beachtete, wie der Kronprinz ein sehr vielseitiges Interesse hatte und an den Staatsange¬ legenheiten, vor allem in der ersten Kammer, regen Anteil nahm. Die Zeit, die er geahnt hatte, kam; der Entscheidungskampf von 1866 brach aus. Es war mit sein Verdienst, wenn allein von allen deutschen Mittelstaaten Sachsen militärisch gerüstet war, und wenn die Armee, da sie das Land nicht decken konnte, in bester Ordnung nach Böhmen zurückging. Wie sie sich dort schlug, immer kaltblütig und ausdauernd, wie dort Kronprinz Albert auf dem Schlachtfelde znerst seinen Feldherrnblick und seine sichere Führung bewährte, wie beide, der Führer und die Truppe», in der schwerste» Prüfung, inmitten von Niederlage und Rückzug, glänzend die Probe bestanden, ist hier nicht zu schildern. Wenn aber Sachsen aus der ganzen Krisis un¬ geschmälert hervorging, so verdankte es das der Achtung, die seine Armee dem Sieger eingeflößt hatte, und dem festen Vertrauen, das er in die Zuverlässig¬ keit und Ehrlichkeit des Königs Johann und des Kronprinzen Albert setzte. Mannhaft, mit offnem Visier waren sie für das eingetreten, was nach ihrer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/110>, abgerufen am 23.07.2024.