Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Hundert Jahre Allgemeine Zeitung bald der Irrtum erkannt, und wie schwer es wurde, sich des teuern Mannes Auch Heines Mitarbeit an der A. Z. erlosch, als die provisorische Regie¬ Ein mehr als bedenklicher Mensch, der sich gern an Heines Rockschöße Viel wäre noch aus den Blättern des Heyckschen Buches an kultur¬ Hundert Jahre Allgemeine Zeitung bald der Irrtum erkannt, und wie schwer es wurde, sich des teuern Mannes Auch Heines Mitarbeit an der A. Z. erlosch, als die provisorische Regie¬ Ein mehr als bedenklicher Mensch, der sich gern an Heines Rockschöße Viel wäre noch aus den Blättern des Heyckschen Buches an kultur¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0700" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227602"/> <fw type="header" place="top"> Hundert Jahre Allgemeine Zeitung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2472" prev="#ID_2471"> bald der Irrtum erkannt, und wie schwer es wurde, sich des teuern Mannes<lb/> zu entledigen, das hat Ernst Kosscik einmal in seiner lustig boshaften Art be¬<lb/> schrieben. Nun aber glaubte wieder die Wiener Staatskanzlei, sich den in<lb/> Berlin nicht gewürdigten Schriftsteller nicht entgehen lassen zu dürfen. Januar<lb/> 1852 schon empfiehlt ihn Zedlitz im Auftrage des Fürsten Schwarzenberg der<lb/> A. Z. als sehr gewandte Feder und weil er dem Budget der Zeitung nicht<lb/> zur Last falle! In Wien hat er sich unter den verschiedensten Systemen,<lb/> irren wir nicht bis zu seinem Tode, behauptet. Heine überschüttete ihn mit<lb/> Hohn, allerdings vorzugsweis, weil der verwendbare Weil von Guizot ein<lb/> Jahrgehalt von 18000 Franks bezogen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2473"> Auch Heines Mitarbeit an der A. Z. erlosch, als die provisorische Regie¬<lb/> rung 1848 alle Kostgänger Guizots nebst den Summen ihrer Bezüge ver¬<lb/> öffentlichte, was in seinen Augen eine große Unanständigkeit war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2474"> Ein mehr als bedenklicher Mensch, der sich gern an Heines Rockschöße<lb/> hängte, M. G. Saphir, fehlt in dieser Galerie nicht. Er gab sich 1829 in<lb/> Augsburg für von Hormayr berufen aus, um die Oberleitung des gesamten<lb/> Preßwesens in Bayern zu übernehmen, doch erkannte der Redakteur Stegmann<lb/> in allem „Windbeutelei." Heyck bemerkt von diesem sogenannten Humoristen<lb/> ohne eine Ader von Humor, er habe in Berlin einen wie nirgends fruchtbaren,<lb/> sortzeugenden Nährboden sür seine spezifische Art von Witzeleien gefunden.<lb/> Das ist wohl ein wenig zu viel gesagt. In allen großen deutschen Städten<lb/> (zu denen Wien ja noch gezählt werden darf) hat er die schädlichste Saat aus¬<lb/> gestreut, allein Berlin, München, Wien haben einander in dem Punkte wenig<lb/> vorzuwerfen. Mit Staunen liest man in Holteis Erinnerungen, daß sogar<lb/> ein Hegel den frechen Witzling beachtenswert gefunden habe. In München<lb/> mußte er vor dem Bilde des Königs Abbitte leisten, wurde aber nachträglich<lb/> zum Theaterintendanzrat ernannt. Von beiden Orten fuhr er ohne Wohlgeruch<lb/> ab. Doch in Wien bedürfte es einer förmlichen Erhebung und Abstrafung<lb/> durch die jüngere Schriftstellerwelt, um endlich seinem sehr weit und hoch<lb/> reichenden Einfluß Schranken zu setzen. Gern möchte man