Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Die Bibel einigen nach heutigen Begriffen barbarischen Kriegsbräuchen ab, die den Über die Humanität der Griechen braucht man sich, das eine Wunder Den Jsraeliten wurde die Kastration sogar beim Vieh verboten, und in der Sixtinischen Kapelle sollen heute noch Kastraten singen. Ist es wahr? Dann wäre das eine arösjere Schmach für das Papsttum als selbst die Marozia- und die Borgiaveriode. Grenzboten I 1898 8!!
Die Bibel einigen nach heutigen Begriffen barbarischen Kriegsbräuchen ab, die den Über die Humanität der Griechen braucht man sich, das eine Wunder Den Jsraeliten wurde die Kastration sogar beim Vieh verboten, und in der Sixtinischen Kapelle sollen heute noch Kastraten singen. Ist es wahr? Dann wäre das eine arösjere Schmach für das Papsttum als selbst die Marozia- und die Borgiaveriode. Grenzboten I 1898 8!!
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Die Bibel
einigen nach heutigen Begriffen barbarischen Kriegsbräuchen ab, die den
Jsraeliten schlechterdings gestattet werden mußten, wenn sie nicht gleich nach
ihrer Einwanderung in Palästina untergehen sollten, so darf man wohl
fragen: wo wäre seitdem ein von gleich humanen Geiste beseeltes Gesetzbuch
entstanden?
Über die Humanität der Griechen braucht man sich, das eine Wunder
ihrer edeln Gemütsanlage als gegeben vorausgesetzt, nicht weiter zu Wundern,
denn sie hatten ihr Ländchen siebenhundert Jahre lang ungestört und unver-
mischt bewohnt, als sie jenen Überfall der Asiaten erlitten, den sie siegreich
zurückschlugen, und worin sie sich ihrer Eigenart erst recht bewußt wurden.
Aber woher kam sie den Hebräern, die als winziger Stamm in jenem Vorder¬
asien wohnten, wo auf "allen Anhöhen grausamen Götzen blutige Opfer ge¬
schlachtet und Menschen verbrannt wurden, wo mau bei allen Heiligtümern
schändlich Verstümmelte traf,*) und wo die Peinigung der Kriegsgefangnen
üblich war, die wir aus assyrischen Bilderwerkcn kennen? Wo sollten herrsch¬
süchtige und engherzige Priester — eine Priesterkaste ist immer herrschsüchtig
und engherzig — den hochherzigen, weitherzigen, von jeder Habsucht und jedem
Schachergeist freien, milden und liebewarmen Geist hergehabt haben, der aus
den angeführten Vorschriften spricht? Wo sollten sie ihn hergehabt haben in
der Zeit des Josias, da die assyrischen Sichelwagen schon so oft zermalmend
weggegangen waren über das Land, wo die Bewohner des nördlichen Reichs
längst in die Gefangenschaft fortgeschleppt waren, und das Häuflein der Juden
es nur der Laune von Unterstatthaltern der Großkönige am Euphrat ver¬
dankten, daß sie vorläufig noch in ihrem Winkel hinter dem Toten Meere
weilen durften? Wie konnten Priester in solcher Lage ein Gesetz erlassen, das
den glücklichsten Zustand eines freien und mächtigen Volkes voraussetzt, eines
Volkes, das im Andenken an selbst ausgestandne Erniedrigung und Not in der
Fremde einwandernde Fremdlinge als großmütiger Beschützer aufnimmt?
Wenn dieses Gesetz nicht von Moses gegeben ist, so kann es höchstens in der
Glanzzeit Israels, uuter David oder Salomon. entstanden sein; aber auch der
Geist dieser Herrscher und ihrer Priester, die bloße Hvfbeamte waren, ist nicht
der Geist des mosaischen Gesetzes. Die Kritiker sagen, das Gesetz könne nicht
in der Wüste gegeben sein, weil es auf ein ansässiges Volk in geordneten bürger¬
lichen Verhältnissen zugeschnitten sei, Gesetze aber immer nur für den gegen¬
wärtigen, niemals für einen zukünftigen, noch gar nicht vorhandnen und darum
unbekannten Zustand berechnet würden. Nun, der Zustand, den das mosaische
Gesetz voraussetzen würde, wenn es gleich andern Gesetzbüchern nur eine Kodi¬
fikation der bestehenden Gesetze und Sitten wäre, dieser Zustand ist überhaupt
niemals dagewesen; niemals ist z. B. die merkwürdige Einrichtung, die jeder
Familie ihren Grundbesitz auf ewige Zeiten sichern sollte, das Jubeljahr, ins
Leben getreten, und auch in der Nealencyklopü'die von Herzog und Pult meint
der Verfasser des Artikels „Sabbath- und Jobeljahr," die Schwierigkeiten der
Ausführung lägen so auf der Hand, „daß sich eben darum dieses ganze System
unmöglich als Abstraktion aus spätern Verhältnissen, vielmehr nur aus der
Konsequenz des theokratischen Prinzips erklären laßt." Nein wahrhaftig nicht!
Den Jsraeliten wurde die Kastration sogar beim Vieh verboten, und in der Sixtinischen
Kapelle sollen heute noch Kastraten singen. Ist es wahr? Dann wäre das eine arösjere
Schmach für das Papsttum als selbst die Marozia- und die Borgiaveriode.
Grenzboten I 1898 8!!
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