Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht schaffen werden soll. Sicherlich könnte man sie so gestalten, daß sie eine andre Wenn so die Engländer aus den praktischen Erfahrungen der Transpor¬ Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht schaffen werden soll. Sicherlich könnte man sie so gestalten, daß sie eine andre Wenn so die Engländer aus den praktischen Erfahrungen der Transpor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0684" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227586"/> <fw type="header" place="top"> Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht</fw><lb/> <p xml:id="ID_2432" prev="#ID_2431"> schaffen werden soll. Sicherlich könnte man sie so gestalten, daß sie eine andre<lb/> Strafart darstellte, und Professor Brück scheint auch auf dem Wege zu dieser<lb/> Ansicht zu sein. Man braucht nur den kolonialpolitischen Zweck mit zu berück¬<lb/> sichtigen und der Frage näher zu treten, die Verbrecher nach verbüßter Straf¬<lb/> zeit, mag diese voll ausgehalten oder auf Grund guten Betragens usw. ab¬<lb/> gekürzt sein, als freie Menschen anzusiedeln. Das ist das englische System<lb/> der tiolcst-0k-l6g.vo'8-insrl, von dem Du Cane a. a. O. mit Recht bemerkt, daß<lb/> eine sofortige Urteilsvollstreckung auf Deportation mit diesem System im<lb/> Hintergrunde mehr einer Belohnung als einer Strafe ähnlich sehe. Da die<lb/> freigelassenen Verbrecher oft mit staatlicher Unterstützung von vornherein in<lb/> eine viel günstigere Lage kamen, als der freiwillig ins Land gekommne Farmer,<lb/> so ist in allen englischen Kolonien gegen die Verbrecheransiedlungen und vor<lb/> allem gegen die Ansiedlung vorläufig beurlaubter (mit ticckst c>k Isave- Ver¬<lb/> sehrter) eine tiefgehende Erbitterung entstanden. Diese Stimmung ist auch<lb/> schon in unsern Schutzgebieten zu bemerken, wenn von Deportationen gesprochen<lb/> wird. Die eben erwähnte Rückbildung im englischen Strafrecht hat aber gerade<lb/> dazu geführt, daß aus der praktischen Handhabung der Deportation ein Begriff<lb/> gewonnen und ausgeschieden ist, der als die allgemeine und einheitliche Grund¬<lb/> lage derjenigen Strafart dient, die in der englischen Strafvollziehung der<lb/> Zuchthausstrafe des Deutschen Rechts entspricht: das ist der Begriff der psnal<lb/> ssrvituäs (Strafknechtschaft), womit jede auf fünf Jahre und darüber lautende<lb/> Freiheitsstrafe bezeichnet wird (Akte von 1864). Die Bezeichnung erinnert an<lb/> die Art von Einzelknechtschaft, die wir oben bei der Transportation nach<lb/> Australien unter dem Namen des Asstgnationssystems erwähnt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2433" next="#ID_2434"> Wenn so die Engländer aus den praktischen Erfahrungen der Transpor¬<lb/> tation zur Strafe der Zwangsarbeit gekommen sind, so wird Professor Brück<lb/> sich nicht wundern dürfen, wenn außer Professor Bornhak auch noch andre<lb/> die Zuchthausstrafe unsers Strafrechts für nicht so verschieden von der De¬<lb/> portation halten, um darin verschiedne Strafarten zu erkennen. Die Zucht¬<lb/> hausstrafe ist eine mit Entehrung verbundne Entziehung der Freiheit; dabei<lb/> ist der Staat befugt, den Bestraften an einem beliebigen Platze festzuhalten und<lb/> ihn dort zu einer seine Kräfte völlig in Anspruch nehmenden harten Arbeit<lb/> anzuhalten, deren Auswahl und Bestimmung sich nicht nach den Neigungen<lb/> oder Fähigkeiten des Bestraften, sondern lediglich nach den Bedürfnissen und<lb/> Anordnungen der zuständigen Staatsbehörde zu richten hat. Vollständig unter<lb/> dieselbe Begriffsbestimmung fallen würde aber eine Deportation, wie wir sie<lb/> oben empfohlen haben, und die wir auch nach unserm jetzigen Rechtszustande für<lb/> zulässig halten würden, wenn die Geldmittel dazu von irgendwelchen, privaten<lb/> oder öffentlichen Unternehmern zur Verfügung gestellt würden. Daß das<lb/> Deutsche Reich oder der betreffende Bundesstaat hierbei die Kosten der Be¬<lb/> wachung der Sträflinge allein zu tragen und nur die Kosten ihrer Verpflegung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0684]
