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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Marineerfahrungeil aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365

in Liverpool ausgerüstet wurde. Der Gesandte der Nordstaaten, Mr. Adams,
machte schon im Juni die englische Regierung auf die Verletzung der Neu¬
tralität aufmerksam, was aber nicht hinderte, daß das Schiff am 29. Juli zu
einer angemeldeten Probefahrt Liverpool verlassen durfte. Die Alabama kehrte
von dieser Probefahrt natürlich nicht nach Liverpool zurück, vollendete viel¬
mehr ihre Ausrüstung bei Point Lynas an der Küste von Anglesea, fünfzig
Seemeilen von Liverpool, und lief dann am 31. Juli um den Norden von
Irland herum nach den Azoren. Am 18. August brachte ihr die englische Bark
Agrippina Kanonen, Munition, Kohlen und Vorräte nach Port Praya auf den
Azoren, während am 20. mit dem englischen Dampfer Bcchama der Führer
der Alabama, der auf dem Kreuzer Sünder erprobte Raphael Semmes, sowie
der Nest der Offiziere und Mannschaften ankamen. Nach kurzem Aufenthalt
vor Angra auf Terceira stellte Semmes die Alabama außerhalb der Neutralitäts¬
grenze der Azoren als Südstaatenkreuzer in Dienst. Semmes hatte gründlich
die Verkehrswege des Seehandels der Nordstaaten studirt; er wußte, daß nach
dem Bekanntwerden seiner Thätigkeit in einer Gegend des Ozeans gegen zwei
Monate vergehen würden, ehe nordstaatliche Kriegsschiffe ihn auf seinem
Thätigkeitsfelde aufsuchen konnten, und wechselte deshalb alle zwei Monate
sein Jagdgebiet. Im nordatlantischen Ozean machte die Alabama in den
ersten zwei Monaten zwanzig Prisen, dann verlegte Semmes seine Operationen
nach Westindien, nahm in Blanquilla Kohlen, wiederum aus der dorthin be¬
stellten Bark Agrippina, und lief nach Galveston an der Küste von Texas.
Hier schoß die Alabama am 11. Januar 1863 in einem Gefecht von dreizehn
Minuten Dauer den großen Naddampfer Hatteras in Grund, der von den
Nordstaaten armirt und dem dortigen Blockadcgeschwcider beigegeben war, und
den Semmes durch langsames Fliehen von den andern Schiffen weit weg¬
gelockt hatte. Der Hatteras wehrte sich wohl mit seinen Geschützen, aber er
war bei der hohen Lage seiner Maschine ein sehr minderwertiger Gegner der
Alabama, die, in ihrer Bauart der frühern deutschen Glattdcckskorvette Augusta
sehr ähnlich, die Maschine unterhalb der Wasserlinie und außerdem noch durch
die Kohlenvorräte geschützt liegen hatte.

Dann wurde der südatlantische Ozean, die brasilianische Küste und darauf
die Gegend beim Kap der guten Hoffnung abgesucht. In der Nachbarschaft
von Kapstadt blieb die Alabama bis Ende September 1863, nachdem sie eine
genommne, gut segelnde Bark unter dem Namen Tuscaloosa als Hilfskreuzer
armirt hatte. In Kapstadt und Simonsbai fand Semmes gute Aufnahme
und eine stark gegen die Gesetze der Neutralität verstoßende Unterstützung. Die
Tuscaloosa kreuzte dann an der brasilianischen Küste, während die Alabama
in den ostindischen und chinesischen Gewässern amerikanische Schiffe verbrannte.
Am 20. März 1864 traf Semmes wieder in Kapstadt ein, segelte am 24. Mürz
nach Europa und traf am 10. Juni abends spät mit der Alabama in Cherbourg


Marineerfahrungeil aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365

in Liverpool ausgerüstet wurde. Der Gesandte der Nordstaaten, Mr. Adams,
machte schon im Juni die englische Regierung auf die Verletzung der Neu¬
tralität aufmerksam, was aber nicht hinderte, daß das Schiff am 29. Juli zu
einer angemeldeten Probefahrt Liverpool verlassen durfte. Die Alabama kehrte
von dieser Probefahrt natürlich nicht nach Liverpool zurück, vollendete viel¬
mehr ihre Ausrüstung bei Point Lynas an der Küste von Anglesea, fünfzig
Seemeilen von Liverpool, und lief dann am 31. Juli um den Norden von
Irland herum nach den Azoren. Am 18. August brachte ihr die englische Bark
Agrippina Kanonen, Munition, Kohlen und Vorräte nach Port Praya auf den
Azoren, während am 20. mit dem englischen Dampfer Bcchama der Führer
der Alabama, der auf dem Kreuzer Sünder erprobte Raphael Semmes, sowie
der Nest der Offiziere und Mannschaften ankamen. Nach kurzem Aufenthalt
vor Angra auf Terceira stellte Semmes die Alabama außerhalb der Neutralitäts¬
grenze der Azoren als Südstaatenkreuzer in Dienst. Semmes hatte gründlich
die Verkehrswege des Seehandels der Nordstaaten studirt; er wußte, daß nach
dem Bekanntwerden seiner Thätigkeit in einer Gegend des Ozeans gegen zwei
Monate vergehen würden, ehe nordstaatliche Kriegsschiffe ihn auf seinem
Thätigkeitsfelde aufsuchen konnten, und wechselte deshalb alle zwei Monate
sein Jagdgebiet. Im nordatlantischen Ozean machte die Alabama in den
ersten zwei Monaten zwanzig Prisen, dann verlegte Semmes seine Operationen
nach Westindien, nahm in Blanquilla Kohlen, wiederum aus der dorthin be¬
stellten Bark Agrippina, und lief nach Galveston an der Küste von Texas.
Hier schoß die Alabama am 11. Januar 1863 in einem Gefecht von dreizehn
Minuten Dauer den großen Naddampfer Hatteras in Grund, der von den
Nordstaaten armirt und dem dortigen Blockadcgeschwcider beigegeben war, und
den Semmes durch langsames Fliehen von den andern Schiffen weit weg¬
gelockt hatte. Der Hatteras wehrte sich wohl mit seinen Geschützen, aber er
war bei der hohen Lage seiner Maschine ein sehr minderwertiger Gegner der
Alabama, die, in ihrer Bauart der frühern deutschen Glattdcckskorvette Augusta
sehr ähnlich, die Maschine unterhalb der Wasserlinie und außerdem noch durch
die Kohlenvorräte geschützt liegen hatte.