sagen, daß in unsrer<lb/> Zeit eine solche Erscheinung unmöglich sein würde, allein es tauchen immer<lb/> wieder gelehrige Schüler von ihm auf, auch Erben seiner eisernen Stirn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2475"> Viel wäre noch aus den Blättern des Heyckschen Buches an kultur¬<lb/> geschichtlichem Stoffe auszuhebern über den Einfluß der geographischen Lage,<lb/> der Postenläufe, der Versendungsarten, der Zensur usw. auf das Zeitungswesen<lb/> der Vergangenheit. Aber wir wollen das Lesen des Werkes nicht unnötig zu<lb/> machen versuchen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0700]
Hundert Jahre Allgemeine Zeitung
bald der Irrtum erkannt, und wie schwer es wurde, sich des teuern Mannes
zu entledigen, das hat Ernst Kosscik einmal in seiner lustig boshaften Art be¬
schrieben. Nun aber glaubte wieder die Wiener Staatskanzlei, sich den in
Berlin nicht gewürdigten Schriftsteller nicht entgehen lassen zu dürfen. Januar
1852 schon empfiehlt ihn Zedlitz im Auftrage des Fürsten Schwarzenberg der
A. Z. als sehr gewandte Feder und weil er dem Budget der Zeitung nicht
zur Last falle! In Wien hat er sich unter den verschiedensten Systemen,
irren wir nicht bis zu seinem Tode, behauptet. Heine überschüttete ihn mit
Hohn, allerdings vorzugsweis, weil der verwendbare Weil von Guizot ein
Jahrgehalt von 18000 Franks bezogen hatte.
Auch Heines Mitarbeit an der A. Z. erlosch, als die provisorische Regie¬
rung 1848 alle Kostgänger Guizots nebst den Summen ihrer Bezüge ver¬
öffentlichte, was in seinen Augen eine große Unanständigkeit war.
Ein mehr als bedenklicher Mensch, der sich gern an Heines Rockschöße
hängte, M. G. Saphir, fehlt in dieser Galerie nicht. Er gab sich 1829 in
Augsburg für von Hormayr berufen aus, um die Oberleitung des gesamten
Preßwesens in Bayern zu übernehmen, doch erkannte der Redakteur Stegmann
in allem „Windbeutelei." Heyck bemerkt von diesem sogenannten Humoristen
ohne eine Ader von Humor, er habe in Berlin einen wie nirgends fruchtbaren,
sortzeugenden Nährboden sür seine spezifische Art von Witzeleien gefunden.
Das ist wohl ein wenig zu viel gesagt. In allen großen deutschen Städten
(zu denen Wien ja noch gezählt werden darf) hat er die schädlichste Saat aus¬
gestreut, allein Berlin, München, Wien haben einander in dem Punkte wenig
vorzuwerfen. Mit Staunen liest man in Holteis Erinnerungen, daß sogar
ein Hegel den frechen Witzling beachtenswert gefunden habe. In München
mußte er vor dem Bilde des Königs Abbitte leisten, wurde aber nachträglich
zum Theaterintendanzrat ernannt. Von beiden Orten fuhr er ohne Wohlgeruch
ab. Doch in Wien bedürfte es einer förmlichen Erhebung und Abstrafung
durch die jüngere Schriftstellerwelt, um endlich seinem sehr weit und hoch
reichenden Einfluß Schranken zu setzen. Gern möchte man sagen, daß in unsrer
Zeit eine solche Erscheinung unmöglich sein würde, allein es tauchen immer
wieder gelehrige Schüler von ihm auf, auch Erben seiner eisernen Stirn.
Viel wäre noch aus den Blättern des Heyckschen Buches an kultur¬
geschichtlichem Stoffe auszuhebern über den Einfluß der geographischen Lage,
der Postenläufe, der Versendungsarten, der Zensur usw. auf das Zeitungswesen
der Vergangenheit. Aber wir wollen das Lesen des Werkes nicht unnötig zu
machen versuchen.
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