Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene bräunlichen Zöpfen und "eggertse""*) Augen. Eggertse Augen halte" die Mitte Es war Ende Februar. Die Abendmahlzeit war vorüber, Madlene hatte das Mir unsre Paar Thaler hätt der Tischkasten noch lang gut gethan. -- Woh *) In dies" Anwendung bildlich. Die "linke" Zeugseite wird die eggertse genannt, von
Eggert," Wildnis, buschiges Heideland. Madlene bräunlichen Zöpfen und „eggertse»"*) Augen. Eggertse Augen halte» die Mitte Es war Ende Februar. Die Abendmahlzeit war vorüber, Madlene hatte das Mir unsre Paar Thaler hätt der Tischkasten noch lang gut gethan. — Woh *) In dies« Anwendung bildlich. Die „linke" Zeugseite wird die eggertse genannt, von
Eggert," Wildnis, buschiges Heideland. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226950"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_99" prev="#ID_98"> bräunlichen Zöpfen und „eggertse»"*) Augen. Eggertse Augen halte» die Mitte<lb/> zwischen blau und grau und si»d el» we»ig verschleiert, vo» üppigen dunkeln<lb/> Winwern überdacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> Es war Ende Februar. Die Abendmahlzeit war vorüber, Madlene hatte das<lb/> (Geschirr gespült und saß auf der Ofenbank und span». Die Ofenbank hatte einen<lb/> gebogne» Ausschnitt für die Ofenblase. I» der Ofenblnse schwammen im warmen<lb/> Wasser Hvlzäpfelchen, die gefroren gewesen, aber nun aufgetane waren, und von<lb/> Zeit zu Zeit hob Madlene den neuen hölzernen, von? Kleinen in diesen Tagen<lb/> erst gefertigten, rechtwinkligen Blasendeckel ab und langte sich so el» krachsaures<lb/> Äpfelchen heraus, das sie dann, ohne eine Miene zu verziehen, zwischen die<lb/> blendenden Zahne schob. Zur Linken der Madlene stand die Südgelte, deren<lb/> Inhalt, knrzgeschuittnes Viehfutter, mit kochendem Wasser ans der Ofenblase gebrüht<lb/> wurde. Den gebrühten Häcksel deckte ein ebenfalls neues, vom Kleinen gefertigtes<lb/> Zirkelbrett mit jvchförmigem Griff in der Mitte. Ans dem warmen Futterdeckel<lb/> hatte Fritz, ein mächtiger, wildfarbner Kater, Platz genommen und spann mit<lb/> seinem Liebling, der Madlene, um die Wette.</p><lb/> <p xml:id="ID_101" next="#ID_102"> Mir unsre Paar Thaler hätt der Tischkasten noch lang gut gethan. — Woh<lb/> is denn mei sogen? — Kupp, klappklapp! Da rissen wieder etliche Zettel¬<lb/> fäden. — Ins Dreiteufelsnamen! Das muß ich kenn! wetterte der Große,<lb/> nahm den schwarzen, eisernen Leuchter, der in der Mitte einer quer über den Web¬<lb/> stuhl gezognen Schnur hing, und stellte ihn auf den Zettel, um die gesprnngnen<lb/> Fäden wieder einzuziehen und zu knüpfen. Das Talglicht sah gelb aus, und sein<lb/> Docht war etwas stark nusgefalleu bei dem Lichteziehen der Madlene und des<lb/> Kleinen. Der saß am vordern Ende der Ofenbank bei dem Öllämpchen an dem<lb/> Arm eines hölzernen Leuchters und besserte el« paar Schuhe aus. Er war im<lb/> Sommer der Ackerbauer mit ein Paar Kühen, im Winter der Bößler. So<lb/> erhielt Madlene ihr Licht zum Spinnen teils vom Webstuhl her, teils vom Bvßlers-<lb/> lämpchen. Und so war anch ihre Stellung in der Wirtschaft zwischen den beiden<lb/> Brüdern. Wenn sie anch dem Großen gerne Widerpart hielt wegen seiner<lb/> „Prahlhnnferei," so fiel doch oft genug aus seinem Kopf aufklärendes Licht in ihr<lb/> Wesen. Aber das gestand sie nicht einmal sich selbst. Dagegen konnte man öfter<lb/> merken, daß sich das Gemüt des Kleinen in ihrem eggertsen Auge als ein<lb/> Flämmlein widerspiegelte. In dieser brüderlichen Beleuchtung nahm sich Madlene<lb/> gar uicht übel aus. Des Großen Licht rief die Schatten hervor, des Kleinen<lb/> Licht trug die Farben auf. Hätte von eiuer Seite her das Licht gefehlt, die<lb/> Madlene wäre uur halb so schön gewesen. Aber sie war schön; jetzt meine ich<lb/> geistig. Was ihr da draußen in der großen Welt von Schöngeisterei sonst geredet<lb/> habt und vielleicht hente noch redet, das ist jedoch wieder ein wenig anders. Und<lb/> die Holzäpfelchen der Madlene gehören jetzt auch uicht her. Oder doch? Sind<lb/> sie vielleicht die Ursache ihrer sauern Stimmung, die sie veranlaßt mit Freien<lb/> zu drohen? Denn wenn Madlene droht: Ich frei! dann ist es, wie wenn eine<lb/> andre schreit: Ich lauf davon! oder: Ich fahr ans der Haut! Und der<lb/> Kleine hat nachgeschlagen: Woh is denn mei sogen? Das ist das Madlenen-<lb/> siegel. Nun mag der Große einpacken. Aber ist denn das schön? Jsts schön<lb/> von der Madlene, wenn sie mit dem Kleinen paktirt gegen den Großen? Das ist<lb/> es eben. Der Große fällt bei ihr so in die Wagschnle, daß sie zur Herstellung</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> *) In dies« Anwendung bildlich. Die „linke" Zeugseite wird die eggertse genannt, von<lb/> Eggert," Wildnis, buschiges Heideland.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Madlene
bräunlichen Zöpfen und „eggertse»"*) Augen. Eggertse Augen halte» die Mitte
zwischen blau und grau und si»d el» we»ig verschleiert, vo» üppigen dunkeln
Winwern überdacht.
