Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Teo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396 eine kundige Hand das Mittel bereitete, und rücksichtsloser Jesuitismus uns Glaubt man denn, daß unser Volk seit hundert Jahren allem Fanatismus Das ist jesuitisches Glaubensbekenntnis, das ist die Nation jesuitischer Das jesuitische Rom hat diesmal einen würdigen Gegner gefunden: es Teo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396 eine kundige Hand das Mittel bereitete, und rücksichtsloser Jesuitismus uns Glaubt man denn, daß unser Volk seit hundert Jahren allem Fanatismus Das ist jesuitisches Glaubensbekenntnis, das ist die Nation jesuitischer Das jesuitische Rom hat diesmal einen würdigen Gegner gefunden: es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0604" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227506"/> <fw type="header" place="top"> Teo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396</fw><lb/> <p xml:id="ID_2168" prev="#ID_2167"> eine kundige Hand das Mittel bereitete, und rücksichtsloser Jesuitismus uns<lb/> den betäubenden Trank darreichte? Denn „was ist Wahrheit?" Dürfen wir<lb/> so fest darauf rechnen, daß sich bei uns die Vernunft nicht knechten lasse?<lb/> Wir haben es bei unsern Nachbarn erlebt und waren nicht gar fern davon,<lb/> es auch bei uns zu erleben, daß die Vernunft auf den Thron der Gottheit<lb/> gesetzt wurde. Aber war denn damit die Wahrheit auf deu Thron gesetzt?<lb/> Wurden hier nicht vielmehr derselbe Aberglaube, dieselbe zerstörende Thorheit<lb/> heilig gesprochen, die von kirchlich-religiösem Eifer zu allen Zeiten für Wahrheit<lb/> ausgegeben worden sind? Der blinde Eifer der Vernunft und der blinde Eifer<lb/> des Glaubens, sie zeugen denselben Aberglauben, sie haben gleich wenig die<lb/> Wahrheit zur Frucht, und eine Versammlung zu Ehren der „göttlichen Ver¬<lb/> nunft" hat nicht viel voraus vor einem Kongreß zu Ehren des göttlichen<lb/> Aberglaubens. Das Fest des höchsten Wesens aber fand vor mehr denn<lb/> hundert Jahren, der Kongreß von Trient vor einem Jahre statt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2169"> Glaubt man denn, daß unser Volk seit hundert Jahren allem Fanatismus<lb/> nach der einen oder der andern Seite hin ganz entwachsen sei? Daß wir auf¬<lb/> geklärten Deutschen weder den nihilistischen noch den jesuitischen Aberglauben<lb/> zu fürchten Hütten? Oder meint man, die Jesuiten Hütten sich geändert? In<lb/> einer von einundzwanzig Prälaten des Vatikans herausgegebnen Zeitschrift<lb/> hieß es noch im Jahre 1895: „O seid gesegnet, ihr flammenden Scheiterhaufen,<lb/> durch die einige wenige und dazu ganz verschmitzte Subjekte beseitigt, jedesmal<lb/> aber hundert und aber hundert Seelen ans deu Schlünden der Irrlehre und<lb/> vielleicht auch der ewige» Verdammnis gerettet worden sind. . . . Fern sei eS,<lb/> daß wir jemals »ach schwächlichen Grundkeim zur Verteidigung der heiligen<lb/> Inquisition gegen ketzerische Schlechtigkeit suchten. . . . Der wohlthätigen Wach¬<lb/> samkeit der heiligen Inquisition ist der religiöse Friede sowie auch die Glanbens-<lb/> festigkeit zu danke», die den Adel der spanischen Nation ausmachen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2170"> Das ist jesuitisches Glaubensbekenntnis, das ist die Nation jesuitischer<lb/> Schule und Erziehung; das ist die Kirche, der unfehlbare Papst, vor dem wir<lb/> uns noch vor zwei Jahrzehnten gebeugt haben, weil wir Deutschen nicht Kraft<lb/> und Selbstgefühl genug hatten, katholisch zu sein trotz Rom! Wir beugten<lb/> den Nacken, und alsbald erscholl von Rom her der Kriegsruf in jene»: Rund¬<lb/> schreiben vom Jahre 1884. Denn wenn scheinbar auch gegen die Frei¬<lb/> maurer der Kampf begonnen wurde, so war doch der eigentliche Gegner der<lb/> Protestantismus und der gesamte deutsche noch nicht völlig dem römischen<lb/> Stuhl unterworfne Volksgeist. Und so sollte auch der große Kongreß von<lb/> Trient der erste Sieg sein über die noch nicht gänzlich gebrochnen Kräfte des<lb/> Widerstandes gegen jesuitisch-päpstlichen Absolutismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_2171" next="#ID_2172"> Das jesuitische Rom hat diesmal einen würdigen Gegner gefunden: es<lb/> unterlag, vielleicht zum erstenmal, seit es einen Papst giebt, gegen die eignen<lb/> alten Waffen des Aberglaubens, unterlag gegen einen Mann, der diese Waffen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0604]
Teo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396
eine kundige Hand das Mittel bereitete, und rücksichtsloser Jesuitismus uns
den betäubenden Trank darreichte? Denn „was ist Wahrheit?" Dürfen wir
so fest darauf rechnen, daß sich bei uns die Vernunft nicht knechten lasse?
