Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Welchen Gegensatz zu diesem Verhalten der Schleswig-Holsteiner unter Ich glaube an dem Beispiel der Schleswig-holsteinischen Bewegung gezeigt Grenzboten I 1398 87
Welchen Gegensatz zu diesem Verhalten der Schleswig-Holsteiner unter Ich glaube an dem Beispiel der Schleswig-holsteinischen Bewegung gezeigt Grenzboten I 1398 87
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0693" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227595"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2456"> Welchen Gegensatz zu diesem Verhalten der Schleswig-Holsteiner unter<lb/> der Dänenherrschaft bildeten ihre schwärmerischen Huldigungen für den Herzog<lb/> Friedrich. Sie sind deshalb verspottet worden, aber damals herrschte eben in<lb/> Schleswig-Holstein eine Festtagsstimmung. Und obgleich der Herzog Friedrich<lb/> eine vertrauenerweckende Persönlichkeit war, so galten doch die Huldigungen<lb/> nicht seiner Person allein, sondern zugleich der Nationalitätsidee, deren Trüger<lb/> er war. Es machte den Schleswig-Holsteinern auch keine Sorge, daß die<lb/> Rechtsansprüche des Herzogs nach der Verzichtleistung seines Vaters anfechtbar<lb/> waren. Er war der Mann, dessen man bedürfte; sein Eintreten für das Recht<lb/> der Schleswig-Holsteiner gab ihren Bestrebungen einen starken moralischen<lb/> Rückhalt. Die Schleswig-Holsteiner haben dann später ihre Anhänglichkeit auf<lb/> das Haus der Hohenzollern übertragen, nicht weil sie den preußischen Kron¬<lb/> juristen glaubten, sondern weil sie zu der Einsicht kamen, daß die Zugehörig¬<lb/> keit zu einem Großstaat der staatlichen Selbständigkeit eines kleinen Ländchens<lb/> vorzuziehen sei, und weil die geschichtlichen Ereignisse, sowie auch besonders<lb/> der Anteil des preußischen Fürstenhauses daran auf die öffentliche Meinung<lb/> in Schleswig-Holstein und in Deutschland mächtig einwirkten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2457"> Ich glaube an dem Beispiel der Schleswig-holsteinischen Bewegung gezeigt<lb/> zu haben, daß die Stärke des monarchischen Gefühls immer davon abhängt, wie<lb/> die Monarchie den wichtigsten Bestrebungen eines Volkes gegenübersteht. Ein<lb/> großer mächtiger Staat mag kleine Bruchteile einer fremden Nationalität ohne<lb/> schwere Gefahr für seine Existenz festhalten können. Sind aber zwei oder<lb/> mehrere Nationalitüten von annähernd gleicher Volkszahl mit einander in einem<lb/> Staatsverband vereinigt, so ist die Existenz des Staats nur so lange gesichert,<lb/> als sich die nationale Eifersucht zwischen ihnen nicht regt. Ist der Kampf um<lb/> die Rechte der Nationalitäten erst in solcher Schürfe entbrannt, wie zur Zeit in<lb/> Österreich, so kann auch die Klammer des monarchischen Gefühls dies Völker-<lb/> gemisch nicht auf die Dauer zusammenhalten. In Deutschland haben die Haus-<lb/> machtintereffen der kleinen Fürstenhäuser die Schwäche des alten deutschen<lb/> Reichs verschuldet. Das Emporwachsen und Erstarken Preußens schuf erst<lb/> die Bedingung für die Herstellung eines neuen starken Reichs, weil damit<lb/> das Zusammenfallen des Interesses eines einzigen Fürstenhauses mit dem<lb/> Interesse des deutschen Volks an der Einigung aller Stämme gegeben war.<lb/> Die deutsche Einheitsbewegung mußte die Sonderinteressen, die sich ihr in den<lb/> Weg stellten, bekämpfen, wenn auch zuzugeben ist, daß neben der Selbstsucht<lb/> viel ehrliche deutsche Treue bei den Anhängern des Alten zu finden war.<lb/> Für ein befriedigendes Verhältnis zwischen Monarchie und Volk ist Gemein¬<lb/> samkeit der Empfindungen, Anschauungen, Bestrebungen eine wesentliche Be¬<lb/> dingung. Sehr viel hängt natürlich auch von den persönlichen Fähigkeiten der<lb/> Herrscher und ihrer Ratgeber ab. Dies beweist der Verlauf der schleswig¬<lb/> holsteinischen Bewegung wie der deutschen Einheitsbewegung.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1398 87</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0693]
