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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht

ausschlicht, so ist doch das Klima derartig, daß die Lebensgeführlichkeit dort
nicht größer ist als in andern gesunden Kolonien. Ein dem Klima angemessener
Arbeitszwang würde sich auch dort schon sür die Sträflinge finden lassen, und
im übrigen weist Graf Pfeil darauf hin, daß sich in den hoher gelegnen Berg¬
gegenden dieser allerdings noch wenig erforschten Insel anch große Strecken
finden müßten, bei denen Bodenbebauung und ähnliche schwere Arbeiten durch
Europäer möglich sein würden. Leider muß aber auch ein Versuch in dieser
Richtung so lauge ausgesetzt bleiben, als es der Reichsregierung nicht gelingt,
sich durch ein Abkommen mit England von der Beschränkung frei zu machen,
die ihr der Staatsvertrag vom 6. April 1836 in der gegenseitigen Zusicherung
der Nichtanleguug von Strafkolonien in diesem Teile der australischen Insel¬
gruppen auferlegt. Der Umstand, daß England es schon vor zwölf Jahren für
wünschenswert hielt, das Deutsche Reich nach dieser Seite hin zu beschränken,
zeigt jedenfalls, daß es damals weiter hinausgedacht hat, als die deutsche
Gründlichkeit glauben mochte, je kommen zu können. Sei es nun aber diese
Insel oder ein andres von freien Ansiedlern nicht ausgesuchtes Gebiet, das
man zur Deportation bestimmen würde, so würde diese unter allen Umstünden
als eine wirkliche und geeignete Strafe für die "Unverbesserlichen" augesehen
werden können. Sache eines besondern Gesetzes würde es dann sein, die Be¬
dingungen und Umstände genau festzustellen, unter denen auf die Unverbesser¬
lichkeit zu schließen ist, und weshalb die lebenslängliche oder zeitweilige Fort¬
schaffung ans dem Gebiete des Deutschen Reiches zur Sicherung seiner Be¬
wohner vor Gewohnheitsverbrechern als gerechtfertigt erscheinen muß. Eine
solche Kolonie würde freilich unmittelbar mit den eigentlichen Kolonisations-
bestrebungcu Deutschlands in keinen: Zusammenhange stehen; aber sie würde
seiner Strafrechtspflege und damit seiner innern Sicherheit in hohem Maße zu
gute kommen und daher die bedeutenden Summen, die diese Einrichtung
unzweifelhaft erfordern würde, auch als nützlich angewendet erscheinen lassen.
Und der mittelbare Vorteil, den durch eine solche reine Strafkolonie die
Machtwirkung des Deutschen Reiches nach außereuropäischen Ländern hin er¬
fahren würde, dürfte sich schon für die Gegenwart bald genug herausstellen;
für die Zukunft aber und bei etwaigen Veränderungen, die spätere Zeiten im
Kolonialbesitz enrvpüischer Länder bringen könnten, würde sich auch eine solche
Kolonie, besonders wenn sie unter erträglichen klimatischen Verhältnissen an¬
gelegt wäre, als ein wichtiger Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung er¬
weisen können.




Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht

ausschlicht, so ist doch das Klima derartig, daß die Lebensgeführlichkeit dort
nicht größer ist als in andern gesunden Kolonien. Ein dem Klima angemessener
Arbeitszwang würde sich auch dort schon sür die Sträflinge finden lassen, und
im übrigen weist Graf Pfeil darauf hin, daß sich in den hoher gelegnen Berg¬
gegenden dieser allerdings noch wenig erforschten Insel anch große Strecken
finden müßten, bei denen Bodenbebauung und ähnliche schwere Arbeiten durch
Europäer möglich sein würden. Leider muß aber auch ein Versuch in dieser
Richtung so lauge ausgesetzt bleiben, als es der Reichsregierung nicht gelingt,
sich durch ein Abkommen mit England von der Beschränkung frei zu machen,
die ihr der Staatsvertrag vom 6. April 1836 in der gegenseitigen Zusicherung
der Nichtanleguug von Strafkolonien in diesem Teile der australischen Insel¬
gruppen auferlegt. Der Umstand, daß England es schon vor zwölf Jahren für
wünschenswert hielt, das Deutsche Reich nach dieser Seite hin zu beschränken,
zeigt jedenfalls, daß es damals weiter hinausgedacht hat, als die deutsche
Gründlichkeit glauben mochte, je kommen zu können. Sei es nun aber diese
Insel oder ein andres von freien Ansiedlern nicht ausgesuchtes Gebiet, das
man zur Deportation bestimmen würde, so würde diese unter allen Umstünden
als eine wirkliche und geeignete Strafe für die „Unverbesserlichen" augesehen
werden können. Sache eines besondern Gesetzes würde es dann sein, die Be¬
dingungen und Umstände genau festzustellen, unter denen auf die Unverbesser¬
lichkeit zu schließen ist, und weshalb die lebenslängliche oder zeitweilige Fort¬
schaffung ans dem Gebiete des Deutschen Reiches zur Sicherung seiner Be¬
wohner vor Gewohnheitsverbrechern als gerechtfertigt erscheinen muß. Eine
solche Kolonie würde freilich unmittelbar mit den eigentlichen Kolonisations-
bestrebungcu Deutschlands in keinen: Zusammenhange stehen; aber sie würde
seiner Strafrechtspflege und damit seiner innern Sicherheit in hohem Maße zu
gute kommen und daher die bedeutenden Summen, die diese Einrichtung
unzweifelhaft erfordern würde, auch als nützlich angewendet erscheinen lassen.
Und der mittelbare Vorteil, den durch eine solche reine Strafkolonie die
Machtwirkung des Deutschen Reiches nach außereuropäischen Ländern hin er¬
fahren würde, dürfte sich schon für die Gegenwart bald genug herausstellen;
für die Zukunft aber und bei etwaigen Veränderungen, die spätere Zeiten im
Kolonialbesitz enrvpüischer Länder bringen könnten, würde sich auch eine solche
Kolonie, besonders wenn sie unter erträglichen klimatischen Verhältnissen an¬
gelegt wäre, als ein wichtiger Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung er¬
weisen können.




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[0687] Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht ausschlicht, so ist doch das Klima derartig, daß die Lebensgeführlichkeit dort nicht größer ist als in andern gesunden Kolonien. Ein dem Klima angemessener Arbeitszwang würde sich auch dort schon sür die Sträflinge finden lassen, und im übrigen weist Graf Pfeil darauf hin, daß sich in den hoher gelegnen Berg¬ gegenden dieser allerdings noch wenig erforschten Insel anch große Strecken finden müßten, bei denen Bodenbebauung und ähnliche schwere Arbeiten durch Europäer möglich sein würden. Leider muß aber auch ein Versuch in dieser Richtung so lauge ausgesetzt bleiben, als es der Reichsregierung nicht gelingt, sich durch ein Abkommen mit England von der Beschränkung frei zu machen, die ihr der Staatsvertrag vom 6. April 1836 in der gegenseitigen Zusicherung der Nichtanleguug von Strafkolonien in diesem Teile der australischen Insel¬ gruppen auferlegt. Der Umstand, daß England es schon vor zwölf Jahren für wünschenswert hielt, das Deutsche Reich nach dieser Seite hin zu beschränken, zeigt jedenfalls, daß es damals weiter hinausgedacht hat, als die deutsche Gründlichkeit glauben mochte, je kommen zu können. Sei es nun aber diese Insel oder ein andres von freien Ansiedlern nicht ausgesuchtes Gebiet, das man zur Deportation bestimmen würde, so würde diese unter allen Umstünden als eine wirkliche und geeignete Strafe für die „Unverbesserlichen" augesehen werden können. Sache eines besondern Gesetzes würde es dann sein, die Be¬ dingungen und Umstände genau festzustellen, unter denen auf die Unverbesser¬ lichkeit zu schließen ist, und weshalb die lebenslängliche oder zeitweilige Fort¬ schaffung ans dem Gebiete des Deutschen Reiches zur Sicherung seiner Be¬ wohner vor Gewohnheitsverbrechern als gerechtfertigt erscheinen muß. Eine solche Kolonie würde freilich unmittelbar mit den eigentlichen Kolonisations- bestrebungcu Deutschlands in keinen: Zusammenhange stehen; aber sie würde seiner Strafrechtspflege und damit seiner innern Sicherheit in hohem Maße zu gute kommen und daher die bedeutenden Summen, die diese Einrichtung unzweifelhaft erfordern würde, auch als nützlich angewendet erscheinen lassen. Und der mittelbare Vorteil, den durch eine solche reine Strafkolonie die Machtwirkung des Deutschen Reiches nach außereuropäischen Ländern hin er¬ fahren würde, dürfte sich schon für die Gegenwart bald genug herausstellen; für die Zukunft aber und bei etwaigen Veränderungen, die spätere Zeiten im Kolonialbesitz enrvpüischer Länder bringen könnten, würde sich auch eine solche Kolonie, besonders wenn sie unter erträglichen klimatischen Verhältnissen an¬ gelegt wäre, als ein wichtiger Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung er¬ weisen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/687>, abgerufen am 07.01.2025.