Wir haben es bei unsern Nachbarn erlebt und waren nicht gar fern davon,
es auch bei uns zu erleben, daß die Vernunft auf den Thron der Gottheit
gesetzt wurde. Aber war denn damit die Wahrheit auf deu Thron gesetzt?
Wurden hier nicht vielmehr derselbe Aberglaube, dieselbe zerstörende Thorheit
heilig gesprochen, die von kirchlich-religiösem Eifer zu allen Zeiten für Wahrheit
ausgegeben worden sind? Der blinde Eifer der Vernunft und der blinde Eifer
des Glaubens, sie zeugen denselben Aberglauben, sie haben gleich wenig die
Wahrheit zur Frucht, und eine Versammlung zu Ehren der „göttlichen Ver¬
nunft" hat nicht viel voraus vor einem Kongreß zu Ehren des göttlichen
Aberglaubens. Das Fest des höchsten Wesens aber fand vor mehr denn
hundert Jahren, der Kongreß von Trient vor einem Jahre statt.
Glaubt man denn, daß unser Volk seit hundert Jahren allem Fanatismus
nach der einen oder der andern Seite hin ganz entwachsen sei? Daß wir auf¬
geklärten Deutschen weder den nihilistischen noch den jesuitischen Aberglauben
zu fürchten Hütten? Oder meint man, die Jesuiten Hütten sich geändert? In
einer von einundzwanzig Prälaten des Vatikans herausgegebnen Zeitschrift
hieß es noch im Jahre 1895: „O seid gesegnet, ihr flammenden Scheiterhaufen,
durch die einige wenige und dazu ganz verschmitzte Subjekte beseitigt, jedesmal
aber hundert und aber hundert Seelen ans deu Schlünden der Irrlehre und
vielleicht auch der ewige» Verdammnis gerettet worden sind. . . . Fern sei eS,
daß wir jemals »ach schwächlichen Grundkeim zur Verteidigung der heiligen
Inquisition gegen ketzerische Schlechtigkeit suchten. . . . Der wohlthätigen Wach¬
samkeit der heiligen Inquisition ist der religiöse Friede sowie auch die Glanbens-
festigkeit zu danke», die den Adel der spanischen Nation ausmachen."
Das ist jesuitisches Glaubensbekenntnis, das ist die Nation jesuitischer
Schule und Erziehung; das ist die Kirche, der unfehlbare Papst, vor dem wir
uns noch vor zwei Jahrzehnten gebeugt haben, weil wir Deutschen nicht Kraft
und Selbstgefühl genug hatten, katholisch zu sein trotz Rom! Wir beugten
den Nacken, und alsbald erscholl von Rom her der Kriegsruf in jene»: Rund¬
schreiben vom Jahre 1884. Denn wenn scheinbar auch gegen die Frei¬
maurer der Kampf begonnen wurde, so war doch der eigentliche Gegner der
Protestantismus und der gesamte deutsche noch nicht völlig dem römischen
Stuhl unterworfne Volksgeist. Und so sollte auch der große Kongreß von
Trient der erste Sieg sein über die noch nicht gänzlich gebrochnen Kräfte des
Widerstandes gegen jesuitisch-päpstlichen Absolutismus.
Das jesuitische Rom hat diesmal einen würdigen Gegner gefunden: es
unterlag, vielleicht zum erstenmal, seit es einen Papst giebt, gegen die eignen
alten Waffen des Aberglaubens, unterlag gegen einen Mann, der diese Waffen
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