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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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übrigen Deutschland nicht bekannt geworden!) wirken würde, darauf durfte ganz
Deutschland gespannt sein. In der That vernahm er die Kunde von der
Pariser Februarrevolution mit der hochmütig-geringschätzigen Gleichgiltigkeit
eines britischen Großgrundbesitzers, dessen Pächter oder Hintersassen sich ein¬
bilden, Menschen zu sein und menschliche Rechte zu haben. Denn Hannover
war in seinen Augen sein von den Vätern ererbtes Rittergut, weiter nichts."
Nach dieser Einleitung, die sehr gut im Lcchrer Hinkenden Boten hätte stehen
können et. h. in einem ältern Jahrgang), kommt Hans Blum ans die "denk¬
würdige und drastische Weise," in der sich der König gegen eine städtische Depu¬
tation am 6. März (es war übrigens der siebente) ausläßt, zu sprechen und
giebt für Freunde des Komischen "das ernst-augustinische Deutsch in seiner
ganzen Schönheit wieder." Bei Hasselt aber lesen wir dieses Deutsch anders,
der aber hat es aus Bodemeyer, und da konnte Hans Blum schon seit langem
lesen, wie der kluge König trotz seinem gebrochnen Deutsch mit seinen Sar-
kasmen die Herren Buchdrucker und Maurermeister, die eine Volksvertretung
beim Bundestag wünschten, recht in die Enge trieb, indem er ihnen unter
andern die köstlichen Worte sagte: "Was den dritten Punkt betrifft, fo bekenne
ich, daß ich vielleicht zu dumm bin, um zu verstehe", was Sie eigentlich
meinen. Sie scheine" sich aber selbst nicht klar gemacht zu haben, ans welche
Weise sich der Wunsch einer Volksvertretung beim Bunde realisiren ließe. Die
Deutschen glauben, sie können die Einheit machen auf dem Papier. Wenn sie
wollen, so haben sie die Einheit; dann müssen sie aber gehen durch Blut bis
an die Brust usw." Hierbei wird wohl niemand etwas zu lachen finden.
Blum erzählt nun weiter vou den Märztagen im Stil eines Heldengedichts
mit der nötigen Abtönung für die Gegenseite (Welfeudünkel. frevles Spiel,
frivole Weise usw.) und schließt sein Drama so: "In der Nacht des so er-
eiguisvollen 18. März entließ er die alten Minister, bewilligte die Forderungen
des Volks, versprach einen verfassungsmäßigen Lebenswandel und berief vor
allem zum Jubel des Volkes denselben Mann, der 1837 für die vom König
mit Füßen getretne Verfassung gekämpft hatte, den Bürgermeister Stüve von
Osnabrück, an die Spitze des neuen liberalen Märzministeriums. Es war
überall dasselbe Schauspiel: die von der Reaktion am bittersten Verfolgten
mußten nun die im Märzsturin schwankenden Throne stützen."

Ganz so rührend war es nun freilich nicht, und so theatralisch und fix
guig es auch nicht zu. Zunächst war Stüve niemals von der Reaktion ver¬
folgt worden, sodann trat er keineswegs an die Spitze des Ministeriums.
Das that vielmehr ein Aristokrat im vollsten Sinne vom Kopf bis zur Zehe,
Graf Bennigsen, der Sohn des berühmten russischen Generals, der Vertrauens¬
mann des Königs, dem er durch den abgehenden Minister von Falcke, des
1844 verstorbnen Sehele Nachfolger, empfohlen worden war. Bennigsen führte
auch im Verein mit seinem Freunde Wangenheim in den nächsten Jahren die


übrigen Deutschland nicht bekannt geworden!) wirken würde, darauf durfte ganz
Deutschland gespannt sein. In der That vernahm er die Kunde von der
Pariser Februarrevolution mit der hochmütig-geringschätzigen Gleichgiltigkeit
eines britischen Großgrundbesitzers, dessen Pächter oder Hintersassen sich ein¬
bilden, Menschen zu sein und menschliche Rechte zu haben. Denn Hannover
war in seinen Augen sein von den Vätern ererbtes Rittergut, weiter nichts."
Nach dieser Einleitung, die sehr gut im Lcchrer Hinkenden Boten hätte stehen
können et. h. in einem ältern Jahrgang), kommt Hans Blum ans die „denk¬
würdige und drastische Weise," in der sich der König gegen eine städtische Depu¬
tation am 6. März (es war übrigens der siebente) ausläßt, zu sprechen und
giebt für Freunde des Komischen „das ernst-augustinische Deutsch in seiner
ganzen Schönheit wieder." Bei Hasselt aber lesen wir dieses Deutsch anders,
der aber hat es aus Bodemeyer, und da konnte Hans Blum schon seit langem
lesen, wie der kluge König trotz seinem gebrochnen Deutsch mit seinen Sar-
kasmen die Herren Buchdrucker und Maurermeister, die eine Volksvertretung
beim Bundestag wünschten, recht in die Enge trieb, indem er ihnen unter
andern die köstlichen Worte sagte: „Was den dritten Punkt betrifft, fo bekenne
ich, daß ich vielleicht zu dumm bin, um zu verstehe», was Sie eigentlich
meinen. Sie scheine» sich aber selbst nicht klar gemacht zu haben, ans welche
Weise sich der Wunsch einer Volksvertretung beim Bunde realisiren ließe. Die
Deutschen glauben, sie können die Einheit machen auf dem Papier. Wenn sie
wollen, so haben sie die Einheit; dann müssen sie aber gehen durch Blut bis
an die Brust usw." Hierbei wird wohl niemand etwas zu lachen finden.
Blum erzählt nun weiter vou den Märztagen im Stil eines Heldengedichts
mit der nötigen Abtönung für die Gegenseite (Welfeudünkel. frevles Spiel,
frivole Weise usw.) und schließt sein Drama so: „In der Nacht des so er-
eiguisvollen 18. März entließ er die alten Minister, bewilligte die Forderungen
des Volks, versprach einen verfassungsmäßigen Lebenswandel und berief vor
allem zum Jubel des Volkes denselben Mann, der 1837 für die vom König
mit Füßen getretne Verfassung gekämpft hatte, den Bürgermeister Stüve von
Osnabrück, an die Spitze des neuen liberalen Märzministeriums. Es war
überall dasselbe Schauspiel: die von der Reaktion am bittersten Verfolgten
mußten nun die im Märzsturin schwankenden Throne stützen."

Ganz so rührend war es nun freilich nicht, und so theatralisch und fix
guig es auch nicht zu. Zunächst war Stüve niemals von der Reaktion ver¬
folgt worden, sodann trat er keineswegs an die Spitze des Ministeriums.
Das that vielmehr ein Aristokrat im vollsten Sinne vom Kopf bis zur Zehe,
Graf Bennigsen, der Sohn des berühmten russischen Generals, der Vertrauens¬
mann des Königs, dem er durch den abgehenden Minister von Falcke, des
1844 verstorbnen Sehele Nachfolger, empfohlen worden war. Bennigsen führte
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/639>, abgerufen am 07.01.2025.