Dann wurde der südatlantische Ozean, die brasilianische Küste und darauf
die Gegend beim Kap der guten Hoffnung abgesucht. In der Nachbarschaft
von Kapstadt blieb die Alabama bis Ende September 1863, nachdem sie eine
genommne, gut segelnde Bark unter dem Namen Tuscaloosa als Hilfskreuzer
armirt hatte. In Kapstadt und Simonsbai fand Semmes gute Aufnahme
und eine stark gegen die Gesetze der Neutralität verstoßende Unterstützung. Die
Tuscaloosa kreuzte dann an der brasilianischen Küste, während die Alabama
in den ostindischen und chinesischen Gewässern amerikanische Schiffe verbrannte.
Am 20. März 1864 traf Semmes wieder in Kapstadt ein, segelte am 24. Mürz
nach Europa und traf am 10. Juni abends spät mit der Alabama in Cherbourg


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[0412] Marineerfahrungeil aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365 in Liverpool ausgerüstet wurde. Der Gesandte der Nordstaaten, Mr. Adams, machte schon im Juni die englische Regierung auf die Verletzung der Neu¬ tralität aufmerksam, was aber nicht hinderte, daß das Schiff am 29. Juli zu einer angemeldeten Probefahrt Liverpool verlassen durfte. Die Alabama kehrte von dieser Probefahrt natürlich nicht nach Liverpool zurück, vollendete viel¬ mehr ihre Ausrüstung bei Point Lynas an der Küste von Anglesea, fünfzig Seemeilen von Liverpool, und lief dann am 31. Juli um den Norden von Irland herum nach den Azoren. Am 18. August brachte ihr die englische Bark Agrippina Kanonen, Munition, Kohlen und Vorräte nach Port Praya auf den Azoren, während am 20. mit dem englischen Dampfer Bcchama der Führer der Alabama, der auf dem Kreuzer Sünder erprobte Raphael Semmes, sowie der Nest der Offiziere und Mannschaften ankamen. Nach kurzem Aufenthalt vor Angra auf Terceira stellte Semmes die Alabama außerhalb der Neutralitäts¬ grenze der Azoren als Südstaatenkreuzer in Dienst. Semmes hatte gründlich die Verkehrswege des Seehandels der Nordstaaten studirt; er wußte, daß nach dem Bekanntwerden seiner Thätigkeit in einer Gegend des Ozeans gegen zwei Monate vergehen würden, ehe nordstaatliche Kriegsschiffe ihn auf seinem Thätigkeitsfelde aufsuchen konnten, und wechselte deshalb alle zwei Monate sein Jagdgebiet. Im nordatlantischen Ozean machte die Alabama in den ersten zwei Monaten zwanzig Prisen, dann verlegte Semmes seine Operationen nach Westindien, nahm in Blanquilla Kohlen, wiederum aus der dorthin be¬ stellten Bark Agrippina, und lief nach Galveston an der Küste von Texas. Hier schoß die Alabama am 11. Januar 1863 in einem Gefecht von dreizehn Minuten Dauer den großen Naddampfer Hatteras in Grund, der von den Nordstaaten armirt und dem dortigen Blockadcgeschwcider beigegeben war, und den Semmes durch langsames Fliehen von den andern Schiffen weit weg¬ gelockt hatte. Der Hatteras wehrte sich wohl mit seinen Geschützen, aber er war bei der hohen Lage seiner Maschine ein sehr minderwertiger Gegner der Alabama, die, in ihrer Bauart der frühern deutschen Glattdcckskorvette Augusta sehr ähnlich, die Maschine unterhalb der Wasserlinie und außerdem noch durch die Kohlenvorräte geschützt liegen hatte. Dann wurde der südatlantische Ozean, die brasilianische Küste und darauf die Gegend beim Kap der guten Hoffnung abgesucht. In der Nachbarschaft von Kapstadt blieb die Alabama bis Ende September 1863, nachdem sie eine genommne, gut segelnde Bark unter dem Namen Tuscaloosa als Hilfskreuzer armirt hatte. In Kapstadt und Simonsbai fand Semmes gute Aufnahme und eine stark gegen die Gesetze der Neutralität verstoßende Unterstützung. Die Tuscaloosa kreuzte dann an der brasilianischen Küste, während die Alabama in den ostindischen und chinesischen Gewässern amerikanische Schiffe verbrannte. Am 20. März 1864 traf Semmes wieder in Kapstadt ein, segelte am 24. Mürz nach Europa und traf am 10. Juni abends spät mit der Alabama in Cherbourg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/412>, abgerufen am 09.01.2025.