Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches kürzt in der Vereinszeitschrift IX. 201 ff., sowie in der Beilage der Münchner All¬ Eine ganz ähnliche Erscheinung bespricht nun Franz Sandvoß im November¬ Bei Gener von Kaisersberg: betrachten und contempliren -- Memory und Bei Joh. Pauli: ordiniren und schicken -- mit . . falschen reereatzen und Bei Luther: Historien und Geschichten -- Fundament und Grundfest --- Die überwiegende Gleichartigkeit dieser Verbindung -- unter allen Beispielen Maßgebliches und Unmaßgebliches kürzt in der Vereinszeitschrift IX. 201 ff., sowie in der Beilage der Münchner All¬ Eine ganz ähnliche Erscheinung bespricht nun Franz Sandvoß im November¬ Bei Gener von Kaisersberg: betrachten und contempliren — Memory und Bei Joh. Pauli: ordiniren und schicken — mit . . falschen reereatzen und Bei Luther: Historien und Geschichten — Fundament und Grundfest -— Die überwiegende Gleichartigkeit dieser Verbindung — unter allen Beispielen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226963"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_166" prev="#ID_165"> kürzt in der Vereinszeitschrift IX. 201 ff., sowie in der Beilage der Münchner All¬<lb/> gemeinen Zeitung (Ur. 253 u. 254 d. I.), sondern auch in einem von dem Verein<lb/> besorgten Auszuge durch eine sehr große Zahl von Tageszeitungen in ganz Deutsch¬<lb/> land bekannt gemacht worden. Auch in Weimar könnte man ihn gelesen haben.<lb/> Und von dort kommt uns jetzt eine zwar keineswegs wichtige, doch immerhin recht<lb/> erfreuliche Bestätigung eines einzelnen der damals von Kluge in wohlgeschlosseuem<lb/> Zusammenhange dargestellten Gedanken. Entgegen nämlich der einseitigen Auffassung,<lb/> die Fremdwörter bloß als Schädlinge der Muttersprache zu betrachten, hat Kluge<lb/> in ihnen auch eine „Quelle der Bereicherung" erkannt, um Worte des Weimarcmers<lb/> zu verwenden, hat gesehen und an schlagenden Beispielen dargethan, daß sie das<lb/> deutsche Sprachgefühl „fort und fort wecken und wacker erhalten." Denn der<lb/> fremde Eindringling erregt nicht nur regelmäßig bald die wachsende Gegenwehr<lb/> des natürlichen Sprachgefühls, sondern auch die schöpferische, nenbildende Sprach¬<lb/> kraft, die das wiederverdrängte Fremde nicht spurlos verschwinden läßt, sondern<lb/> schließlich durch eine einheimische Nach- oder Neubildung ersetzt. Zum Beweise<lb/> dafür wies Kluge unter anderm auf die bis dahin oft einseitig als bloß lächerlich<lb/> hervvrgehobnen Ausdrücke hiu, in denen gleichbedeutende deutsche und fremde Worte<lb/> scheinbar geradezu albern, jedenfalls überflüssig aneinander gereiht werden, wie bei<lb/> „Examensprüfung, treibendes Agens, reitende Kavallerie."</p><lb/> <p xml:id="ID_167"> Eine ganz ähnliche Erscheinung bespricht nun Franz Sandvoß im November¬<lb/> hefte der Preußischen Jahrbücher S. 319 bis 330 aus wesentlich früherer Zeit,<lb/> hauptsächlich nämlich Luthers, und belegt sie mit folgenden Beispielen:</p><lb/> <p xml:id="ID_168"> Bei Gener von Kaisersberg: betrachten und contempliren — Memory und<lb/> gedechtnis.</p><lb/> <p xml:id="ID_169"> Bei Joh. Pauli: ordiniren und schicken — mit . . falschen reereatzen und<lb/> kurtzweileu — ideoteu . . und Narren — recreatz und erfrischung — die Prisonneer<lb/> und gefcmgenn lent.</p><lb/> <p xml:id="ID_170"> Bei Luther: Historien und Geschichten — Fundament und Grundfest -—<lb/> Superstition und Aberglauben — dnpliren und zwiefächtigen — Pön und<lb/> Strafe — der Effect oder die Wirkung — vexiret und geheiet — Patienz und<lb/> Geduld — die Abominatio und der Gräuel — dividiren und unterscheiden —<lb/> Germanien und Deutschland — zu definiren und zu örteru — Erudiren und<lb/> Überweisen — das Mi und Leiden — osfendirt und erzörnet — eomparireu und<lb/> erscheinen — so procediren und fahren wir fort — kein spatium noch Raum —<lb/> Autorität und Gewalt — confirmiren und bekräftigen — Resignation oder Über¬<lb/> gebung — reformiren und reinigen — confirmiren, bestätigen und erhalten —<lb/> reponiren und widerrufen — commandiren und befehlen — visitirte und besuchte —<lb/> exequiren und vollstrecken — Justisikatiou und Rechtfertigung — extenuirt und<lb/> verkleinert — eoufutirt und widerlegt — solvirt und löset auf — Poema und<lb/> Gedicht — Tragödie und Spiel — confirmiret und gestärkt — Prärogativa und<lb/> Furzug — das Louseciusus und die Folge — keine llxe.vin.lo noch Auszug —<lb/> exequiren und üben — als Knrkindern oder tiliis g,Äopt.!oris.</p><lb/> <p xml:id="ID_171" next="#ID_172"> Die überwiegende Gleichartigkeit dieser Verbindung — unter allen Beispielen<lb/> steht nämlich nur in den beiden von mir an die erste und an die letzte Stelle ge¬<lb/> setzten das Deutsche voran — verbürgt auch die Gleichartigkeit des ihnen zu Grunde<lb/> liegenden geistigen Vorgangs, der, wie mir scheint, sich sehr einfach erklärt. Die<lb/> meisten Stellen sind den Tischreden entnommen. Dem lebhaften Redner in einem<lb/> lateingewöhnten Kreise oder auch dem Zuhörer ist bei der Aufzeichnung, wie man<lb/> sieht, immer zuerst das fremde Wort gekommen, aber unmittelbar darauf muß sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
kürzt in der Vereinszeitschrift IX. 201 ff., sowie in der Beilage der Münchner All¬
gemeinen Zeitung (Ur. 253 u. 254 d. I.), sondern auch in einem von dem Verein
besorgten Auszuge durch eine sehr große Zahl von Tageszeitungen in ganz Deutsch¬
land bekannt gemacht worden. Auch in Weimar könnte man ihn gelesen haben.
