Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396 sogar in der fünfzehnten Auflage seiner "Geschichtslügen" neuerdings unter Ist nicht der Aberglaube stets die Waffe Roms in seinen schlimmen Tagen Wir sind keine Spanier -- wird mancher Deutsche vielleicht sagen. "Die Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396 sogar in der fünfzehnten Auflage seiner „Geschichtslügen" neuerdings unter Ist nicht der Aberglaube stets die Waffe Roms in seinen schlimmen Tagen Wir sind keine Spanier — wird mancher Deutsche vielleicht sagen. „Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0603" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227505"/> <fw type="header" place="top"> Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396</fw><lb/> <p xml:id="ID_2165" prev="#ID_2164"> sogar in der fünfzehnten Auflage seiner „Geschichtslügen" neuerdings unter<lb/> Berufung auf die Werke Taxils zu dessen Enthüllungen bekannt, indem er an<lb/> dem Satanskult der Freimaurer festhält. Der Jesuit Bischof Meurin hat ein<lb/> Buch geschrieben mit dem Titel IiÄ ^ranerQÄyovQLriö, SMgM^us de L^tan.<lb/> Der Papst hat in einem Breve vom 30. Juni 1897, also nach der Selbst¬<lb/> entlarvung Taxils, die Antifreimaurer Spaniens zur Fortsetzung des Kampfes<lb/> ermuntert (vgl. Baseler Nachrichten vom 9. Januar 1898).</p><lb/> <p xml:id="ID_2166"> Ist nicht der Aberglaube stets die Waffe Roms in seinen schlimmen Tagen<lb/> gewesen? War es nicht die gangbarste päpstliche Münze, auf deren Avers stand<lb/> „Glaube" und auf deren Revers „Aberglaube"? Was hat denn Taxil andres<lb/> gethan, als diese Münze vollwichtig geprägt und verbreitet? Und es war nicht<lb/> Falschmünzerei, denn die Kirche billigte und leitete die Verbreitung. Konnte<lb/> der Priester und der einfache Laie zweifeln, wo der unfehlbare Papst segnete?<lb/> Konnte der Kaplan Aberglauben sagen, wo die Häupter der Kirche Glauben<lb/> sagten? Zwar es hat nicht an Zweiflern auch im Klerus gefehlt, und wir<lb/> freuen uus, daß vor allem in Deutschland der Widerspruch gegen die Propa¬<lb/> ganda des Aberglaubens zuerst hervortrat, und daß sich schon in Trient der<lb/> Gegensatz zum Romanismus kund that. Aber in einer Zeit, wo die römische<lb/> Kirche wieder so fest als nur irgend jemals in den Händen der Jesuiten<lb/> liegt, war es kaum wunderbar, daß fast alles innerhalb der Kirche der<lb/> „kolossalsten Mystifikation der neuen Zeit" erlag, wie Taxil sein Werk nannte.<lb/> Denn wonach haben die Jesuiten zu allen Zeiten eifriger gestrebt, als nach<lb/> Knechtung der menschlichen Vernunft? Wo herrschten sie besser, als wo Ver¬<lb/> dummung des Volks und Aberglauben die Grundlagen ihrer Macht waren?<lb/> Welcher Unsinn wäre zu groß, um etwa heute in Spanien nicht Glauben zu<lb/> finden, wenn die Väter der Gesellschaft Jesu es für nützlich erachteten, ihn zu<lb/> lehren, in diesem spanischen Volke, das sie in Jahrhunderten zu dem gemacht<lb/> haben, was es heute ist, den entnervten Nachkommen eines großen Geschlechts?</p><lb/> <p xml:id="ID_2167" next="#ID_2168"> Wir sind keine Spanier — wird mancher Deutsche vielleicht sagen. „Die<lb/> deutschen Katholiken, hat der Führer des Zentrums, or. Lieber, gesagt, sind<lb/> nach der Ansicht der nichtdeutschen Katholiken im ganzen Laufe der Geschichte<lb/> niemals vollgiltige Katholiken gewesen und gar nicht imstande, es überhaupt<lb/> ihrer ganzen Natur- und Volksveranlagung nach zu sein." Und vielleicht<lb/> darauf vertrauend hat or. Lieber, hat der deutsche Katholizismus zweimal im<lb/> Reichstage den Beschluß durchgesetzt, die Jesuiten wieder ins Land zu rufen.<lb/> Man meint wohl, der Beschluß habe nichts zu sagen, weil jedermann wisse,<lb/> daß der Bundesrat ihn verwerfen werde. Aber wir müssen annehmen, daß<lb/> wenigstens das Zentrum den Beschluß ernst meint. Ist es wohl weise, ein<lb/> solches Selbstvertrauen zu nähren? Hat der „Pelikan" und seine „Geheimnisse<lb/> der Hölle," haben nicht noch andre Vorkommnisse gezeigt, was auch wir<lb/> Deutschen an unsinnigen Aberglauben hinunter zu schlingen vermögen, wenn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0603]
Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396
sogar in der fünfzehnten Auflage seiner „Geschichtslügen" neuerdings unter
Berufung auf die Werke Taxils zu dessen Enthüllungen bekannt, indem er an
dem Satanskult der Freimaurer festhält. Der Jesuit Bischof Meurin hat ein
Buch geschrieben mit dem Titel IiÄ ^ranerQÄyovQLriö, SMgM^us de L^tan.
