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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Denkmäler in der Siegesallee zu Berlin

lich im Lapidarstil, schreiben zu lassen. Es soll gewiß mit strengster Objek¬
tivität geschehen. Aber damit verträgt sich nicht das künstlerische Temperament,
das doch immer, auch wenn es noch so schwerfällig ist, nach einer Aufgabe
verlangt, an der es sich erheben, vielleicht auch begeistern kann. So sind
denn die drei ersten Markgrafenbilder sehr wahrscheinlich nicht geschichtlich
treu, aber künstlerisch hervorragend ausgefallen, und daß die künstlerische
Kraft unzweifelhaft den Sieg über die geschichtliche Bedeutung der drei Mark¬
grafen Otto I., Otto II. und Albrecht II. errungen hat, kann nur dazu bei¬
tragen, diese Fürsten unserm Geschlecht verständlich, mit der Zeit sogar
vielleicht auch angenehm zu machen. Die Bildhauer Max Unger, Joseph
Uphues und Johannes Böse haben wirkungsvolle, leibhaftige Persönlichkeiten
hingestellt, die durch sich selbst das Interesse des Beschauers wachrufen. Es
sind schöne, prächtige, in ihren Rüstungen fremdartig und phantastisch wirkende
Menschen -- das ist der erste Eindruck, der noch durch die sie umgebenden
Halbfiguren von kriegerisch oder geistig hervorragenden Männern ihrer Zeit
vertieft wird. Und da die künstlerische Wirkung groß, kräftig und einheitlich
ist, wird vielleicht auch der Trieb wieder lebendig werden, dem rätselhaft
schwankenden Wollen und Vollbringen dieser Fürsten, die nach unsern heutigen
Begriffen doch nur kleine Dynasten mit großen Herrschergelüsten sind, tiefer
nachzuspüren.

Zunächst ist aber die romantische Neigung in unserm Volke durch diese
Marmorbilder wieder erweckt worden, und das halten wir für einen hohen
Gewinn. Der deutsche Idealismus wurzelt nur in starken Seelen fest; aber
diese sind in der Minderzahl. Die vielen schwachen Seelen, die noch zum
Idealismus neigen, bedürfen von Zeit zu Zeit einer sichtbaren Erhebung, und
diese hat ihnen die Errichtung dieser Denkmäler gewährt. Man spricht heute
so viel von Volkskunst und man schlägt so viele Mittel zu ihrer Förderung
vor, daß es Thorheit wäre, auch nur eines dieser Mittel ernsthaft zu nehmen.
Das meiste hat man sich von der Plakatmalerei, von der "Monumental¬
malerei des armen Mannes" versprochen. Wie schnell ist diese Malerei von
Reklamen von dem "armen Manne" als ein trügerisches Lockmittel durchschaut
worden! Wie anders wirkt die monumentale Plastik! Der Berliner Tiergarten
ist der klassische Zeuge dafür seit mehr als fünfzig Jahren, und die Erfahrung
eines halben Jahrhunderts berechtigt uns zu der Hoffnung, daß auch die neuen
Standbilder zu dem sittlichen und künstlerischen Erziehungswerk der Hohen-
Adolf Rosenberg zollern mithelfen werden!




Die Denkmäler in der Siegesallee zu Berlin

lich im Lapidarstil, schreiben zu lassen. Es soll gewiß mit strengster Objek¬
tivität geschehen. Aber damit verträgt sich nicht das künstlerische Temperament,
das doch immer, auch wenn es noch so schwerfällig ist, nach einer Aufgabe
verlangt, an der es sich erheben, vielleicht auch begeistern kann. So sind
denn die drei ersten Markgrafenbilder sehr wahrscheinlich nicht geschichtlich
treu, aber künstlerisch hervorragend ausgefallen, und daß die künstlerische
Kraft unzweifelhaft den Sieg über die geschichtliche Bedeutung der drei Mark¬
grafen Otto I., Otto II. und Albrecht II. errungen hat, kann nur dazu bei¬
tragen, diese Fürsten unserm Geschlecht verständlich, mit der Zeit sogar
vielleicht auch angenehm zu machen. Die Bildhauer Max Unger, Joseph
Uphues und Johannes Böse haben wirkungsvolle, leibhaftige Persönlichkeiten
hingestellt, die durch sich selbst das Interesse des Beschauers wachrufen. Es
sind schöne, prächtige, in ihren Rüstungen fremdartig und phantastisch wirkende
Menschen — das ist der erste Eindruck, der noch durch die sie umgebenden
Halbfiguren von kriegerisch oder geistig hervorragenden Männern ihrer Zeit
vertieft wird. Und da die künstlerische Wirkung groß, kräftig und einheitlich
ist, wird vielleicht auch der Trieb wieder lebendig werden, dem rätselhaft
schwankenden Wollen und Vollbringen dieser Fürsten, die nach unsern heutigen
Begriffen doch nur kleine Dynasten mit großen Herrschergelüsten sind, tiefer
nachzuspüren.