Und von dort kommt uns jetzt eine zwar keineswegs wichtige, doch immerhin recht
erfreuliche Bestätigung eines einzelnen der damals von Kluge in wohlgeschlosseuem
Zusammenhange dargestellten Gedanken. Entgegen nämlich der einseitigen Auffassung,
die Fremdwörter bloß als Schädlinge der Muttersprache zu betrachten, hat Kluge
in ihnen auch eine „Quelle der Bereicherung" erkannt, um Worte des Weimarcmers
zu verwenden, hat gesehen und an schlagenden Beispielen dargethan, daß sie das
deutsche Sprachgefühl „fort und fort wecken und wacker erhalten." Denn der
fremde Eindringling erregt nicht nur regelmäßig bald die wachsende Gegenwehr
des natürlichen Sprachgefühls, sondern auch die schöpferische, nenbildende Sprach¬
kraft, die das wiederverdrängte Fremde nicht spurlos verschwinden läßt, sondern
schließlich durch eine einheimische Nach- oder Neubildung ersetzt. Zum Beweise
dafür wies Kluge unter anderm auf die bis dahin oft einseitig als bloß lächerlich
hervvrgehobnen Ausdrücke hiu, in denen gleichbedeutende deutsche und fremde Worte
scheinbar geradezu albern, jedenfalls überflüssig aneinander gereiht werden, wie bei
„Examensprüfung, treibendes Agens, reitende Kavallerie."
Eine ganz ähnliche Erscheinung bespricht nun Franz Sandvoß im November¬
hefte der Preußischen Jahrbücher S. 319 bis 330 aus wesentlich früherer Zeit,
hauptsächlich nämlich Luthers, und belegt sie mit folgenden Beispielen:
Bei Gener von Kaisersberg: betrachten und contempliren — Memory und
gedechtnis.
Bei Joh. Pauli: ordiniren und schicken — mit . . falschen reereatzen und
kurtzweileu — ideoteu . . und Narren — recreatz und erfrischung — die Prisonneer
und gefcmgenn lent.
Bei Luther: Historien und Geschichten — Fundament und Grundfest -—
Superstition und Aberglauben — dnpliren und zwiefächtigen — Pön und
Strafe — der Effect oder die Wirkung — vexiret und geheiet — Patienz und
Geduld — die Abominatio und der Gräuel — dividiren und unterscheiden —
Germanien und Deutschland — zu definiren und zu örteru — Erudiren und
Überweisen — das Mi und Leiden — osfendirt und erzörnet — eomparireu und
erscheinen — so procediren und fahren wir fort — kein spatium noch Raum —
Autorität und Gewalt — confirmiren und bekräftigen — Resignation oder Über¬
gebung — reformiren und reinigen — confirmiren, bestätigen und erhalten —
reponiren und widerrufen — commandiren und befehlen — visitirte und besuchte —
exequiren und vollstrecken — Justisikatiou und Rechtfertigung — extenuirt und
verkleinert — eoufutirt und widerlegt — solvirt und löset auf — Poema und
Gedicht — Tragödie und Spiel — confirmiret und gestärkt — Prärogativa und
Furzug — das Louseciusus und die Folge — keine llxe.vin.lo noch Auszug —
exequiren und üben — als Knrkindern oder tiliis g,Äopt.!oris.
Die überwiegende Gleichartigkeit dieser Verbindung — unter allen Beispielen
steht nämlich nur in den beiden von mir an die erste und an die letzte Stelle ge¬
setzten das Deutsche voran — verbürgt auch die Gleichartigkeit des ihnen zu Grunde
liegenden geistigen Vorgangs, der, wie mir scheint, sich sehr einfach erklärt. Die
meisten Stellen sind den Tischreden entnommen. Dem lebhaften Redner in einem
lateingewöhnten Kreise oder auch dem Zuhörer ist bei der Aufzeichnung, wie man
sieht, immer zuerst das fremde Wort gekommen, aber unmittelbar darauf muß sich
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