Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene hul der Frieder das "Jawort" geholt, und vor Weihnachten noch soll die Hochzig Eine bedeutungsvolle Bilderreihe zieht durch die bräutliche Seele: das Mittags¬ Es ist Zeit, den Kleinen zu wecken zum Viehfüttern, das Wirtschaftsfeuer im Was der Kleine hinter den Ohren hatte, hat sich ihm vollständig aufs Herz Der Große steht am Fenster auf der Lauer. Er fährt plötzlich herum. Sie Es kommen nämlich die Musikanten, einen lustigen Marsch blasend, anmarschiert. Die Musik kommt mit den beiden ersten Paaren am Müsershaus nu: der Madlene hul der Frieder das „Jawort" geholt, und vor Weihnachten noch soll die Hochzig Eine bedeutungsvolle Bilderreihe zieht durch die bräutliche Seele: das Mittags¬ Es ist Zeit, den Kleinen zu wecken zum Viehfüttern, das Wirtschaftsfeuer im Was der Kleine hinter den Ohren hatte, hat sich ihm vollständig aufs Herz Der Große steht am Fenster auf der Lauer. Er fährt plötzlich herum. Sie Es kommen nämlich die Musikanten, einen lustigen Marsch blasend, anmarschiert. Die Musik kommt mit den beiden ersten Paaren am Müsershaus nu: der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227464"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_2006" prev="#ID_2005"> hul der Frieder das „Jawort" geholt, und vor Weihnachten noch soll die Hochzig<lb/> sein. „Der Tag" ist gekommen, und auf dem Antlitz der Madlene steht die Ver¬<lb/> kündigung geschrieben und leuchtet durch das offne Fenster hinein in die Welt: Der<lb/> Frieder ist mein! O, ist das ein feierlicher Morgen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2007"> Eine bedeutungsvolle Bilderreihe zieht durch die bräutliche Seele: das Mittags¬<lb/> mahl auf der verrasten Meilerstätte, die Pfingstmnien, das kitzelnde Grnshälmlein<lb/> unter der Nase des Frieder, der Pfiugsttauz, der Heimgang aus der Brattendörfcr<lb/> Schmiede, lange Leidjahre, die Hilfeleistung beim Beinbruch, die Aufstellung des<lb/> Birro und die Kassenübcrführnng, das Orakel des Einsiedler Schmiedes, die Er¬<lb/> fahrung auf dem Sichelmarkt, die Abweisung des Türkendresen, das glückliche Zu¬<lb/> sammentreffen auf dem Mühlweg — das eggertse Auge richtet sich empor zum<lb/> Himmel, und die gefalteten Hände heben sich. Aus der Tiefe der Madlenenseele<lb/> ringt sich ein Seufzer hervor und mischt sich in den letzten Akkord des Mvrgeu-<lb/> segens. Der Brunnen und die Schwarzwälderin werden nicht mehr übertönt; aber<lb/> der Fritz wetzt seine Schnurren schmeichelnd an den Fußknöcheln seiner Freundin,<lb/> deren Seufzer ihn angezogen hat. Leise, mit einer von Glückseligkeit gesättigten<lb/> Melodie dringt es über Madlcneus Lippen hervor: Ach, du lieber Gott!</p><lb/> <p xml:id="ID_2008"> Es ist Zeit, den Kleinen zu wecken zum Viehfüttern, das Wirtschaftsfeuer im<lb/> alten grünen .Kachelofen nnznschüreu, die Milch abzurahmen, dem längst muntern<lb/> Hühnervolk sei» Futter zu bringen und die Melkgeräte bereit zu halten. Madlene<lb/> beginnt ihr Morgenwerk. — Das Guten Morgen! des Kleinen, die Miene des<lb/> alten Ofens und der Milchtöpfe, das Gackern der Hühner, das Klappern des<lb/> Melkgerätes: alles anders als sonst, freundlicher, feierlich! Eine Braut im Haus,<lb/> eine Braut im Haus! Auf dem obersten Boden wirft der Hausgeist seine Zipfel¬<lb/> mütze in die Höh und lacht zum Bodenloch hinaus: Eine Braut im Haus! O, ist<lb/> das ein feierlicher Morgen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2009"> Was der Kleine hinter den Ohren hatte, hat sich ihm vollständig aufs Herz<lb/> gelegt. Wies aber so manchen giebt, der nicht am Herzdrücken stirbt, so war in<lb/> dieser Hinsicht auch für den Kleinen jede Gefahr ausgeschlossen, obwohl bei ihm in.<lb/> den letzten Tagen, vielmehr Nächten, das Herzdrücken stark repetirte. Dem DöhlerS-<lb/> kätterle hat sichs auch aufs Herz gelegt. Aber auch ihr scheint das Herzdrücken<lb/> ungefährlich zubleiben; im Gegenteil: das Kätterle schwärzt und strahlt, als befinde<lb/> es sich äußerst wohl. Eben wird ihr der Blotzjnngfernkranz im vollen, gelben<lb/> Haar festgestellt. Halskragen, rotes Halstuch, grünseidne Schürze nud blüten-<lb/> weiße Strümpfe erzählen von Jngeudruuduug und Lebensfrische. Und im Müsers-<lb/> hans steht wahrhaftig der Kleine uni Spiegel und schlingt unter dein Kinn die<lb/> Zipfel eines nagelneuen seidnen Tuches zu eine», kunstvollen Knoten, während<lb/> Madlene einen Strauß ans Rosmarin nud Muskatblättlein am linken Brustflügel<lb/> seines „Motzens" festnäht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2010"> Der Große steht am Fenster auf der Lauer. Er fährt plötzlich herum. Sie<lb/> kommen! sagt er.</p><lb/> <p xml:id="ID_2011"> Es kommen nämlich die Musikanten, einen lustigen Marsch blasend, anmarschiert.<lb/> Sie blase» die Blotzpaare zusammen zum Kirchgang. Die Reihenfolge bestimmt<lb/> sich nach dem Alter der Burschen. Der Älteste mit seiner Jungfer sind das eigent¬<lb/> liche Blvtzpaar, das also an der Spitze geht und in allen Stücken den Vortritt,<lb/> gewisse Ehrenbezeugungen entgegenzunehmen, aber sich anch eine gewisse Verant¬<lb/> wortlichkeit gefallen zu lassen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2012" next="#ID_2013"> Die Musik kommt mit den beiden ersten Paaren am Müsershaus nu: der<lb/> Kleine wird mit dem Döhlerskätterle das dritte Paar werden. Der Marsch bricht<lb/> ab, und ein Tanz beginnt und wird so lange gespielt, bis der Tänzer sich dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
Madlene
hul der Frieder das „Jawort" geholt, und vor Weihnachten noch soll die Hochzig
sein. „Der Tag" ist gekommen, und auf dem Antlitz der Madlene steht die Ver¬
kündigung geschrieben und leuchtet durch das offne Fenster hinein in die Welt: Der
Frieder ist mein! O, ist das ein feierlicher Morgen!
