Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Das Wirtshausleben in Italien schänken durch Anbringung von Zweigen oder weißen Papierdüten angedeutet, Von Terracina ab beginnt nach Süden zu ein, wenn ich so sagen soll, Auf Sizilien genießt die Shrakusaner Gegend einen besonders guten Ruf Das Wirtshausleben in Italien schänken durch Anbringung von Zweigen oder weißen Papierdüten angedeutet, Von Terracina ab beginnt nach Süden zu ein, wenn ich so sagen soll, Auf Sizilien genießt die Shrakusaner Gegend einen besonders guten Ruf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227461"/> <fw type="header" place="top"> Das Wirtshausleben in Italien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1995" prev="#ID_1994"> schänken durch Anbringung von Zweigen oder weißen Papierdüten angedeutet,<lb/> ob es in ihnen Rot- oder Weißwein gäbe; die Zahl der Tuten und Zweige<lb/> sagte den Preis an. An unsrer kleinen Osterie z. B. hingen zwei Tuten, das<lb/> hieß: hier giebt es Weißwein, das halbe Liter für vier Soldi, — Sehr über¬<lb/> raschend sür uns ist der Brauch, daß man einen Fiasco oder eine Karaffe<lb/> nicht zu leeren braucht. Man genießt nach Belieben und berechnet dann<lb/> schätzungsweise den Betrag des getrunkuen Weines.</p><lb/> <p xml:id="ID_1996"> Von Terracina ab beginnt nach Süden zu ein, wenn ich so sagen soll,<lb/> südlicherer Wein, der für uns bei weitem nicht so sympathisch ist wie der<lb/> Römische und der Florentiner. In Neapel und Umgegend trinkt man vor¬<lb/> zugsweise Weine vom Posilipp, von Capri, Ischia und Calabrien. Mit den<lb/> weltberühmten Laerimae Christi, die am Abhang des Vesuvs wachsen, wird<lb/> selbstverständlich viel Schwindel getrieben; doch habe ich das Glück gehabt,<lb/> sie durch besondre Umstände rein und in erster Güte (das ganze Liter für<lb/> eine halbe Lira) in Hereulanum zu erhalten; das war in' der That ein<lb/> Göttertrank!</p><lb/> <p xml:id="ID_1997"> Auf Sizilien genießt die Shrakusaner Gegend einen besonders guten Ruf<lb/> wegen ihrer Weine. Eine Weltbedeutung aber haben die großen Weiufabrilen<lb/> in Marsala. Die wichtigsten von ihnen sind die von Jnghcim, Florio (die<lb/> größte) und Woodhouse (gegründet 1773), die neben einander in der Nähe des<lb/> Hafens liegen, und von denen eine immer langweiliger aussieht als die andre —<lb/> langgestreckte, weißgetünchte, fensterlose Häuser. Ungeheure Mengen von Wein<lb/> werden hier verarbeitet. Damit er versandfähig wird, erhält er einen Zusatz<lb/> von Sprit. Früher wurde hierzu ostdeutscher Kartoffelsprit genommen; da<lb/> dieser aber nenerdings durch Zollerhvhungen zu teuer geworden ist, so stellt<lb/> man sich seit mehreren Jahren selbst einen Weinsprit her, der selbstverständlich<lb/> noch bessere Dienste thut. Das Verhältnis der Mischung ist etwa so, daß<lb/> mau auf das Hauptverkaufsmaß, die Pippa, die ungefähr 400 Liter enthält,<lb/> 6 Liter Sprit rechnet. Aller drei Monate muß der Wem kräftig geschüttelt<lb/> werdeu. Aufbewahrt wird er nicht in Kellern, sondern in mächtigen, großen<lb/> hallenartigen Schuppen oberhalb der Erde. Neben dem erfreulichen Anblick,<lb/> den die dort lagernden Massen gewähren, fesseln beim Besuche der Fabriken<lb/> vornehmlich die trefflichen, maschinenmäßig betriebuen und sehr wesentlichen<lb/> Reiuigungs- und Spülvorrichtungen für die Gefäße. Der zum Verkauf ge¬<lb/> langende Wein ist nicht unter drei Jahren alt, in der Regel zählt er fünf bis<lb/> acht Jahre. Älterer Wein wird sehr hoch bezahlt; da wir dort gute Beziehungen<lb/> hatten, wurde uns zwanzigjähriger vorgesetzt, der geradezu herrlich schmeckte.<lb/> Die Preise für die gangbarsten Sorten stellen sich auf 395 bis 720 Lire für<lb/> die Pippa; dazu kommen das Faß mit 18 Lire, die Fracht nach Deutschland<lb/> mit 20 Mark und der deutsche Zoll. Es werden auch ^, '/., , ^ und<lb/> Vis Pippeu an Private verkauft; die ^ Pippa (also etwa 50 Liter)' kostet<lb/> 55^/z bis 96^ Lire, dazu 4 Lire das Faß. Ich teile diese Zahlen mit, weil<lb/> der Marsalawein in Deutschland recht beliebt ist und der Bezug unmittelbar<lb/> von der Quelle manchem angenehm sein wird. Persönlich mache ich mir aus<lb/> diesen gespritetcu schweren Weinen nicht viel, sondern schwöre auf die mittel-<lb/> italienischen Gewächse, die Feuer mit Wohlgeschmack, Duft und Süssigkeit ver¬<lb/> einigen. Gelingt es dereinst, sie in derselben Güte versaudfähig zu machen,<lb/> wie sie in Genzano, Frascati usw. getrunken werden, dann werden sie eine<lb/> unerschöpfliche Quelle des Reichtums für unsre welschen Freunde werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
Das Wirtshausleben in Italien
schänken durch Anbringung von Zweigen oder weißen Papierdüten angedeutet,
ob es in ihnen Rot- oder Weißwein gäbe; die Zahl der Tuten und Zweige
sagte den Preis an. An unsrer kleinen Osterie z. B. hingen zwei Tuten, das
hieß: hier giebt es Weißwein, das halbe Liter für vier Soldi, — Sehr über¬
raschend sür uns ist der Brauch, daß man einen Fiasco oder eine Karaffe
nicht zu leeren braucht. Man genießt nach Belieben und berechnet dann
schätzungsweise den Betrag des getrunkuen Weines.
