Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aur Geschichte des Rheinbundes

lassen solle. Fünfhundert Unterschriften hatten die Mömpelgarder für die
Wiedervereinigung mit Württemberg geschickt. Aber alles vergebens. "Der
Fluch, das Unglück des Schwachen ist es eben, daß er nicht aufkommen kann
gegen die Fehler der Mächtigen," so hatte Friedrich schon im April ausgerufen.
Jetzt am 16. Oktober, nachdem ihm sein Gesandter Wintzingerode berichtet
hatte, daß alles zu Ende sei, schrieb der König: "So sind alle Anstrengungen
wieder umsonst gewesen, Süddeutschland so wenig gegen Frankreich geschützt,
als es bisher war. Und zum zweitenmal ist das Los von Mömpelgard ent¬
schieden zu meinem Nachteil. Die Sektirer vom Tugendbund sind eben auch
zu wenig meine Freunde; sie sind in Preußen oben und suchen mir zu schaden
nach außen und nach innen." In Sachen der künftigen deutschen Verfassung
war der König natürlich ebenso den preußischen Entwürfen entgegen, als er
in der Grenzfrage zu Preußen gehalten hatte. Preußische Vorherrschaft war
ihm so verhaßt als österreichische, und gegen den Tugendbund hatte er einen
außerordentlichen Abscheu. Nach der Schmalzschen Denunziation wünschte er
genauer über das gefährliche Treiben in Berlin unterrichtet zu sein, umso mehr
als man ihm hinterbracht hatte, daß die Tugendbündler, angeblich schon
130000 Mitglieder stark, auch nach Württemberg einzudringen versuchten.
Er schickte deshalb einen eignen Gesandten, den General neuster, nach Berlin,
der aber sofort die ganze Hohlheit der von einer aufgeblasenen Bureaukratie
ausgehenden Angeberei durchschaute und in seinen Berichten immer wieder die
gänzliche Ungefährlichreit des gefürchteten Bundes versicherte. "Giebt man
dem Volke die versprochn? Konstitution, so ist nichts zu befürchten." Dem
König aber mißfiel es gänzlich, daß sein Gesandter die schändliche Sekte auf
die leichte Achsel nahm, er gab ihm das in den ungnädigsten Ausdrücken zu
verstehen, warf ihm tadelnswerten Eigendünkel und Leichtsinn vor, rief ihn
kurzer Hand aus Berlin zurück und gab ihm eine andre Bestimmung. Zur
Entschuldigung des Königs dient allerdings, daß er in derselben Zeit durch
den württembergischen Legationssekretär in Berlin, v. Linden, Berichte erhalten
hatte, die ganz anders lauteten und die vom Tugendbund drohenden Gefahren
in den abenteuerlichsten Farben ausmalten. "Der Tugendbund -- schrieb
Linden am 16. Dezember 1815, -- ist nichts als der engere Ausschuß der
Jakobiner in Deutschland, welche wahrscheinlich mit denen in Frankreich in
der engsten Verbindung stehen." Solche Berichte gefielen dem König besser.
Vollen Glauben hat er ihnen doch wohl nicht geschenkt. Wenigstens ist nichts
davon bekannt, daß er gegen den Buchhändler Cotta und gegen den Grafen
Waldeck (den Führer der Altrechtlcr im Verfassnngstampf) eingeschritten wäre,
die ihm Linden als Häupter der württembergischen Tugendbündler bezeichnet
hatte. Was die wirklichen, freilich noch nicht klar formulirten Absichten des
Tugendbunds waren, und was die Gedanken der preußischen Negierung selbst
waren und sein mußten, das hatten nach den Abmachungen des zweiten Pariser