Zunächst ist aber die romantische Neigung in unserm Volke durch diese
Marmorbilder wieder erweckt worden, und das halten wir für einen hohen
Gewinn. Der deutsche Idealismus wurzelt nur in starken Seelen fest; aber
diese sind in der Minderzahl. Die vielen schwachen Seelen, die noch zum
Idealismus neigen, bedürfen von Zeit zu Zeit einer sichtbaren Erhebung, und
diese hat ihnen die Errichtung dieser Denkmäler gewährt. Man spricht heute
so viel von Volkskunst und man schlägt so viele Mittel zu ihrer Förderung
vor, daß es Thorheit wäre, auch nur eines dieser Mittel ernsthaft zu nehmen.
Das meiste hat man sich von der Plakatmalerei, von der „Monumental¬
malerei des armen Mannes" versprochen. Wie schnell ist diese Malerei von
Reklamen von dem „armen Manne" als ein trügerisches Lockmittel durchschaut
worden! Wie anders wirkt die monumentale Plastik! Der Berliner Tiergarten
ist der klassische Zeuge dafür seit mehr als fünfzig Jahren, und die Erfahrung
eines halben Jahrhunderts berechtigt uns zu der Hoffnung, daß auch die neuen
Standbilder zu dem sittlichen und künstlerischen Erziehungswerk der Hohen-
Adolf Rosenberg zollern mithelfen werden!




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[0100] Die Denkmäler in der Siegesallee zu Berlin lich im Lapidarstil, schreiben zu lassen. Es soll gewiß mit strengster Objek¬ tivität geschehen. Aber damit verträgt sich nicht das künstlerische Temperament, das doch immer, auch wenn es noch so schwerfällig ist, nach einer Aufgabe verlangt, an der es sich erheben, vielleicht auch begeistern kann. So sind denn die drei ersten Markgrafenbilder sehr wahrscheinlich nicht geschichtlich treu, aber künstlerisch hervorragend ausgefallen, und daß die künstlerische Kraft unzweifelhaft den Sieg über die geschichtliche Bedeutung der drei Mark¬ grafen Otto I., Otto II. und Albrecht II. errungen hat, kann nur dazu bei¬ tragen, diese Fürsten unserm Geschlecht verständlich, mit der Zeit sogar vielleicht auch angenehm zu machen. Die Bildhauer Max Unger, Joseph Uphues und Johannes Böse haben wirkungsvolle, leibhaftige Persönlichkeiten hingestellt, die durch sich selbst das Interesse des Beschauers wachrufen. Es sind schöne, prächtige, in ihren Rüstungen fremdartig und phantastisch wirkende Menschen — das ist der erste Eindruck, der noch durch die sie umgebenden Halbfiguren von kriegerisch oder geistig hervorragenden Männern ihrer Zeit vertieft wird. Und da die künstlerische Wirkung groß, kräftig und einheitlich ist, wird vielleicht auch der Trieb wieder lebendig werden, dem rätselhaft schwankenden Wollen und Vollbringen dieser Fürsten, die nach unsern heutigen Begriffen doch nur kleine Dynasten mit großen Herrschergelüsten sind, tiefer nachzuspüren. Zunächst ist aber die romantische Neigung in unserm Volke durch diese Marmorbilder wieder erweckt worden, und das halten wir für einen hohen Gewinn. Der deutsche Idealismus wurzelt nur in starken Seelen fest; aber diese sind in der Minderzahl. Die vielen schwachen Seelen, die noch zum Idealismus neigen, bedürfen von Zeit zu Zeit einer sichtbaren Erhebung, und diese hat ihnen die Errichtung dieser Denkmäler gewährt. Man spricht heute so viel von Volkskunst und man schlägt so viele Mittel zu ihrer Förderung vor, daß es Thorheit wäre, auch nur eines dieser Mittel ernsthaft zu nehmen. Das meiste hat man sich von der Plakatmalerei, von der „Monumental¬ malerei des armen Mannes" versprochen. Wie schnell ist diese Malerei von Reklamen von dem „armen Manne" als ein trügerisches Lockmittel durchschaut worden! Wie anders wirkt die monumentale Plastik! Der Berliner Tiergarten ist der klassische Zeuge dafür seit mehr als fünfzig Jahren, und die Erfahrung eines halben Jahrhunderts berechtigt uns zu der Hoffnung, daß auch die neuen Standbilder zu dem sittlichen und künstlerischen Erziehungswerk der Hohen- Adolf Rosenberg zollern mithelfen werden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/100>, abgerufen am 27.12.2024.