Von Terracina ab beginnt nach Süden zu ein, wenn ich so sagen soll,
südlicherer Wein, der für uns bei weitem nicht so sympathisch ist wie der
Römische und der Florentiner. In Neapel und Umgegend trinkt man vor¬
zugsweise Weine vom Posilipp, von Capri, Ischia und Calabrien. Mit den
weltberühmten Laerimae Christi, die am Abhang des Vesuvs wachsen, wird
selbstverständlich viel Schwindel getrieben; doch habe ich das Glück gehabt,
sie durch besondre Umstände rein und in erster Güte (das ganze Liter für
eine halbe Lira) in Hereulanum zu erhalten; das war in' der That ein
Göttertrank!
Auf Sizilien genießt die Shrakusaner Gegend einen besonders guten Ruf
wegen ihrer Weine. Eine Weltbedeutung aber haben die großen Weiufabrilen
in Marsala. Die wichtigsten von ihnen sind die von Jnghcim, Florio (die
größte) und Woodhouse (gegründet 1773), die neben einander in der Nähe des
Hafens liegen, und von denen eine immer langweiliger aussieht als die andre —
langgestreckte, weißgetünchte, fensterlose Häuser. Ungeheure Mengen von Wein
werden hier verarbeitet. Damit er versandfähig wird, erhält er einen Zusatz
von Sprit. Früher wurde hierzu ostdeutscher Kartoffelsprit genommen; da
dieser aber nenerdings durch Zollerhvhungen zu teuer geworden ist, so stellt
man sich seit mehreren Jahren selbst einen Weinsprit her, der selbstverständlich
noch bessere Dienste thut. Das Verhältnis der Mischung ist etwa so, daß
mau auf das Hauptverkaufsmaß, die Pippa, die ungefähr 400 Liter enthält,
6 Liter Sprit rechnet. Aller drei Monate muß der Wem kräftig geschüttelt
werdeu. Aufbewahrt wird er nicht in Kellern, sondern in mächtigen, großen
hallenartigen Schuppen oberhalb der Erde. Neben dem erfreulichen Anblick,
den die dort lagernden Massen gewähren, fesseln beim Besuche der Fabriken
vornehmlich die trefflichen, maschinenmäßig betriebuen und sehr wesentlichen
Reiuigungs- und Spülvorrichtungen für die Gefäße. Der zum Verkauf ge¬
langende Wein ist nicht unter drei Jahren alt, in der Regel zählt er fünf bis
acht Jahre. Älterer Wein wird sehr hoch bezahlt; da wir dort gute Beziehungen
hatten, wurde uns zwanzigjähriger vorgesetzt, der geradezu herrlich schmeckte.
Die Preise für die gangbarsten Sorten stellen sich auf 395 bis 720 Lire für
die Pippa; dazu kommen das Faß mit 18 Lire, die Fracht nach Deutschland
mit 20 Mark und der deutsche Zoll. Es werden auch ^, '/., , ^ und
Vis Pippeu an Private verkauft; die ^ Pippa (also etwa 50 Liter)' kostet
55^/z bis 96^ Lire, dazu 4 Lire das Faß. Ich teile diese Zahlen mit, weil
der Marsalawein in Deutschland recht beliebt ist und der Bezug unmittelbar
von der Quelle manchem angenehm sein wird. Persönlich mache ich mir aus
diesen gespritetcu schweren Weinen nicht viel, sondern schwöre auf die mittel-
italienischen Gewächse, die Feuer mit Wohlgeschmack, Duft und Süssigkeit ver¬
einigen. Gelingt es dereinst, sie in derselben Güte versaudfähig zu machen,
wie sie in Genzano, Frascati usw. getrunken werden, dann werden sie eine
unerschöpfliche Quelle des Reichtums für unsre welschen Freunde werden.
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