Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Madlene

lenmdnng, Neid, Mißgunst, Lug und Trug: all dies Gift verliert da seine fort-
zcugende Kraft. Trauer, Angst, Not, Verzweiflung -- alles Elend findet dort
Linderung. Frende und Lust verlieren dort ihren gelten Wassertrieb. Ausgleichung
und Frieden wirkt der Odem des Waldes.

Ausgleichung und Frieden, beseligendes Behagen ist eingezogen in den Herzen
der nunmehr wieder neben einander durch den Wald wandernden, in den Herzen
des Frieder und der Madlene.

So wars doch gut, daß uns dieser Tag zusammengeführt hat, Frieder.

Ach, du lieber Gott! Madleue, es warn acht schwere Jahr für uns. Weißes,
als du damals am Freitag vor Pfingsten deinem Vater das Essen in die Maß
brachtest? Von der Stund an konnt ich nimmer von dir lassn.

Frieder, ich auch "it. Da hältst du mich angeguckt, Frieder! Und da wars
über mich kommen!

Und die Maien warn von mir, Madlene.

Ich wußts. Ach. ich Habs gewußt.

Aber von dem andern reden wir nit.

Von dem, das uns blind gemacht hat!

Blind nit! Ach, dn lieber Gott! Ich hab immer gut sehen können. Aber
von dem Gered ist mirs manchmal ganz dumm im Schädel worden.

Es war aus, Frieder! Ganz aus wars. Wenn nit dein Beinbruch kommn
wär, wärs nit wieder gewordn.

Ich weiß 's, Madleue. Ach der Beinbruch war gut. Ich spürs uoch immer.

Wies weh gethan hat, gelte?

Nit! Wies weh gethan hat, nit. Wies hübsch war! Wie dn mich aus¬
gehöhlt hast, Madlene, wars doch grad, als hob mich ein Engel in den Himmel.
'

Ach, Frieder! Es konnt n Stein erbarm. Ich bin selmal erst gscheit lvordn,
was 's wollt besagen.

Was denn, Madlene? Meinst den Beinbruch?

Nit! O, Frieder! Ich Scham mich noch immer.

Weiß nit recht, was du meinst, Madlene.

Ich muß dich doch gar ewig sehr an mein Herz gedrückt Halm.

Der Frieder blieb stehen und holte tief Atem. Er sah der Madlene ins
eggertse Auge und umschlang sie und küßte sie. Und sie wollten gar nicht wieder
von einander lassen. Aber hernach trollten sie doch wieder weiter und redeten noch
mancherlei Gutes und Schönes mit einander. Und eh sich vor der Hennsenmühle
der Frieder von der Madlene trennte, warf er ihr fünf prächtige Äpfel in den
Korb.

Nun sind es doch die Äpfel der Jdnn.

(Fortsetzung folgt)




Madlene

lenmdnng, Neid, Mißgunst, Lug und Trug: all dies Gift verliert da seine fort-
zcugende Kraft. Trauer, Angst, Not, Verzweiflung — alles Elend findet dort
Linderung. Frende und Lust verlieren dort ihren gelten Wassertrieb. Ausgleichung
und Frieden wirkt der Odem des Waldes.

Ausgleichung und Frieden, beseligendes Behagen ist eingezogen in den Herzen
der nunmehr wieder neben einander durch den Wald wandernden, in den Herzen
des Frieder und der Madlene.

So wars doch gut, daß uns dieser Tag zusammengeführt hat, Frieder.

Ach, du lieber Gott! Madleue, es warn acht schwere Jahr für uns. Weißes,
als du damals am Freitag vor Pfingsten deinem Vater das Essen in die Maß
brachtest? Von der Stund an konnt ich nimmer von dir lassn.

Frieder, ich auch »it. Da hältst du mich angeguckt, Frieder! Und da wars
über mich kommen!

Und die Maien warn von mir, Madlene.

Ich wußts. Ach. ich Habs gewußt.

Aber von dem andern reden wir nit.

Von dem, das uns blind gemacht hat!

Blind nit! Ach, dn lieber Gott! Ich hab immer gut sehen können. Aber
von dem Gered ist mirs manchmal ganz dumm im Schädel worden.

Es war aus, Frieder! Ganz aus wars. Wenn nit dein Beinbruch kommn
wär, wärs nit wieder gewordn.

Ich weiß 's, Madleue. Ach der Beinbruch war gut. Ich spürs uoch immer.

Wies weh gethan hat, gelte?

Nit! Wies weh gethan hat, nit. Wies hübsch war! Wie dn mich aus¬
gehöhlt hast, Madlene, wars doch grad, als hob mich ein Engel in den Himmel.
'

Ach, Frieder! Es konnt n Stein erbarm. Ich bin selmal erst gscheit lvordn,
was 's wollt besagen.

Was denn, Madlene? Meinst den Beinbruch?

Nit! O, Frieder! Ich Scham mich noch immer.

Weiß nit recht, was du meinst, Madlene.

Ich muß dich doch gar ewig sehr an mein Herz gedrückt Halm.

Der Frieder blieb stehen und holte tief Atem. Er sah der Madlene ins
eggertse Auge und umschlang sie und küßte sie. Und sie wollten gar nicht wieder
von einander lassen. Aber hernach trollten sie doch wieder weiter und redeten noch
mancherlei Gutes und Schönes mit einander. Und eh sich vor der Hennsenmühle
der Frieder von der Madlene trennte, warf er ihr fünf prächtige Äpfel in den
Korb.

