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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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JordaneH erwähnten ist Ddoaker . als dritter getreten) getötet worden: Endlich
habe Dietrich mit Attilas Hilfe Ravenna erobert und Odoaker gefangen/ ge-
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Hier ihr die Verbindung der Ermenrich- und der Dietrichfcige in folgender
einfachen- Weise vollzogen: dem gewaltthätigen Ermenrich wird, zu seinen
übrigen Schandthaten auch noch die Vertreibung Dietrichs aufgebürdet; Odoaker
Ivird damit nicht verdrängt, denn Ermenrichs Tod ist ein feststehender Teil
der Sage und kann nicht der Rache Dietrichs zugeschrieben werden. Dietrichs
Gegner bei der Rückkehr bleibt also Odoaker wie bisher, er wird zum Nach-
folger Ermenrichs gemacht und deshalb seinen Mördern beigesellt; dnrch die
Ermordung gewinnt er den Thron. Auch scheint er die Stelle des bösen Rat¬
gebers eingenommen zu haben. ,

Noch eine wichtige Verschiebung ist durch die Verbindung der beiden
Sagen hervorgerufen worden: wie der heimkehrende Dietrich geschichtlich
richtig Ravenna erobert, so kann er auch mir hier ursprünglich seinen Sitz
gehabt haben. Die Sage läßt ihn aber aus Bern (Verona) vertrieben werden;
das ist die Folge davon, daß jetzt zwei Könige neben einander stehen, als"
eine. Reichsteiluug angenommen werden muß. Die alte Hauptstadt Ravenna
wird dein ältern Ermeurich zugeschrieben, Dietrich muß Platz machen; daß ihm
gerade Verona zugewiesen wird, ist vielleicht in den im zehnten Jahrhundert
giltigen Verhältnissen begründet. Seitdem heißt er der Vogt von Bern, und
Bern erlangt in. der Sage die größte Berühmtheit. . . . ...^

/ Vou dem Zustande, wie ihn der Quedlinburger Bericht darstellt, bis zur
Sagenform des dreizehnten Jahrhunderts sind die Grundzüge der Sage von
den Amelungen noch in ewigen Punkten, verschoben worden. Vor allem hat
sich Dietrichs. Zug nach Italien verdoppelt; das erstemal führt er zu dem
großen, aber erfolglosen Kampfe vor Ravenna, das zweitemal bringt er Dietrich
ohne wesentliche Schwierigkeit an sein Ziel. Man geht wohl nicht fehl, wenn
man in dieser Verdoppluug die Folge der Thätigkeit deutscher Spielleute des
zwölften Jahrhunderts -sieht; sie lieben es, denselben Faden, zweimal nach
einander, mit Variationen zu verspinnen, wie. wir z. B. deutlich an. dem Ge¬
dichte von. König Rother sehen können, dessen Held sich seine Geliebte zweimal
"ach einander, erst mit List, dann mit Gewalt gewinnen muß. Wenn die
Spielleute auch Dietrichs Heimkehr auf diese Weise verdoppelt haben, so. sind
sie dabei vielleicht mit durch deu Umstand beeinflußt worden,, daß die Er¬
zählung vom Untergänge der Burgunder in den Sagenkreis um Dietrich
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-Im dreizehnten Jahrhundert Pud aber- auch .einige.ursprünglich höchst
wichtige Punkte, .ja geradezu Ausgangspunkte der. Sage in Vergessenheit ge¬
raten,, die. ursprüiiglicheiiTodesart Ermenrichs und/die Persönlichkeit Odoakers.
Das eine war möglich, weil rum der Charakter Ermenrichs schon durch die Tötung


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JordaneH erwähnten ist Ddoaker . als dritter getreten) getötet worden: Endlich
habe Dietrich mit Attilas Hilfe Ravenna erobert und Odoaker gefangen/ ge-
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Hier ihr die Verbindung der Ermenrich- und der Dietrichfcige in folgender
einfachen- Weise vollzogen: dem gewaltthätigen Ermenrich wird, zu seinen
übrigen Schandthaten auch noch die Vertreibung Dietrichs aufgebürdet; Odoaker
Ivird damit nicht verdrängt, denn Ermenrichs Tod ist ein feststehender Teil
der Sage und kann nicht der Rache Dietrichs zugeschrieben werden. Dietrichs
Gegner bei der Rückkehr bleibt also Odoaker wie bisher, er wird zum Nach-
folger Ermenrichs gemacht und deshalb seinen Mördern beigesellt; dnrch die
Ermordung gewinnt er den Thron. Auch scheint er die Stelle des bösen Rat¬
gebers eingenommen zu haben. ,

Noch eine wichtige Verschiebung ist durch die Verbindung der beiden
Sagen hervorgerufen worden: wie der heimkehrende Dietrich geschichtlich
richtig Ravenna erobert, so kann er auch mir hier ursprünglich seinen Sitz
gehabt haben. Die Sage läßt ihn aber aus Bern (Verona) vertrieben werden;
das ist die Folge davon, daß jetzt zwei Könige neben einander stehen, als»
eine. Reichsteiluug angenommen werden muß. Die alte Hauptstadt Ravenna
wird dein ältern Ermeurich zugeschrieben, Dietrich muß Platz machen; daß ihm
gerade Verona zugewiesen wird, ist vielleicht in den im zehnten Jahrhundert
giltigen Verhältnissen begründet. Seitdem heißt er der Vogt von Bern, und
Bern erlangt in. der Sage die größte Berühmtheit. . . . ...^

/ Vou dem Zustande, wie ihn der Quedlinburger Bericht darstellt, bis zur
Sagenform des dreizehnten Jahrhunderts sind die Grundzüge der Sage von
den Amelungen noch in ewigen Punkten, verschoben worden. Vor allem hat
sich Dietrichs. Zug nach Italien verdoppelt; das erstemal führt er zu dem
großen, aber erfolglosen Kampfe vor Ravenna, das zweitemal bringt er Dietrich
ohne wesentliche Schwierigkeit an sein Ziel. Man geht wohl nicht fehl, wenn
man in dieser Verdoppluug die Folge der Thätigkeit deutscher Spielleute des
zwölften Jahrhunderts -sieht; sie lieben es, denselben Faden, zweimal nach
einander, mit Variationen zu verspinnen, wie. wir z. B. deutlich an. dem Ge¬
dichte von. König Rother sehen können, dessen Held sich seine Geliebte zweimal
»ach einander, erst mit List, dann mit Gewalt gewinnen muß. Wenn die
Spielleute auch Dietrichs Heimkehr auf diese Weise verdoppelt haben, so. sind
sie dabei vielleicht mit durch deu Umstand beeinflußt worden,, daß die Er¬
zählung vom Untergänge der Burgunder in den Sagenkreis um Dietrich
Mtratu^D/.:5 .-^

-Im dreizehnten Jahrhundert Pud aber- auch .einige.ursprünglich höchst
wichtige Punkte, .ja geradezu Ausgangspunkte der. Sage in Vergessenheit ge¬
raten,, die. ursprüiiglicheiiTodesart Ermenrichs und/die Persönlichkeit Odoakers.
Das eine war möglich, weil rum der Charakter Ermenrichs schon durch die Tötung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/95>, abgerufen am 07.01.2025.