Aur Geschichte des Rheinbundes

lassen solle. Fünfhundert Unterschriften hatten die Mömpelgarder für die
Wiedervereinigung mit Württemberg geschickt. Aber alles vergebens. „Der
Fluch, das Unglück des Schwachen ist es eben, daß er nicht aufkommen kann
gegen die Fehler der Mächtigen," so hatte Friedrich schon im April ausgerufen.
Jetzt am 16. Oktober, nachdem ihm sein Gesandter Wintzingerode berichtet
hatte, daß alles zu Ende sei, schrieb der König: „So sind alle Anstrengungen
wieder umsonst gewesen, Süddeutschland so wenig gegen Frankreich geschützt,
als es bisher war. Und zum zweitenmal ist das Los von Mömpelgard ent¬
schieden zu meinem Nachteil. Die Sektirer vom Tugendbund sind eben auch
zu wenig meine Freunde; sie sind in Preußen oben und suchen mir zu schaden
nach außen und nach innen." In Sachen der künftigen deutschen Verfassung
war der König natürlich ebenso den preußischen Entwürfen entgegen, als er
in der Grenzfrage zu Preußen gehalten hatte. Preußische Vorherrschaft war
ihm so verhaßt als österreichische, und gegen den Tugendbund hatte er einen
außerordentlichen Abscheu. Nach der Schmalzschen Denunziation wünschte er
genauer über das gefährliche Treiben in Berlin unterrichtet zu sein, umso mehr
als man ihm hinterbracht hatte, daß die Tugendbündler, angeblich schon
130000 Mitglieder stark, auch nach Württemberg einzudringen versuchten.
Er schickte deshalb einen eignen Gesandten, den General neuster, nach Berlin,
der aber sofort die ganze Hohlheit der von einer aufgeblasenen Bureaukratie
ausgehenden Angeberei durchschaute und in seinen Berichten immer wieder die
gänzliche Ungefährlichreit des gefürchteten Bundes versicherte. „Giebt man
dem Volke die versprochn? Konstitution, so ist nichts zu befürchten." Dem
König aber mißfiel es gänzlich, daß sein Gesandter die schändliche Sekte auf
die leichte Achsel nahm, er gab ihm das in den ungnädigsten Ausdrücken zu
verstehen, warf ihm tadelnswerten Eigendünkel und Leichtsinn vor, rief ihn
kurzer Hand aus Berlin zurück und gab ihm eine andre Bestimmung. Zur
Entschuldigung des Königs dient allerdings, daß er in derselben Zeit durch
den württembergischen Legationssekretär in Berlin, v. Linden, Berichte erhalten
hatte, die ganz anders lauteten und die vom Tugendbund drohenden Gefahren
in den abenteuerlichsten Farben ausmalten. „Der Tugendbund — schrieb
Linden am 16. Dezember 1815, — ist nichts als der engere Ausschuß der
Jakobiner in Deutschland, welche wahrscheinlich mit denen in Frankreich in
der engsten Verbindung stehen." Solche Berichte gefielen dem König besser.
Vollen Glauben hat er ihnen doch wohl nicht geschenkt. Wenigstens ist nichts
davon bekannt, daß er gegen den Buchhändler Cotta und gegen den Grafen
Waldeck (den Führer der Altrechtlcr im Verfassnngstampf) eingeschritten wäre,
die ihm Linden als Häupter der württembergischen Tugendbündler bezeichnet
hatte. Was die wirklichen, freilich noch nicht klar formulirten Absichten des
Tugendbunds waren, und was die Gedanken der preußischen Negierung selbst
waren und sein mußten, das hatten nach den Abmachungen des zweiten Pariser