Es war Ende Februar. Die Abendmahlzeit war vorüber, Madlene hatte das
(Geschirr gespült und saß auf der Ofenbank und span». Die Ofenbank hatte einen
gebogne» Ausschnitt für die Ofenblase. I» der Ofenblnse schwammen im warmen
Wasser Hvlzäpfelchen, die gefroren gewesen, aber nun aufgetane waren, und von
Zeit zu Zeit hob Madlene den neuen hölzernen, von? Kleinen in diesen Tagen
erst gefertigten, rechtwinkligen Blasendeckel ab und langte sich so el» krachsaures
Äpfelchen heraus, das sie dann, ohne eine Miene zu verziehen, zwischen die
blendenden Zahne schob. Zur Linken der Madlene stand die Südgelte, deren
Inhalt, knrzgeschuittnes Viehfutter, mit kochendem Wasser ans der Ofenblase gebrüht
wurde. Den gebrühten Häcksel deckte ein ebenfalls neues, vom Kleinen gefertigtes
Zirkelbrett mit jvchförmigem Griff in der Mitte. Ans dem warmen Futterdeckel
hatte Fritz, ein mächtiger, wildfarbner Kater, Platz genommen und spann mit
seinem Liebling, der Madlene, um die Wette.
Mir unsre Paar Thaler hätt der Tischkasten noch lang gut gethan. — Woh
is denn mei sogen? — Kupp, klappklapp! Da rissen wieder etliche Zettel¬
fäden. — Ins Dreiteufelsnamen! Das muß ich kenn! wetterte der Große,
nahm den schwarzen, eisernen Leuchter, der in der Mitte einer quer über den Web¬
stuhl gezognen Schnur hing, und stellte ihn auf den Zettel, um die gesprnngnen
Fäden wieder einzuziehen und zu knüpfen. Das Talglicht sah gelb aus, und sein
Docht war etwas stark nusgefalleu bei dem Lichteziehen der Madlene und des
Kleinen. Der saß am vordern Ende der Ofenbank bei dem Öllämpchen an dem
Arm eines hölzernen Leuchters und besserte el« paar Schuhe aus. Er war im
Sommer der Ackerbauer mit ein Paar Kühen, im Winter der Bößler. So
erhielt Madlene ihr Licht zum Spinnen teils vom Webstuhl her, teils vom Bvßlers-
lämpchen. Und so war anch ihre Stellung in der Wirtschaft zwischen den beiden
Brüdern. Wenn sie anch dem Großen gerne Widerpart hielt wegen seiner
„Prahlhnnferei," so fiel doch oft genug aus seinem Kopf aufklärendes Licht in ihr
Wesen. Aber das gestand sie nicht einmal sich selbst. Dagegen konnte man öfter
merken, daß sich das Gemüt des Kleinen in ihrem eggertsen Auge als ein
Flämmlein widerspiegelte. In dieser brüderlichen Beleuchtung nahm sich Madlene
gar uicht übel aus. Des Großen Licht rief die Schatten hervor, des Kleinen
Licht trug die Farben auf. Hätte von eiuer Seite her das Licht gefehlt, die
Madlene wäre uur halb so schön gewesen. Aber sie war schön; jetzt meine ich
geistig. Was ihr da draußen in der großen Welt von Schöngeisterei sonst geredet
habt und vielleicht hente noch redet, das ist jedoch wieder ein wenig anders. Und
die Holzäpfelchen der Madlene gehören jetzt auch uicht her. Oder doch? Sind
sie vielleicht die Ursache ihrer sauern Stimmung, die sie veranlaßt mit Freien
zu drohen? Denn wenn Madlene droht: Ich frei! dann ist es, wie wenn eine
andre schreit: Ich lauf davon! oder: Ich fahr ans der Haut! Und der
Kleine hat nachgeschlagen: Woh is denn mei sogen? Das ist das Madlenen-
siegel. Nun mag der Große einpacken. Aber ist denn das schön? Jsts schön
von der Madlene, wenn sie mit dem Kleinen paktirt gegen den Großen? Das ist
es eben. Der Große fällt bei ihr so in die Wagschnle, daß sie zur Herstellung
*) In dies« Anwendung bildlich. Die „linke" Zeugseite wird die eggertse genannt, von
Eggert," Wildnis, buschiges Heideland.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |