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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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nun an diese Behauptung aus immer neuen nud immer wunderbareren Beispielen
zu beweisen suchten. In einem vierbändigen Werke, die "Drei-Pnnkte-Brüder,"
das französisch in 100000 Exemplaren, dann in die deutsche und in andre
Sprachen übersetzt erschien, wurden die Organisationen, Riten und Geheimnisse
des Ordens, wie sie in der Phantasie Taxils entstanden waren, in aller Breite
dargelegt. Gottlosigkeiten, Gemeinheiten, Niederträchtigkeiten aller Art, Ver¬
brechen und Ränke erfüllten darnach das verborgne Dasein des Ordens, der
"das persönliche Werk Satans, seine Religion, sein Kult sei," und worin Satan
in direkter Verbindung mit den Häuptern des Ordens "bei der geheimnisvollen
Leitung der Freimaurerei wirklich seine Hand im Spiel habe." Das Wert
machte gewaltiges Aufsehen, und der deutsche Übersetzer, der Jesuitenpater Gruber,
wünschte ihm auch in Deutschland eine weite Verbreitung "zu Nutz und
Fromme" des deutschen Volkes." Er wurde auch in seiner Hoffnung nicht
getäuscht, wenn man von dem "Nutz und Frommen" absieht. Ein katholisches
Blatt jubelte: "Wenn von irgend einem Werke, so kann man von dem Werke
Taxils sagen, daß es von der gesamten katholischen Presse Deutschlands,
Österreichs und der Schweiz aufs wärmste in jeder Hinsicht empföhle" ist."
Es folgten dann andre Werke: "Die Geheimnisse der Freimaurerei," "Die frei-
maurerischen Schwestern," "Giebt es Weiber in der Freimaurerei?" -- Bücher,
in denen die Enthüllungen weiter ausgeführt wurden. Unflätige Gebräuche,
alle Arten von Unzucht, rituelle Schändung der Hostie, Königsmord und Verrat
an Volk und Fürst -- kurz was an Verbrechen und Scheußlichkeit zur Hand
war, das alles hatte Taxil bei den Kindern Lucifers erlebt oder von ihnen
erfahren, und je mehr er Glauben fand mit seinen Erzählungen, um so freier
arbeitete seine süvfranzösische Phantasie. Dabei scheute er sich schon nicht mehr,
seine freimnurerischeu scheußlichen Gebräuche und Zeremonien so zu schildern, daß
sie als Nachäffungen und Verhöhnungen katholischer Gebräuche und Zeremonien
erkennbar waren. Bei den katholischen Fanatikern fand er nicht nur begeisterte
Gläubige, sondern auch eine thatkräftige Gefolgschaft, die blindwütig mit den
von ihm dargebotnen Waffen gegen Freimaurerei und Protestantismus los¬
schlug. Man glaubte oder gab vor zu glauben, und Taxil wurde der
Führer in dem durch die päpstliche Bulle von 1884 begonnenen Feldzuge
gegen die Freimaurer. Man konnte freilich leicht wissen und wußte wohl
auch, daß es keine Freimaurerinnen giebt; dennoch wurde ein Buch gern ver¬
breitet, worin Taxil auf 386 Seiten die Zeremonien bei Aufnahme der Frei-
maureriunen und deren Schandthaten schilderte. Man lobte und ehrte es,
wenn Taxil versicherte, die Maurer wendete" sich in ihren Gebeten "un¬
bestreitbar an Lucifer," wenn er solche Gebete anführte, wenn er von dein
l"ciferischen Palladismus, vou dem Mvpsorden mit freier Liebe, dem Ba¬
hamer, dem Bock mit weiblicher Brust, eine", Emblem Satans, und einer
Masse schlüpfrigster, schmutzigster Gebräuche und Vorgänge fabelte, die er den


nun an diese Behauptung aus immer neuen nud immer wunderbareren Beispielen
zu beweisen suchten. In einem vierbändigen Werke, die „Drei-Pnnkte-Brüder,"
das französisch in 100000 Exemplaren, dann in die deutsche und in andre
Sprachen übersetzt erschien, wurden die Organisationen, Riten und Geheimnisse
des Ordens, wie sie in der Phantasie Taxils entstanden waren, in aller Breite
dargelegt. Gottlosigkeiten, Gemeinheiten, Niederträchtigkeiten aller Art, Ver¬
brechen und Ränke erfüllten darnach das verborgne Dasein des Ordens, der
„das persönliche Werk Satans, seine Religion, sein Kult sei," und worin Satan
in direkter Verbindung mit den Häuptern des Ordens „bei der geheimnisvollen
Leitung der Freimaurerei wirklich seine Hand im Spiel habe." Das Wert
machte gewaltiges Aufsehen, und der deutsche Übersetzer, der Jesuitenpater Gruber,
wünschte ihm auch in Deutschland eine weite Verbreitung „zu Nutz und
Fromme» des deutschen Volkes." Er wurde auch in seiner Hoffnung nicht
getäuscht, wenn man von dem „Nutz und Frommen" absieht. Ein katholisches
Blatt jubelte: „Wenn von irgend einem Werke, so kann man von dem Werke
Taxils sagen, daß es von der gesamten katholischen Presse Deutschlands,
Österreichs und der Schweiz aufs wärmste in jeder Hinsicht empföhle» ist."
Es folgten dann andre Werke: „Die Geheimnisse der Freimaurerei," „Die frei-
maurerischen Schwestern," „Giebt es Weiber in der Freimaurerei?" — Bücher,
in denen die Enthüllungen weiter ausgeführt wurden. Unflätige Gebräuche,
alle Arten von Unzucht, rituelle Schändung der Hostie, Königsmord und Verrat
an Volk und Fürst — kurz was an Verbrechen und Scheußlichkeit zur Hand
war, das alles hatte Taxil bei den Kindern Lucifers erlebt oder von ihnen
erfahren, und je mehr er Glauben fand mit seinen Erzählungen, um so freier
arbeitete seine süvfranzösische Phantasie. Dabei scheute er sich schon nicht mehr,
seine freimnurerischeu scheußlichen Gebräuche und Zeremonien so zu schildern, daß
sie als Nachäffungen und Verhöhnungen katholischer Gebräuche und Zeremonien
erkennbar waren. Bei den katholischen Fanatikern fand er nicht nur begeisterte
Gläubige, sondern auch eine thatkräftige Gefolgschaft, die blindwütig mit den
von ihm dargebotnen Waffen gegen Freimaurerei und Protestantismus los¬
schlug. Man glaubte oder gab vor zu glauben, und Taxil wurde der
Führer in dem durch die päpstliche Bulle von 1884 begonnenen Feldzuge
gegen die Freimaurer. Man konnte freilich leicht wissen und wußte wohl
auch, daß es keine Freimaurerinnen giebt; dennoch wurde ein Buch gern ver¬
breitet, worin Taxil auf 386 Seiten die Zeremonien bei Aufnahme der Frei-
maureriunen und deren Schandthaten schilderte. Man lobte und ehrte es,
wenn Taxil versicherte, die Maurer wendete» sich in ihren Gebeten „un¬
bestreitbar an Lucifer," wenn er solche Gebete anführte, wenn er von dein
l»ciferischen Palladismus, vou dem Mvpsorden mit freier Liebe, dem Ba¬
hamer, dem Bock mit weiblicher Brust, eine», Emblem Satans, und einer
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/594>, abgerufen am 08.01.2025.