Eine bedeutungsvolle Bilderreihe zieht durch die bräutliche Seele: das Mittags¬
mahl auf der verrasten Meilerstätte, die Pfingstmnien, das kitzelnde Grnshälmlein
unter der Nase des Frieder, der Pfiugsttauz, der Heimgang aus der Brattendörfcr
Schmiede, lange Leidjahre, die Hilfeleistung beim Beinbruch, die Aufstellung des
Birro und die Kassenübcrführnng, das Orakel des Einsiedler Schmiedes, die Er¬
fahrung auf dem Sichelmarkt, die Abweisung des Türkendresen, das glückliche Zu¬
sammentreffen auf dem Mühlweg — das eggertse Auge richtet sich empor zum
Himmel, und die gefalteten Hände heben sich. Aus der Tiefe der Madlenenseele
ringt sich ein Seufzer hervor und mischt sich in den letzten Akkord des Mvrgeu-
segens. Der Brunnen und die Schwarzwälderin werden nicht mehr übertönt; aber
der Fritz wetzt seine Schnurren schmeichelnd an den Fußknöcheln seiner Freundin,
deren Seufzer ihn angezogen hat. Leise, mit einer von Glückseligkeit gesättigten
Melodie dringt es über Madlcneus Lippen hervor: Ach, du lieber Gott!
Es ist Zeit, den Kleinen zu wecken zum Viehfüttern, das Wirtschaftsfeuer im
alten grünen .Kachelofen nnznschüreu, die Milch abzurahmen, dem längst muntern
Hühnervolk sei» Futter zu bringen und die Melkgeräte bereit zu halten. Madlene
beginnt ihr Morgenwerk. — Das Guten Morgen! des Kleinen, die Miene des
alten Ofens und der Milchtöpfe, das Gackern der Hühner, das Klappern des
Melkgerätes: alles anders als sonst, freundlicher, feierlich! Eine Braut im Haus,
eine Braut im Haus! Auf dem obersten Boden wirft der Hausgeist seine Zipfel¬
mütze in die Höh und lacht zum Bodenloch hinaus: Eine Braut im Haus! O, ist
das ein feierlicher Morgen!
Was der Kleine hinter den Ohren hatte, hat sich ihm vollständig aufs Herz
gelegt. Wies aber so manchen giebt, der nicht am Herzdrücken stirbt, so war in
dieser Hinsicht auch für den Kleinen jede Gefahr ausgeschlossen, obwohl bei ihm in.
den letzten Tagen, vielmehr Nächten, das Herzdrücken stark repetirte. Dem DöhlerS-
kätterle hat sichs auch aufs Herz gelegt. Aber auch ihr scheint das Herzdrücken
ungefährlich zubleiben; im Gegenteil: das Kätterle schwärzt und strahlt, als befinde
es sich äußerst wohl. Eben wird ihr der Blotzjnngfernkranz im vollen, gelben
Haar festgestellt. Halskragen, rotes Halstuch, grünseidne Schürze nud blüten-
weiße Strümpfe erzählen von Jngeudruuduug und Lebensfrische. Und im Müsers-
hans steht wahrhaftig der Kleine uni Spiegel und schlingt unter dein Kinn die
Zipfel eines nagelneuen seidnen Tuches zu eine», kunstvollen Knoten, während
Madlene einen Strauß ans Rosmarin nud Muskatblättlein am linken Brustflügel
seines „Motzens" festnäht.
Der Große steht am Fenster auf der Lauer. Er fährt plötzlich herum. Sie
kommen! sagt er.
Es kommen nämlich die Musikanten, einen lustigen Marsch blasend, anmarschiert.
Sie blase» die Blotzpaare zusammen zum Kirchgang. Die Reihenfolge bestimmt
sich nach dem Alter der Burschen. Der Älteste mit seiner Jungfer sind das eigent¬
liche Blvtzpaar, das also an der Spitze geht und in allen Stücken den Vortritt,
gewisse Ehrenbezeugungen entgegenzunehmen, aber sich anch eine gewisse Verant¬
wortlichkeit gefallen zu lassen hat.
Die Musik kommt mit den beiden ersten Paaren am Müsershaus nu: der
Kleine wird mit dem Döhlerskätterle das dritte Paar werden. Der Marsch bricht
ab, und ein Tanz beginnt und wird so lange gespielt, bis der Tänzer sich dem
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