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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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gelegt, wie eine bereits vor Jahresfrist -- wahrscheinlich durch tüchtige eng¬
lische Bestechungen von Chinesen -- an die Öffentlichkeit gelangte geheime
Abmachung zwischen China und Rußland beweist. Port Arthur werden die
Russen deshalb sicherlich jetzt behalte".

England wird dem dauernden Übergewicht Rußlands in den nördlichen
Provinzen Chinas kaum ernstlichen Widerstand entgegensetzen. Der Umstand,
daß die jetzige Hauptstadt des großen Reiches im Norden liegt, fällt dabei
wenig ins Gewicht, denn Peking ist nur ein künstlicher Schwerpunkt. Der
natürliche Schwerpunkt liegt in den gesegneten und sehr betriebsamen Provinzen
um mittlern und untern Aangtsekiang mit der alten Hauptstadt Nanking.
Diese Gegend haben die Engländer von jeher als zu ihrem Interessenbereich
gehörend betrachtet. Eingriffe andrer Mächte würden sie hier wohl nicht leicht
ohne Widerstand zulassen. Beim Beginne des letzten Krieges sagten sie den
Japanern rund heraus, sie würden keine Operationen gegen Schanghai und
den Jangtsekiaug dulden. Die japanische öffentliche Meinung nahm dies
damals sehr übel.

Den Franzosen fällt von selbst der Süden zu. Vou Tongking aus haben
sie in der letzten Zeit die benachbarten chinesischen Provinzen zu erforschen
gesucht. Dabei find sie bis in die größte und vielleicht wohlhabendste Provinz
des ganzen Reichs, Szetschuau am obern Ä)angtsekiang, vorgedrungen, die sie
auch für sich beanspruchen. Vermutlich gedenken sie von dort aus hinter dem
Rücken der Engländer ihren von Norden kommenden russischen Bundesbrüdern
die Hand zu reichen.

Unter diesen Umständen wird es das beste sein, wenn Deutschland die
südöstlichen Küstenprovinzen mit ihren vortrefflichen Häfen für sich ins Auge
faßt. Es sind dies Tschehkiang, Fuhkien und vielleicht ein Teil von Kuaug-
tung, nebst einem ordentliche" Stück Hinterland aus den hieran grenzenden
Provinzen. Unsre Regierung hat möglicherweise schon ähnliche Gedanken
gehabt, da vor einiger Zeit stark davon die Rede war, Deutschland suche eine
Kohlenstation bei dem Vertragshafen Amoy in Fuhkieu zu erwerben. Für
deutsche Bauern wäre allerdings das Klima dieser Gegend nicht geeignet, weil
es zwar nicht ungesund, aber im Sommer viel zu heiß ist. Aber unser Handel
würde ohne Zweifel sehr großen Vorteil davon haben, wenn wir das be¬
zeichnete Stück der Erbschaft bekommen könnten. Tschehkiang wird wegen seiner
mannichfachen Erzeugnisse der Garten Chinas genannt. Die in der Hauptstadt
Hnngtschau angefertigte Seide hat im ganzen Reiche großen Ruf. Der wich¬
tigste Ausfuhrartikel von Futschau, der Hauptstadt von Fuhkieu, ist Thee.
Das Geschäft darin ist allerdings infolge des Wettbewerbs von Ceylon und
Assam zurückgegangen, aber daran ist hauptsächlich die stumpfsinnige Manda¬
rinenwirtschaft schuld, die von einer Herabsetzn"", der auf Thee liegenden
drückenden Steuern nichts wissen will.


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gelegt, wie eine bereits vor Jahresfrist — wahrscheinlich durch tüchtige eng¬
lische Bestechungen von Chinesen — an die Öffentlichkeit gelangte geheime
Abmachung zwischen China und Rußland beweist. Port Arthur werden die
Russen deshalb sicherlich jetzt behalte».

England wird dem dauernden Übergewicht Rußlands in den nördlichen
Provinzen Chinas kaum ernstlichen Widerstand entgegensetzen. Der Umstand,
daß die jetzige Hauptstadt des großen Reiches im Norden liegt, fällt dabei
wenig ins Gewicht, denn Peking ist nur ein künstlicher Schwerpunkt. Der
natürliche Schwerpunkt liegt in den gesegneten und sehr betriebsamen Provinzen
um mittlern und untern Aangtsekiang mit der alten Hauptstadt Nanking.
Diese Gegend haben die Engländer von jeher als zu ihrem Interessenbereich
gehörend betrachtet. Eingriffe andrer Mächte würden sie hier wohl nicht leicht
ohne Widerstand zulassen. Beim Beginne des letzten Krieges sagten sie den
Japanern rund heraus, sie würden keine Operationen gegen Schanghai und
den Jangtsekiaug dulden. Die japanische öffentliche Meinung nahm dies
damals sehr übel.

Den Franzosen fällt von selbst der Süden zu. Vou Tongking aus haben
sie in der letzten Zeit die benachbarten chinesischen Provinzen zu erforschen
gesucht. Dabei find sie bis in die größte und vielleicht wohlhabendste Provinz
des ganzen Reichs, Szetschuau am obern Ä)angtsekiang, vorgedrungen, die sie
auch für sich beanspruchen. Vermutlich gedenken sie von dort aus hinter dem
Rücken der Engländer ihren von Norden kommenden russischen Bundesbrüdern
die Hand zu reichen.

Unter diesen Umständen wird es das beste sein, wenn Deutschland die
südöstlichen Küstenprovinzen mit ihren vortrefflichen Häfen für sich ins Auge
faßt. Es sind dies Tschehkiang, Fuhkien und vielleicht ein Teil von Kuaug-
tung, nebst einem ordentliche» Stück Hinterland aus den hieran grenzenden
Provinzen. Unsre Regierung hat möglicherweise schon ähnliche Gedanken
gehabt, da vor einiger Zeit stark davon die Rede war, Deutschland suche eine
Kohlenstation bei dem Vertragshafen Amoy in Fuhkieu zu erwerben. Für
deutsche Bauern wäre allerdings das Klima dieser Gegend nicht geeignet, weil
es zwar nicht ungesund, aber im Sommer viel zu heiß ist. Aber unser Handel
würde ohne Zweifel sehr großen Vorteil davon haben, wenn wir das be¬
zeichnete Stück der Erbschaft bekommen könnten. Tschehkiang wird wegen seiner
mannichfachen Erzeugnisse der Garten Chinas genannt. Die in der Hauptstadt
Hnngtschau angefertigte Seide hat im ganzen Reiche großen Ruf. Der wich¬
tigste Ausfuhrartikel von Futschau, der Hauptstadt von Fuhkieu, ist Thee.
Das Geschäft darin ist allerdings infolge des Wettbewerbs von Ceylon und
Assam zurückgegangen, aber daran ist hauptsächlich die stumpfsinnige Manda¬
rinenwirtschaft schuld, die von einer Herabsetzn»«, der auf Thee liegenden
drückenden Steuern nichts wissen will.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/46>, abgerufen am 07.01.2025.