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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Leo Taxil und der Aougres; von Trient im Jahre ^8^6

von allen kirchlichen Zensuren, dann folgten Beichte und Kommunion Ende 1885,
Taxil war ein Paulus geworden.

Er begann nun sofort seine neue schriftstellerische Arbeit. Zunächst ver¬
öffentlichte er "Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers/' und zugleich begann
er die Herausgabe eiues vielbändigen Werkes unter dem Titel: "Vollständige
Enthüllungen über die Freimaurerei." Beide Werke erschienen in Paris und
bildeten die Grundlage zu dem nun zwölf Jahre lang andauernden Kampf
gegen die Freimaurer, in dem Taxil allmählich zum anerkannten Feldherrn
der römischen Kirche und fast wie ein Prophet und Heiliger verehrt ward.
Der Kampf war von Leo XIII. in jenem Rundschreiben vom 20. April 1884
begonnen worden. Der katholischen Welt war darin eröffnet worden, daß das
Menschengeschlecht in zwei feindliche Lager geteilt sei, das Reich Gottes auf
Erden, verkörpert in der römischen Kirche, und das Reich des Satans. In
dem Reiche des Satans sei im Laufe von anderthalb Jahrhunderten die Sekte
der Freimaurer zu großer Macht gelangt und gehe jetzt darauf aus, die katho¬
lische Kirche zu vertilgen. Gegen diese im Finstern schleichende Sekte wurde
die Menge der Gläubigen aufgerufen, die Bischöfe wurden aufgefordert, mit
Exkommunikation aller Freimaurer, mit Einberufung von Kongressen und
sonstigen Mitteln der Kirche den Kampf gegen die Freimaurer zu führen; und
in diesem Kampfe beschloß der bisherige litterarische Freibeuter und das Hnnpt
des Bundes der gottlosen französischen Freidenker eine Rolle zu spielen. Er
stellte sich in den Dienst der Kirche, aber mit dem Ziele, sie zu Thorheiten
zu treiben, die sie zuletzt vor aller Welt bloßstellen mußten. Er kämpfte auf
der Seite Roms in verräterischer Weise gegen Rom. Er benutzte dazu Waffen,
die er in dein uralten Arsenal des Papsttums in vollkommenster Form vorfand,
nämlich Heuchelei und Aberglauben, und es zeigte sich, daß diese Waffen gleich
gut gegen Rom gebraucht werden konnten, wie sie von jeher für und von Rom
gebraucht wordeu waren.

Gleich in seinen "Bekenntnissen" versuchte er die wunderbarsten Ent¬
hüllungen zu macheu. Nach seiner Darstellung lehren die Freimaurer, der
Gott der Katholiken sei nur ein böses Prinzip, ein heimtückischer, eifersüchtiger,
grausamer Genius, ein überirdischer Tyrann, der Todfeind der menschlichen
Wohlfahrt. Sein Widerpart dagegen, Lucifer, sei den Freimaurern der gute
Genius, das weise und tugendhafte Prinzip, der Geist der Freiheit, der wahre
Gott. Daher werde Lucifer auch in den Hochlogen als der große Welteu-
baumeister und als höchstes Wesen verehrt. Die Freimaurerei sei also wesentlich
Tenfelskult.

Nun hat zwar schon Pius IX. in einem Rundschreiben vom Jahre 187Z
von den Freimaurern gesagt, aus ihnen gehe die Synagoge des Satans hervor;
aber die Enthüllungen Taxils gingen doch über solche allgemeine Reden hinaus,
indem sie einen klaren Teufelskult bei den Freimaurern behaupteten und von


Leo Taxil und der Aougres; von Trient im Jahre ^8^6

von allen kirchlichen Zensuren, dann folgten Beichte und Kommunion Ende 1885,
Taxil war ein Paulus geworden.

Er begann nun sofort seine neue schriftstellerische Arbeit. Zunächst ver¬
öffentlichte er „Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers/' und zugleich begann
er die Herausgabe eiues vielbändigen Werkes unter dem Titel: „Vollständige
Enthüllungen über die Freimaurerei." Beide Werke erschienen in Paris und
bildeten die Grundlage zu dem nun zwölf Jahre lang andauernden Kampf
gegen die Freimaurer, in dem Taxil allmählich zum anerkannten Feldherrn
der römischen Kirche und fast wie ein Prophet und Heiliger verehrt ward.
Der Kampf war von Leo XIII. in jenem Rundschreiben vom 20. April 1884
begonnen worden. Der katholischen Welt war darin eröffnet worden, daß das
Menschengeschlecht in zwei feindliche Lager geteilt sei, das Reich Gottes auf
Erden, verkörpert in der römischen Kirche, und das Reich des Satans. In
dem Reiche des Satans sei im Laufe von anderthalb Jahrhunderten die Sekte
der Freimaurer zu großer Macht gelangt und gehe jetzt darauf aus, die katho¬
lische Kirche zu vertilgen. Gegen diese im Finstern schleichende Sekte wurde
die Menge der Gläubigen aufgerufen, die Bischöfe wurden aufgefordert, mit
Exkommunikation aller Freimaurer, mit Einberufung von Kongressen und
sonstigen Mitteln der Kirche den Kampf gegen die Freimaurer zu führen; und
in diesem Kampfe beschloß der bisherige litterarische Freibeuter und das Hnnpt
des Bundes der gottlosen französischen Freidenker eine Rolle zu spielen. Er
stellte sich in den Dienst der Kirche, aber mit dem Ziele, sie zu Thorheiten
zu treiben, die sie zuletzt vor aller Welt bloßstellen mußten. Er kämpfte auf
der Seite Roms in verräterischer Weise gegen Rom. Er benutzte dazu Waffen,
die er in dein uralten Arsenal des Papsttums in vollkommenster Form vorfand,
nämlich Heuchelei und Aberglauben, und es zeigte sich, daß diese Waffen gleich
gut gegen Rom gebraucht werden konnten, wie sie von jeher für und von Rom
gebraucht wordeu waren.