Die Einführung der Deportation in das deutsche Strafrecht
schaffen werden soll. Sicherlich könnte man sie so gestalten, daß sie eine andre
Strafart darstellte, und Professor Brück scheint auch auf dem Wege zu dieser
Ansicht zu sein. Man braucht nur den kolonialpolitischen Zweck mit zu berück¬
sichtigen und der Frage näher zu treten, die Verbrecher nach verbüßter Straf¬
zeit, mag diese voll ausgehalten oder auf Grund guten Betragens usw. ab¬
gekürzt sein, als freie Menschen anzusiedeln. Das ist das englische System
der tiolcst-0k-l6g.vo'8-insrl, von dem Du Cane a. a. O. mit Recht bemerkt, daß
eine sofortige Urteilsvollstreckung auf Deportation mit diesem System im
Hintergrunde mehr einer Belohnung als einer Strafe ähnlich sehe. Da die
freigelassenen Verbrecher oft mit staatlicher Unterstützung von vornherein in
eine viel günstigere Lage kamen, als der freiwillig ins Land gekommne Farmer,
so ist in allen englischen Kolonien gegen die Verbrecheransiedlungen und vor
allem gegen die Ansiedlung vorläufig beurlaubter (mit ticckst c>k Isave- Ver¬
sehrter) eine tiefgehende Erbitterung entstanden. Diese Stimmung ist auch
schon in unsern Schutzgebieten zu bemerken, wenn von Deportationen gesprochen
wird. Die eben erwähnte Rückbildung im englischen Strafrecht hat aber gerade
dazu geführt, daß aus der praktischen Handhabung der Deportation ein Begriff
gewonnen und ausgeschieden ist, der als die allgemeine und einheitliche Grund¬
lage derjenigen Strafart dient, die in der englischen Strafvollziehung der
Zuchthausstrafe des Deutschen Rechts entspricht: das ist der Begriff der psnal
ssrvituäs (Strafknechtschaft), womit jede auf fünf Jahre und darüber lautende
Freiheitsstrafe bezeichnet wird (Akte von 1864). Die Bezeichnung erinnert an
die Art von Einzelknechtschaft, die wir oben bei der Transportation nach
Australien unter dem Namen des Asstgnationssystems erwähnt haben.
Wenn so die Engländer aus den praktischen Erfahrungen der Transpor¬
tation zur Strafe der Zwangsarbeit gekommen sind, so wird Professor Brück
sich nicht wundern dürfen, wenn außer Professor Bornhak auch noch andre
die Zuchthausstrafe unsers Strafrechts für nicht so verschieden von der De¬
portation halten, um darin verschiedne Strafarten zu erkennen. Die Zucht¬
hausstrafe ist eine mit Entehrung verbundne Entziehung der Freiheit; dabei
ist der Staat befugt, den Bestraften an einem beliebigen Platze festzuhalten und
ihn dort zu einer seine Kräfte völlig in Anspruch nehmenden harten Arbeit
anzuhalten, deren Auswahl und Bestimmung sich nicht nach den Neigungen
oder Fähigkeiten des Bestraften, sondern lediglich nach den Bedürfnissen und
Anordnungen der zuständigen Staatsbehörde zu richten hat. Vollständig unter
dieselbe Begriffsbestimmung fallen würde aber eine Deportation, wie wir sie
oben empfohlen haben, und die wir auch nach unserm jetzigen Rechtszustande für
zulässig halten würden, wenn die Geldmittel dazu von irgendwelchen, privaten
oder öffentlichen Unternehmern zur Verfügung gestellt würden. Daß das
Deutsche Reich oder der betreffende Bundesstaat hierbei die Kosten der Be¬
wachung der Sträflinge allein zu tragen und nur die Kosten ihrer Verpflegung
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