Der Papst hat in einem Breve vom 30. Juni 1897, also nach der Selbst¬
entlarvung Taxils, die Antifreimaurer Spaniens zur Fortsetzung des Kampfes
ermuntert (vgl. Baseler Nachrichten vom 9. Januar 1898).
Ist nicht der Aberglaube stets die Waffe Roms in seinen schlimmen Tagen
gewesen? War es nicht die gangbarste päpstliche Münze, auf deren Avers stand
„Glaube" und auf deren Revers „Aberglaube"? Was hat denn Taxil andres
gethan, als diese Münze vollwichtig geprägt und verbreitet? Und es war nicht
Falschmünzerei, denn die Kirche billigte und leitete die Verbreitung. Konnte
der Priester und der einfache Laie zweifeln, wo der unfehlbare Papst segnete?
Konnte der Kaplan Aberglauben sagen, wo die Häupter der Kirche Glauben
sagten? Zwar es hat nicht an Zweiflern auch im Klerus gefehlt, und wir
freuen uus, daß vor allem in Deutschland der Widerspruch gegen die Propa¬
ganda des Aberglaubens zuerst hervortrat, und daß sich schon in Trient der
Gegensatz zum Romanismus kund that. Aber in einer Zeit, wo die römische
Kirche wieder so fest als nur irgend jemals in den Händen der Jesuiten
liegt, war es kaum wunderbar, daß fast alles innerhalb der Kirche der
„kolossalsten Mystifikation der neuen Zeit" erlag, wie Taxil sein Werk nannte.
Denn wonach haben die Jesuiten zu allen Zeiten eifriger gestrebt, als nach
Knechtung der menschlichen Vernunft? Wo herrschten sie besser, als wo Ver¬
dummung des Volks und Aberglauben die Grundlagen ihrer Macht waren?
Welcher Unsinn wäre zu groß, um etwa heute in Spanien nicht Glauben zu
finden, wenn die Väter der Gesellschaft Jesu es für nützlich erachteten, ihn zu
lehren, in diesem spanischen Volke, das sie in Jahrhunderten zu dem gemacht
haben, was es heute ist, den entnervten Nachkommen eines großen Geschlechts?
Wir sind keine Spanier — wird mancher Deutsche vielleicht sagen. „Die
deutschen Katholiken, hat der Führer des Zentrums, or. Lieber, gesagt, sind
nach der Ansicht der nichtdeutschen Katholiken im ganzen Laufe der Geschichte
niemals vollgiltige Katholiken gewesen und gar nicht imstande, es überhaupt
ihrer ganzen Natur- und Volksveranlagung nach zu sein." Und vielleicht
darauf vertrauend hat or. Lieber, hat der deutsche Katholizismus zweimal im
Reichstage den Beschluß durchgesetzt, die Jesuiten wieder ins Land zu rufen.
Man meint wohl, der Beschluß habe nichts zu sagen, weil jedermann wisse,
daß der Bundesrat ihn verwerfen werde. Aber wir müssen annehmen, daß
wenigstens das Zentrum den Beschluß ernst meint. Ist es wohl weise, ein
solches Selbstvertrauen zu nähren? Hat der „Pelikan" und seine „Geheimnisse
der Hölle," haben nicht noch andre Vorkommnisse gezeigt, was auch wir
Deutschen an unsinnigen Aberglauben hinunter zu schlingen vermögen, wenn
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