Welchen Gegensatz zu diesem Verhalten der Schleswig-Holsteiner unter
der Dänenherrschaft bildeten ihre schwärmerischen Huldigungen für den Herzog
Friedrich. Sie sind deshalb verspottet worden, aber damals herrschte eben in
Schleswig-Holstein eine Festtagsstimmung. Und obgleich der Herzog Friedrich
eine vertrauenerweckende Persönlichkeit war, so galten doch die Huldigungen
nicht seiner Person allein, sondern zugleich der Nationalitätsidee, deren Trüger
er war. Es machte den Schleswig-Holsteinern auch keine Sorge, daß die
Rechtsansprüche des Herzogs nach der Verzichtleistung seines Vaters anfechtbar
waren. Er war der Mann, dessen man bedürfte; sein Eintreten für das Recht
der Schleswig-Holsteiner gab ihren Bestrebungen einen starken moralischen
Rückhalt. Die Schleswig-Holsteiner haben dann später ihre Anhänglichkeit auf
das Haus der Hohenzollern übertragen, nicht weil sie den preußischen Kron¬
juristen glaubten, sondern weil sie zu der Einsicht kamen, daß die Zugehörig¬
keit zu einem Großstaat der staatlichen Selbständigkeit eines kleinen Ländchens
vorzuziehen sei, und weil die geschichtlichen Ereignisse, sowie auch besonders
der Anteil des preußischen Fürstenhauses daran auf die öffentliche Meinung
in Schleswig-Holstein und in Deutschland mächtig einwirkten.
Ich glaube an dem Beispiel der Schleswig-holsteinischen Bewegung gezeigt
zu haben, daß die Stärke des monarchischen Gefühls immer davon abhängt, wie
die Monarchie den wichtigsten Bestrebungen eines Volkes gegenübersteht. Ein
großer mächtiger Staat mag kleine Bruchteile einer fremden Nationalität ohne
schwere Gefahr für seine Existenz festhalten können. Sind aber zwei oder
mehrere Nationalitüten von annähernd gleicher Volkszahl mit einander in einem
Staatsverband vereinigt, so ist die Existenz des Staats nur so lange gesichert,
als sich die nationale Eifersucht zwischen ihnen nicht regt. Ist der Kampf um
die Rechte der Nationalitäten erst in solcher Schürfe entbrannt, wie zur Zeit in
Österreich, so kann auch die Klammer des monarchischen Gefühls dies Völker-
gemisch nicht auf die Dauer zusammenhalten. In Deutschland haben die Haus-
machtintereffen der kleinen Fürstenhäuser die Schwäche des alten deutschen
Reichs verschuldet. Das Emporwachsen und Erstarken Preußens schuf erst
die Bedingung für die Herstellung eines neuen starken Reichs, weil damit
das Zusammenfallen des Interesses eines einzigen Fürstenhauses mit dem
Interesse des deutschen Volks an der Einigung aller Stämme gegeben war.
Die deutsche Einheitsbewegung mußte die Sonderinteressen, die sich ihr in den
Weg stellten, bekämpfen, wenn auch zuzugeben ist, daß neben der Selbstsucht
viel ehrliche deutsche Treue bei den Anhängern des Alten zu finden war.
Für ein befriedigendes Verhältnis zwischen Monarchie und Volk ist Gemein¬
samkeit der Empfindungen, Anschauungen, Bestrebungen eine wesentliche Be¬
dingung. Sehr viel hängt natürlich auch von den persönlichen Fähigkeiten der
Herrscher und ihrer Ratgeber ab. Dies beweist der Verlauf der schleswig¬
holsteinischen Bewegung wie der deutschen Einheitsbewegung.
Grenzboten I 1398 87
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