Gleich in seinen „Bekenntnissen" versuchte er die wunderbarsten Ent¬
hüllungen zu macheu. Nach seiner Darstellung lehren die Freimaurer, der
Gott der Katholiken sei nur ein böses Prinzip, ein heimtückischer, eifersüchtiger,
grausamer Genius, ein überirdischer Tyrann, der Todfeind der menschlichen
Wohlfahrt. Sein Widerpart dagegen, Lucifer, sei den Freimaurern der gute
Genius, das weise und tugendhafte Prinzip, der Geist der Freiheit, der wahre
Gott. Daher werde Lucifer auch in den Hochlogen als der große Welteu-
baumeister und als höchstes Wesen verehrt. Die Freimaurerei sei also wesentlich
Tenfelskult.

Nun hat zwar schon Pius IX. in einem Rundschreiben vom Jahre 187Z
von den Freimaurern gesagt, aus ihnen gehe die Synagoge des Satans hervor;
aber die Enthüllungen Taxils gingen doch über solche allgemeine Reden hinaus,
indem sie einen klaren Teufelskult bei den Freimaurern behaupteten und von


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[0593] Leo Taxil und der Aougres; von Trient im Jahre ^8^6 von allen kirchlichen Zensuren, dann folgten Beichte und Kommunion Ende 1885, Taxil war ein Paulus geworden. Er begann nun sofort seine neue schriftstellerische Arbeit. Zunächst ver¬ öffentlichte er „Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers/' und zugleich begann er die Herausgabe eiues vielbändigen Werkes unter dem Titel: „Vollständige Enthüllungen über die Freimaurerei." Beide Werke erschienen in Paris und bildeten die Grundlage zu dem nun zwölf Jahre lang andauernden Kampf gegen die Freimaurer, in dem Taxil allmählich zum anerkannten Feldherrn der römischen Kirche und fast wie ein Prophet und Heiliger verehrt ward. Der Kampf war von Leo XIII. in jenem Rundschreiben vom 20. April 1884 begonnen worden. Der katholischen Welt war darin eröffnet worden, daß das Menschengeschlecht in zwei feindliche Lager geteilt sei, das Reich Gottes auf Erden, verkörpert in der römischen Kirche, und das Reich des Satans. In dem Reiche des Satans sei im Laufe von anderthalb Jahrhunderten die Sekte der Freimaurer zu großer Macht gelangt und gehe jetzt darauf aus, die katho¬ lische Kirche zu vertilgen. Gegen diese im Finstern schleichende Sekte wurde die Menge der Gläubigen aufgerufen, die Bischöfe wurden aufgefordert, mit Exkommunikation aller Freimaurer, mit Einberufung von Kongressen und sonstigen Mitteln der Kirche den Kampf gegen die Freimaurer zu führen; und in diesem Kampfe beschloß der bisherige litterarische Freibeuter und das Hnnpt des Bundes der gottlosen französischen Freidenker eine Rolle zu spielen. Er stellte sich in den Dienst der Kirche, aber mit dem Ziele, sie zu Thorheiten zu treiben, die sie zuletzt vor aller Welt bloßstellen mußten. Er kämpfte auf der Seite Roms in verräterischer Weise gegen Rom. Er benutzte dazu Waffen, die er in dein uralten Arsenal des Papsttums in vollkommenster Form vorfand, nämlich Heuchelei und Aberglauben, und es zeigte sich, daß diese Waffen gleich gut gegen Rom gebraucht werden konnten, wie sie von jeher für und von Rom gebraucht wordeu waren. Gleich in seinen „Bekenntnissen" versuchte er die wunderbarsten Ent¬ hüllungen zu macheu. Nach seiner Darstellung lehren die Freimaurer, der Gott der Katholiken sei nur ein böses Prinzip, ein heimtückischer, eifersüchtiger, grausamer Genius, ein überirdischer Tyrann, der Todfeind der menschlichen Wohlfahrt. Sein Widerpart dagegen, Lucifer, sei den Freimaurern der gute Genius, das weise und tugendhafte Prinzip, der Geist der Freiheit, der wahre Gott. Daher werde Lucifer auch in den Hochlogen als der große Welteu- baumeister und als höchstes Wesen verehrt. Die Freimaurerei sei also wesentlich Tenfelskult. Nun hat zwar schon Pius IX. in einem Rundschreiben vom Jahre 187Z von den Freimaurern gesagt, aus ihnen gehe die Synagoge des Satans hervor; aber die Enthüllungen Taxils gingen doch über solche allgemeine Reden hinaus, indem sie einen klaren Teufelskult bei den Freimaurern behaupteten und von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/593>, abgerufen am 07.01.2025.