Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene trüge sie da drinnen unter dem Busen ein Rätsel verborgen, als spüre sie ein Da kam der Kleine mit geschnittne.n Futter die Treppe herauf. Madlene Vor dem Wirtshaus, gegenüber dem Müsershans, wollte sich eben em Arzt Madlene war mit ihren abendlichen Hausarbeiten so weit fertig daß s,e nnr Sie hatte den Tisch gedeckt und angerichtet, setzte sich aber anstatt an de Der Große webte bei seinem gelbe.. Talglicht nach den. Abendessen fleißig Grenzboten I 18S8
Madlene trüge sie da drinnen unter dem Busen ein Rätsel verborgen, als spüre sie ein Da kam der Kleine mit geschnittne.n Futter die Treppe herauf. Madlene Vor dem Wirtshaus, gegenüber dem Müsershans, wollte sich eben em Arzt Madlene war mit ihren abendlichen Hausarbeiten so weit fertig daß s,e nnr Sie hatte den Tisch gedeckt und angerichtet, setzte sich aber anstatt an de Der Große webte bei seinem gelbe.. Talglicht nach den. Abendessen fleißig Grenzboten I 18S8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226959"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_148" prev="#ID_147"> trüge sie da drinnen unter dem Busen ein Rätsel verborgen, als spüre sie ein<lb/> Weh, ein stilles Sehnen, an dem sie wohl gar noch sterben werde; aber sagen<lb/> konnte sie nicht, was es war. Und wenn ihr Gedanken an den Frieder gekommen,<lb/> waren, waren sie stets von ihr gebannt worden. Kein Licht durfte dahinein fallen<lb/> in dieses Geheimnis; das mußte dunkel bewahrt bleiben, sogar vor ihr selbst. So<lb/> blieb ihre Seele gefangen im Traum und trug geduldig ihr Leid bis zu dieser<lb/> Stunde. Dn waren Fesseln gesprengt worden in diesem keuschen Leib; ein Gewitter¬<lb/> leuchten hatte sein Inneres durchzuckt und das Traumwesen vernichtet. Das Ge¬<lb/> heimnis war von blendendem Licht verschlungen worden. Eine übermenschliche<lb/> Macht hatte den schönen Bau erfüllt und Gehirn und Herz zur Vermählung hinein¬<lb/> gerissen in deu heiligen Strom des Opfermuth. Für jedes andre Wesen wäre die<lb/> dem verunglückten Frieder gewährte Hilfeleistung eine selbstverständliche, dem Menschen<lb/> natürliche That oder Erfüllung der Christenpflicht gewesen: für Madlene war sie<lb/> der Bruch mit dem Leben — zur Wiedergeburt, ward sie zur selbstverleuguenden<lb/> Heldenthat, deren Preis Gewinnung des Ewiggeliebten für die Ewigkeit ist, der<lb/> Anfang eines neuen Lebens, das in den Himmel ragt. So, war Madlene durch<lb/> die That dieser Stunde zum Weib gereift: sie hatte die Schmerzen und die Wonne¬<lb/> schauer der Gebärenden empfunden. Die That lag dahinten; die Geburt hatte<lb/> sich vollzogen. Ein neuer Mensch saß da. Vor einer halben Stande war die<lb/> Jungfrau über die Schwelle geschritten: ein Weib war wieder gekommen. Nun<lb/> weiß Madlene gewiß, daß sie'dem Frieder mit Leib und Seele gehört, ganz und<lb/> fest, und nimmermehr von ihm lassen kann. Und sie wills ihm sagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Da kam der Kleine mit geschnittne.n Futter die Treppe herauf. Madlene<lb/> richtete sich auf. — Bist schou wieder da aus der Musk? — Bin nit in die<lb/> Musk komm». Dein Kleinen fiel der Umstand auf, mehr aber noch der Ton,<lb/> in dem die Schwester geantwortet hatte. Hätte er in ihrem Gesicht lesen können,<lb/> so würde er weiter gefragt haben. Da dies aber in der Dunkelheit unmöglich<lb/> war, so ließ er alles Auffällige bei sich bewenden und sagte: Kannst gleich melken,<lb/> Madlene. Sie folgte ihm. ^ .</p><lb/> <p xml:id="ID_150"> Vor dem Wirtshaus, gegenüber dem Müsershans, wollte sich eben em Arzt<lb/> ans dem nahen Städtchen zur Abfahrt in seinen Schlitten sehen, als der Bruder<lb/> des Nöders-Frieder in großer Eile an ihn heran kam. Nach kurzem Zwiegespräch<lb/> Ueß der Arzt sein Pferd wieder einstellen und folgte dem Boten.