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226990"/>
          <fw type="header" place="top"> Aur Geschichte des Rheinbundes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_254" prev="#ID_253" next="#ID_255"> lassen solle. Fünfhundert Unterschriften hatten die Mömpelgarder für die<lb/>
Wiedervereinigung mit Württemberg geschickt. Aber alles vergebens. &#x201E;Der<lb/>
Fluch, das Unglück des Schwachen ist es eben, daß er nicht aufkommen kann<lb/>
gegen die Fehler der Mächtigen," so hatte Friedrich schon im April ausgerufen.<lb/>
Jetzt am 16. Oktober, nachdem ihm sein Gesandter Wintzingerode berichtet<lb/>
hatte, daß alles zu Ende sei, schrieb der König: &#x201E;So sind alle Anstrengungen<lb/>
wieder umsonst gewesen, Süddeutschland so wenig gegen Frankreich geschützt,<lb/>
als es bisher war. Und zum zweitenmal ist das Los von Mömpelgard ent¬<lb/>
schieden zu meinem Nachteil. Die Sektirer vom Tugendbund sind eben auch<lb/>
zu wenig meine Freunde; sie sind in Preußen oben und suchen mir zu schaden<lb/>
nach außen und nach innen." In Sachen der künftigen deutschen Verfassung<lb/>
war der König natürlich ebenso den preußischen Entwürfen entgegen, als er<lb/>
in der Grenzfrage zu Preußen gehalten hatte. Preußische Vorherrschaft war<lb/>
ihm so verhaßt als österreichische, und gegen den Tugendbund hatte er einen<lb/>
außerordentlichen Abscheu. Nach der Schmalzschen Denunziation wünschte er<lb/>
genauer über das gefährliche Treiben in Berlin unterrichtet zu sein, umso mehr<lb/>
als man ihm hinterbracht hatte, daß die Tugendbündler, angeblich schon<lb/>
130000 Mitglieder stark, auch nach Württemberg einzudringen versuchten.<lb/>
Er schickte deshalb einen eignen Gesandten, den General neuster, nach Berlin,<lb/>
der aber sofort die ganze Hohlheit der von einer aufgeblasenen Bureaukratie<lb/>
ausgehenden Angeberei durchschaute und in seinen Berichten immer wieder die<lb/>
gänzliche Ungefährlichreit des gefürchteten Bundes versicherte. &#x201E;Giebt man<lb/>
dem Volke die versprochn? Konstitution, so ist nichts zu befürchten." Dem<lb/>
König aber mißfiel es gänzlich, daß sein Gesandter die schändliche Sekte auf<lb/>
die leichte Achsel nahm, er gab ihm das in den ungnädigsten Ausdrücken zu<lb/>
verstehen, warf ihm tadelnswerten Eigendünkel und Leichtsinn vor, rief ihn<lb/>
kurzer Hand aus Berlin zurück und gab ihm eine andre Bestimmung. Zur<lb/>
Entschuldigung des Königs dient allerdings, daß er in derselben Zeit durch<lb/>
den württembergischen Legationssekretär in Berlin, v. Linden, Berichte erhalten<lb/>
hatte, die ganz anders lauteten und die vom Tugendbund drohenden Gefahren<lb/>
in den abenteuerlichsten Farben ausmalten. &#x201E;Der Tugendbund &#x2014; schrieb<lb/>
Linden am 16. Dezember 1815, &#x2014; ist nichts als der engere Ausschuß der<lb/>
Jakobiner in Deutschland, welche wahrscheinlich mit denen in Frankreich in<lb/>
der engsten Verbindung stehen." Solche Berichte gefielen dem König besser.<lb/>
Vollen Glauben hat er ihnen doch wohl nicht geschenkt. Wenigstens ist nichts<lb/>
davon bekannt, daß er gegen den Buchhändler Cotta und gegen den Grafen<lb/>
Waldeck (den Führer der Altrechtlcr im Verfassnngstampf) eingeschritten wäre,<lb/>
die ihm Linden als Häupter der württembergischen Tugendbündler bezeichnet<lb/>
hatte. Was die wirklichen, freilich noch nicht klar formulirten Absichten des<lb/>
Tugendbunds waren, und was die Gedanken der preußischen Negierung selbst<lb/>
waren und sein mußten, das hatten nach den Abmachungen des zweiten Pariser</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] Aur Geschichte des Rheinbundes lassen solle. Fünfhundert Unterschriften hatten die Mömpelgarder für die Wiedervereinigung mit Württemberg geschickt. Aber alles vergebens. „Der Fluch, das Unglück des Schwachen ist es eben, daß er nicht aufkommen kann gegen die Fehler der Mächtigen," so hatte Friedrich schon im April ausgerufen. Jetzt am 16. Oktober, nachdem ihm sein Gesandter Wintzingerode berichtet hatte, daß alles zu Ende sei, schrieb der König: „So sind alle Anstrengungen wieder umsonst gewesen, Süddeutschland so wenig gegen Frankreich geschützt, als es bisher war. Und zum zweitenmal ist das Los von Mömpelgard ent¬ schieden zu meinem Nachteil. Die Sektirer vom Tugendbund sind eben auch zu wenig meine Freunde; sie sind in Preußen oben und suchen mir zu schaden nach außen und nach innen." In Sachen der künftigen deutschen Verfassung war der König natürlich ebenso den preußischen Entwürfen entgegen, als er in der Grenzfrage zu Preußen gehalten hatte. Preußische Vorherrschaft war ihm so verhaßt als österreichische, und gegen den Tugendbund hatte er einen außerordentlichen Abscheu. Nach der Schmalzschen Denunziation wünschte er genauer über das gefährliche Treiben in Berlin unterrichtet zu sein, umso mehr als man ihm hinterbracht hatte, daß die Tugendbündler, angeblich schon 130000 Mitglieder stark, auch nach Württemberg einzudringen versuchten. Er schickte deshalb einen eignen Gesandten, den General neuster, nach Berlin, der aber sofort die ganze Hohlheit der von einer aufgeblasenen Bureaukratie ausgehenden Angeberei durchschaute und in seinen Berichten immer wieder die gänzliche Ungefährlichreit des gefürchteten Bundes versicherte. „Giebt man dem Volke die versprochn? Konstitution, so ist nichts zu befürchten." Dem König aber mißfiel es gänzlich, daß sein Gesandter die schändliche Sekte auf die leichte Achsel nahm, er gab ihm das in den ungnädigsten Ausdrücken zu verstehen, warf ihm tadelnswerten Eigendünkel und Leichtsinn vor, rief ihn kurzer Hand aus Berlin zurück und gab ihm eine andre Bestimmung. Zur Entschuldigung des Königs dient allerdings, daß er in derselben Zeit durch den württembergischen Legationssekretär in Berlin, v. Linden, Berichte erhalten hatte, die ganz anders lauteten und die vom Tugendbund drohenden Gefahren in den abenteuerlichsten Farben ausmalten. „Der Tugendbund — schrieb Linden am 16. Dezember 1815, — ist nichts als der engere Ausschuß der Jakobiner in Deutschland, welche wahrscheinlich mit denen in Frankreich in der engsten Verbindung stehen." Solche Berichte gefielen dem König besser. Vollen Glauben hat er ihnen doch wohl nicht geschenkt. Wenigstens ist nichts davon bekannt, daß er gegen den Buchhändler Cotta und gegen den Grafen Waldeck (den Führer der Altrechtlcr im Verfassnngstampf) eingeschritten wäre, die ihm Linden als Häupter der württembergischen Tugendbündler bezeichnet hatte. Was die wirklichen, freilich noch nicht klar formulirten Absichten des Tugendbunds waren, und was die Gedanken der preußischen Negierung selbst waren und sein mußten, das hatten nach den Abmachungen des zweiten Pariser

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/88
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/88>, abgerufen am 07.01.2025.