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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^3Z6

eine Kühnheit, die an den bei großen Verbrechern oft bemerkten unwiderstehlichen
Drang erinnert, freiwillig die Gefahr der Entlarvung bis ein die äußerste
Grenze herauszufordern. Aber er kannte seine Leute, setzte seine Antrage durch
und konnte die Verteidigung der von einem Deutschen angezweifelten Miß
Vaughan ruhig ihren italienischen und französischen Verehrern überlassen. In
der Sitzung vom 28. September verlas der Kardinal Haller von Salzburg vor
1500 Getreuen einen von Rom eingegangnen Segen des Papstes, und als im
weitern Verlaufe der Name Taxil genannt wurde, erschollen laute Beifallsrufe,
die Taxil mit dankender Verneigung entgegennahm.

Am 29. September fand eine große Sitzung statt, die der Miß Vaughan
gewidmet war. Zur Ehre des deutscheu Namens scheint in Deutschland der
Zweifel an der Echtheit der Dame und an Taxil nie ganz geschlummert zu
habe". Jetzt waren es vor allen Deutsche, wie der Pater Gruber und Dr. Vcuuu-
gartcn, die offen gegen Taxil und seine Lügen auftraten; aber Taxil wies das
Verlangen nach Aufklärung mit neuen Lügcngeschvssen und der Warnung zurück,
der Aufenthalt der Miß Vaughan dürfe nicht kundgegeben werden, weil der
Dolch der Freimaurer auf sie lauere. Auf Tcixils Antrag wurde die Vanghcm-
frcige einer Kommission übergeben. Der Kongreß erklärte es für zweifellos,
daß die Freimaurerei in moralischen und intellektuellen Beziehungen zum
Satanismus stehe, daß sie die Gottheit Lucifers anerkenne, und daß sie sich
mit der schwarzen Kunst befasse -- wie Taxil es stets gelehrt hatte. Der
Kongreß sprach sich in der vierten Sitzung mit Enthusiasmus für die Miß
und für Taxil aus. Einstimmig nahmen die Teilnehmer folgenden Beschluß
an: "Der Kongreß verlangt, daß die katholischen Frauen den heiligen Stuhl
besonders und dringend ersuchen, die Seligsprechung der Johanna d'Arc, dieser
heiligen Heldin, zu beschleunigen, deren Einfluß bei den Bekehrungen der Frei¬
maurer so groß gewesen ist." Gerade das hatte sich Taxil zur Aufgabe ge¬
stellt, und er hatte auch ein Buch über Johanna in diesem Sinne veröffentlicht.
Die zur Untersuchung der Vaughanfrage ernannte Kommission.erklärte, vom
Papste selbst dazu veranlaßt, keine Beweise für oder gegen das Dasein der
Vaughan und gegen die Echtheit ihrer Schriften gefunden zu haben. Alle
von deutscher Seite (voran nun Pater Gruber) in unsrer katholischen Presse
laut werdenden Warnungen vor "einer heillosen Fülschcrgesellschaft" ("West-
sälisches Volksblatt" vom 31. Oktober 1896) hatten wenig Wirkung auf den
blinden Eifer der Welschen. Noch am 7. Januar 1897 schrieb der Bischof
von Grenoble: "Miß Diana lebt, schreibt, hat ihre erste Kommunion gemacht,
und die Katholiken sind durch Nathan, Findet usw. mhstifizirt worden." Der
Bischof stand in eifriger Korrespondenz mit Diana und schrieb ihr noch im
November 1896 eingehend über das Unheil, das die Freimaurer jetzt eben
über die Welt brächten, wie sie Italien beherrschten, Frankreich unterjochten,
Spanien in den verderblichen Kampf auf Kuba und den Philippinen gestürzt


Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^3Z6

eine Kühnheit, die an den bei großen Verbrechern oft bemerkten unwiderstehlichen
Drang erinnert, freiwillig die Gefahr der Entlarvung bis ein die äußerste
Grenze herauszufordern. Aber er kannte seine Leute, setzte seine Antrage durch
und konnte die Verteidigung der von einem Deutschen angezweifelten Miß
Vaughan ruhig ihren italienischen und französischen Verehrern überlassen. In
der Sitzung vom 28. September verlas der Kardinal Haller von Salzburg vor
1500 Getreuen einen von Rom eingegangnen Segen des Papstes, und als im
weitern Verlaufe der Name Taxil genannt wurde, erschollen laute Beifallsrufe,
die Taxil mit dankender Verneigung entgegennahm.

Am 29. September fand eine große Sitzung statt, die der Miß Vaughan
gewidmet war. Zur Ehre des deutscheu Namens scheint in Deutschland der
Zweifel an der Echtheit der Dame und an Taxil nie ganz geschlummert zu
habe». Jetzt waren es vor allen Deutsche, wie der Pater Gruber und Dr. Vcuuu-
gartcn, die offen gegen Taxil und seine Lügen auftraten; aber Taxil wies das
Verlangen nach Aufklärung mit neuen Lügcngeschvssen und der Warnung zurück,
der Aufenthalt der Miß Vaughan dürfe nicht kundgegeben werden, weil der
Dolch der Freimaurer auf sie lauere. Auf Tcixils Antrag wurde die Vanghcm-
frcige einer Kommission übergeben. Der Kongreß erklärte es für zweifellos,
daß die Freimaurerei in moralischen und intellektuellen Beziehungen zum
Satanismus stehe, daß sie die Gottheit Lucifers anerkenne, und daß sie sich
mit der schwarzen Kunst befasse — wie Taxil es stets gelehrt hatte. Der
Kongreß sprach sich in der vierten Sitzung mit Enthusiasmus für die Miß
und für Taxil aus. Einstimmig nahmen die Teilnehmer folgenden Beschluß
an: „Der Kongreß verlangt, daß die katholischen Frauen den heiligen Stuhl
besonders und dringend ersuchen, die Seligsprechung der Johanna d'Arc, dieser
heiligen Heldin, zu beschleunigen, deren Einfluß bei den Bekehrungen der Frei¬
maurer so groß gewesen ist." Gerade das hatte sich Taxil zur Aufgabe ge¬
stellt, und er hatte auch ein Buch über Johanna in diesem Sinne veröffentlicht.
Die zur Untersuchung der Vaughanfrage ernannte Kommission.erklärte, vom
Papste selbst dazu veranlaßt, keine Beweise für oder gegen das Dasein der
Vaughan und gegen die Echtheit ihrer Schriften gefunden zu haben. Alle
von deutscher Seite (voran nun Pater Gruber) in unsrer katholischen Presse
laut werdenden Warnungen vor „einer heillosen Fülschcrgesellschaft" („West-
sälisches Volksblatt" vom 31. Oktober 1896) hatten wenig Wirkung auf den
blinden Eifer der Welschen. Noch am 7. Januar 1897 schrieb der Bischof
von Grenoble: „Miß Diana lebt, schreibt, hat ihre erste Kommunion gemacht,
und die Katholiken sind durch Nathan, Findet usw. mhstifizirt worden." Der
Bischof stand in eifriger Korrespondenz mit Diana und schrieb ihr noch im
November 1896 eingehend über das Unheil, das die Freimaurer jetzt eben
über die Welt brächten, wie sie Italien beherrschten, Frankreich unterjochten,
Spanien in den verderblichen Kampf auf Kuba und den Philippinen gestürzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/600>, abgerufen am 09.01.2025.