</p><lb/> <p xml:id="ID_151"> Madlene war mit ihren abendlichen Hausarbeiten so weit fertig daß s,e nnr<lb/> "°es Wasser zu holen hatte. Nach den. Wasserten f°l^essen. Auf dem Wege zum Brunnen begegnete ihr die Nachbarin und voller But e<lb/> -ab grüßte: Willst auch Wasser hole.,? - Weißes schon? Der Roders-Fr.eder<lb/> hat ein Bein gebrochen. - Ja! sagte Madlene und ging weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_152"> Sie hatte den Tisch gedeckt und angerichtet, setzte sich aber anstatt an de<lb/> Tisch, an den Ofen wischen Blase und Südgelte. Die Bruder begannen zu<lb/> essen, und der Kleine fragte: Madlene. willst du denn me eß? - ^»n -<lb/> Da schmeckte es dem Großen nicht ...ehr; den., er meinte es habe d:e Schwester<lb/> verdrossen, daß er sie vor ihrem Mühlgang wegen ihrer Freiern ..S^ter Yatte^Er wa te es ber nicht, einen Ausgleich zu versuchen; denn er ha te hinsichtlich<lb/> der Seiltänzerei keine ^guten Briefe und fürchtete, wß ihm die Schund<lb/> Holzäpfel zwverfen konnte. Als der Kleine die Silbe gebrüht hatte, ging er<lb/> co wenig „Spill" in die Nachbarschaft. ^</p><lb/> <p xml:id="ID_153" next="#ID_154"> Der Große webte bei seinem gelbe.. Talglicht nach den. Abendessen fleißig<lb/> an seinem Drillich, sang aber heute »icht. Dafür griff er öfter als gewohnlich nach</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 18S8</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Madlene
trüge sie da drinnen unter dem Busen ein Rätsel verborgen, als spüre sie ein
Weh, ein stilles Sehnen, an dem sie wohl gar noch sterben werde; aber sagen
konnte sie nicht, was es war. Und wenn ihr Gedanken an den Frieder gekommen,
waren, waren sie stets von ihr gebannt worden. Kein Licht durfte dahinein fallen
in dieses Geheimnis; das mußte dunkel bewahrt bleiben, sogar vor ihr selbst. So
blieb ihre Seele gefangen im Traum und trug geduldig ihr Leid bis zu dieser
Stunde. Dn waren Fesseln gesprengt worden in diesem keuschen Leib; ein Gewitter¬
leuchten hatte sein Inneres durchzuckt und das Traumwesen vernichtet. Das Ge¬
heimnis war von blendendem Licht verschlungen worden. Eine übermenschliche
Macht hatte den schönen Bau erfüllt und Gehirn und Herz zur Vermählung hinein¬
gerissen in deu heiligen Strom des Opfermuth. Für jedes andre Wesen wäre die
dem verunglückten Frieder gewährte Hilfeleistung eine selbstverständliche, dem Menschen
natürliche That oder Erfüllung der Christenpflicht gewesen: für Madlene war sie
der Bruch mit dem Leben — zur Wiedergeburt, ward sie zur selbstverleuguenden
Heldenthat, deren Preis Gewinnung des Ewiggeliebten für die Ewigkeit ist, der
Anfang eines neuen Lebens, das in den Himmel ragt. So, war Madlene durch
die That dieser Stunde zum Weib gereift: sie hatte die Schmerzen und die Wonne¬
schauer der Gebärenden empfunden. Die That lag dahinten; die Geburt hatte
sich vollzogen. Ein neuer Mensch saß da. Vor einer halben Stande war die
Jungfrau über die Schwelle geschritten: ein Weib war wieder gekommen. Nun
weiß Madlene gewiß, daß sie'dem Frieder mit Leib und Seele gehört, ganz und
fest, und nimmermehr von ihm lassen kann. Und sie wills ihm sagen.
Da kam der Kleine mit geschnittne.n Futter die Treppe herauf. Madlene
richtete sich auf. — Bist schou wieder da aus der Musk? — Bin nit in die
Musk komm». Dein Kleinen fiel der Umstand auf, mehr aber noch der Ton,
in dem die Schwester geantwortet hatte. Hätte er in ihrem Gesicht lesen können,
so würde er weiter gefragt haben. Da dies aber in der Dunkelheit unmöglich
war, so ließ er alles Auffällige bei sich bewenden und sagte: Kannst gleich melken,
Madlene. Sie folgte ihm. ^ .
Vor dem Wirtshaus, gegenüber dem Müsershans, wollte sich eben em Arzt
ans dem nahen Städtchen zur Abfahrt in seinen Schlitten sehen, als der Bruder
des Nöders-Frieder in großer Eile an ihn heran kam. Nach kurzem Zwiegespräch
Ueß der Arzt sein Pferd wieder einstellen und folgte dem Boten.
Madlene war mit ihren abendlichen Hausarbeiten so weit fertig daß s,e nnr
"°es Wasser zu holen hatte. Nach den. Wasserten f°l^essen. Auf dem Wege zum Brunnen begegnete ihr die Nachbarin und voller But e
-ab grüßte: Willst auch Wasser hole.,? - Weißes schon? Der Roders-Fr.eder
hat ein Bein gebrochen. - Ja! sagte Madlene und ging weiter.
Sie hatte den Tisch gedeckt und angerichtet, setzte sich aber anstatt an de
Tisch, an den Ofen wischen Blase und Südgelte. Die Bruder begannen zu
essen, und der Kleine fragte: Madlene. willst du denn me eß? - ^»n -
Da schmeckte es dem Großen nicht ...ehr; den., er meinte es habe d:e Schwester
verdrossen, daß er sie vor ihrem Mühlgang wegen ihrer Freiern ..S^ter Yatte^Er wa te es ber nicht, einen Ausgleich zu versuchen; denn er ha te hinsichtlich
der Seiltänzerei keine ^guten Briefe und fürchtete, wß ihm die Schund
Holzäpfel zwverfen konnte. Als der Kleine die Silbe gebrüht hatte, ging er
co wenig „Spill" in die Nachbarschaft. ^
Der Große webte bei seinem gelbe.. Talglicht nach den. Abendessen fleißig
an seinem Drillich, sang aber heute »icht. Dafür griff er öfter als gewohnlich nach
Grenzboten I 18S8
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