Nun sind es doch die Äpfel der Jdnn.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227356"/>
          <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1635" prev="#ID_1634"> lenmdnng, Neid, Mißgunst, Lug und Trug: all dies Gift verliert da seine fort-<lb/>
zcugende Kraft. Trauer, Angst, Not, Verzweiflung &#x2014; alles Elend findet dort<lb/>
Linderung. Frende und Lust verlieren dort ihren gelten Wassertrieb. Ausgleichung<lb/>
und Frieden wirkt der Odem des Waldes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1636"> Ausgleichung und Frieden, beseligendes Behagen ist eingezogen in den Herzen<lb/>
der nunmehr wieder neben einander durch den Wald wandernden, in den Herzen<lb/>
des Frieder und der Madlene.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1637"> So wars doch gut, daß uns dieser Tag zusammengeführt hat, Frieder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1638"> Ach, du lieber Gott! Madleue, es warn acht schwere Jahr für uns. Weißes,<lb/>
als du damals am Freitag vor Pfingsten deinem Vater das Essen in die Maß<lb/>
brachtest?  Von der Stund an konnt ich nimmer von dir lassn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1639"> Frieder, ich auch »it. Da hältst du mich angeguckt, Frieder! Und da wars<lb/>
über mich kommen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1640"> Und die Maien warn von mir, Madlene.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1641"> Ich wußts.  Ach. ich Habs gewußt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1642"> Aber von dem andern reden wir nit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1643"> Von dem, das uns blind gemacht hat!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1644"> Blind nit! Ach, dn lieber Gott! Ich hab immer gut sehen können. Aber<lb/>
von dem Gered ist mirs manchmal ganz dumm im Schädel worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1645"> Es war aus, Frieder! Ganz aus wars. Wenn nit dein Beinbruch kommn<lb/>
wär, wärs nit wieder gewordn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1646"> Ich weiß 's, Madleue. Ach der Beinbruch war gut. Ich spürs uoch immer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1647"> Wies weh gethan hat, gelte?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1648"> Nit! Wies weh gethan hat, nit. Wies hübsch war! Wie dn mich aus¬<lb/>
gehöhlt hast, Madlene, wars doch grad, als hob mich ein Engel in den Himmel.<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1649"> Ach, Frieder! Es konnt n Stein erbarm. Ich bin selmal erst gscheit lvordn,<lb/>
was 's wollt besagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1650"> Was denn, Madlene?  Meinst den Beinbruch?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1651"> Nit!  O, Frieder!  Ich Scham mich noch immer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1652"> Weiß nit recht, was du meinst, Madlene.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1653"> Ich muß dich doch gar ewig sehr an mein Herz gedrückt Halm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1654"> Der Frieder blieb stehen und holte tief Atem. Er sah der Madlene ins<lb/>
eggertse Auge und umschlang sie und küßte sie. Und sie wollten gar nicht wieder<lb/>
von einander lassen. Aber hernach trollten sie doch wieder weiter und redeten noch<lb/>
mancherlei Gutes und Schönes mit einander. Und eh sich vor der Hennsenmühle<lb/>
der Frieder von der Madlene trennte, warf er ihr fünf prächtige Äpfel in den<lb/>
Korb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1655"> Nun sind es doch die Äpfel der Jdnn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1656"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0454] Madlene lenmdnng, Neid, Mißgunst, Lug und Trug: all dies Gift verliert da seine fort- zcugende Kraft. Trauer, Angst, Not, Verzweiflung — alles Elend findet dort Linderung. Frende und Lust verlieren dort ihren gelten Wassertrieb. Ausgleichung und Frieden wirkt der Odem des Waldes. Ausgleichung und Frieden, beseligendes Behagen ist eingezogen in den Herzen der nunmehr wieder neben einander durch den Wald wandernden, in den Herzen des Frieder und der Madlene. So wars doch gut, daß uns dieser Tag zusammengeführt hat, Frieder. Ach, du lieber Gott! Madleue, es warn acht schwere Jahr für uns. Weißes, als du damals am Freitag vor Pfingsten deinem Vater das Essen in die Maß brachtest? Von der Stund an konnt ich nimmer von dir lassn. Frieder, ich auch »it. Da hältst du mich angeguckt, Frieder! Und da wars über mich kommen! Und die Maien warn von mir, Madlene. Ich wußts. Ach. ich Habs gewußt. Aber von dem andern reden wir nit. Von dem, das uns blind gemacht hat! Blind nit! Ach, dn lieber Gott! Ich hab immer gut sehen können. Aber von dem Gered ist mirs manchmal ganz dumm im Schädel worden. Es war aus, Frieder! Ganz aus wars. Wenn nit dein Beinbruch kommn wär, wärs nit wieder gewordn. Ich weiß 's, Madleue. Ach der Beinbruch war gut. Ich spürs uoch immer. Wies weh gethan hat, gelte? Nit! Wies weh gethan hat, nit. Wies hübsch war! Wie dn mich aus¬ gehöhlt hast, Madlene, wars doch grad, als hob mich ein Engel in den Himmel. ' Ach, Frieder! Es konnt n Stein erbarm. Ich bin selmal erst gscheit lvordn, was 's wollt besagen. Was denn, Madlene? Meinst den Beinbruch? Nit! O, Frieder! Ich Scham mich noch immer. Weiß nit recht, was du meinst, Madlene. Ich muß dich doch gar ewig sehr an mein Herz gedrückt Halm. Der Frieder blieb stehen und holte tief Atem. Er sah der Madlene ins eggertse Auge und umschlang sie und küßte sie. Und sie wollten gar nicht wieder von einander lassen. Aber hernach trollten sie doch wieder weiter und redeten noch mancherlei Gutes und Schönes mit einander. Und eh sich vor der Hennsenmühle der Frieder von der Madlene trennte, warf er ihr fünf prächtige Äpfel in den Korb. Nun sind es doch die Äpfel der Jdnn. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/454
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/454>, abgerufen am 07.01.2025.