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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^86^ bis ^8K5

Nordstaaten zur Beachtung der herrschenden Ansicht, daß Blockaden, um für
Neutrale bindend zu sein, von einer militärischen Macht aufrecht erhalten
werden müßten, die genügend stark sei, um den Zuzug zur feindlichen Küste
auch wirklich verhindern zu können. Die Nordstaaten stellten deshalb zunächst
alte Segelkriegsschiffe beim Blockadedienst ein, kauften eine Menge Kauffahrtei¬
schiffe, die sie in Kriegsfahrzeuge umwandelten, und bauten zur Verstärkung
der eigentlichen Kriegsflotte in Eile Schiffe. Bis zum Dezember 1861 hatten
die Nordstaaten 58 Segelschiffe und 79 Dampfer, und bis zu Ende des Krieges
418 Fahrzeuge, von denen 313 Dampfer waren, angekauft. Viele der später
angekauften Schiffe waren nur für den Krieg auf den große" Strömen bestimmt.
Zwanzig Jahre früher war die Flotte stärker gewesen als 1860, weil damals
die Segelfregatten und Sloops noch vollen Gefechtswert hatten. Nach dem
Kriege hatten die Nordstaaten zwar über 650 Schiffe, doch waren nicht nur die
angekauften Schiffe, sondern auch der größte Teil der zu eilig gebauten Schiffe
für fernere Verwendung wertlos. Der Schaden, den die Nordstaaten dadurch
erlitten, daß ihre Marine hinter den Fortschritten des Schiffs- und Maschinen¬
baues zurückgeblieben war, und daß sie nun ziemlich wertloses Material schnell
und teuer beschafften, wurde noch erhöht durch die Unfähigkeit, in der ersten
Zeit die Blockaden genügend scharf auszuüben; hierdurch hatte der Süden viel
Gelegenheit, seine Kriegsvorräte aus Europa zu ergänzen. Daß schließlich
das vollständige Abschneiden der Südstaaten von der Außenwelt, das Beherrschen
der großen Flußläufe durch die Union und die Wegnahme der dort erbauten
Befestigungen die Kraft des Südens lähmten und ihn trotz der Erfolge im
Kampfe von Armee gegen Armee zum längern Widerstande gegen die Über¬
macht unfähig machten, ist bekannt.

Infolge der Blockadeerklürung erkannten England und Frankreich die Süd¬
staaten sogleich als kriegführende Partei an. Hampton Noads waren der erste
wirklich blvckirte Meeresteil, die Vlockirung der andern Haupthafen wie Wil-
mington, Charleston, Pensaeola, Mohne und New Orleans folgte später. Die
Zunächst völlig ungenügende Durchführung der Blockade ließ bald das Gewerbe
des Vlockadebrechens entstehen. Blockadebruch durch anerkannte Kriegsfahr¬
zeuge einer kriegführenden Partei ist etwas andres als Blockadebrechen durch
Handelsschiffe. Der die Blockade brechende Kreuzer kann, wenn er bedroht
wird, seine Waffen gebrauchen, um dadurch seinen Zweck oder seine Rettung
Zu erreichen; seiner Mannschaft steht bei Gefangennahme nur das Los der
Kriegsgefangenschaft bevor. Feuert dagegen der die Blockade brechende Handels¬
dampfer beim Gejagtwerden, und während er selbst beschossen wird, nur einen
Schuß zur eignen Verteidigung, so wird er dadurch zum Seeräuberschiff; seiner
Besatzung steht dann eine schlechtere Behandlung bevor, als die ohne Gegen¬
wehr schon drohende Kriegsgefangenschaft. In ältern Zeiten war Hunger die
übliche Strafe für alle Seeräuber.


Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^86^ bis ^8K5

Nordstaaten zur Beachtung der herrschenden Ansicht, daß Blockaden, um für
Neutrale bindend zu sein, von einer militärischen Macht aufrecht erhalten
werden müßten, die genügend stark sei, um den Zuzug zur feindlichen Küste
auch wirklich verhindern zu können. Die Nordstaaten stellten deshalb zunächst
alte Segelkriegsschiffe beim Blockadedienst ein, kauften eine Menge Kauffahrtei¬
schiffe, die sie in Kriegsfahrzeuge umwandelten, und bauten zur Verstärkung
der eigentlichen Kriegsflotte in Eile Schiffe. Bis zum Dezember 1861 hatten
die Nordstaaten 58 Segelschiffe und 79 Dampfer, und bis zu Ende des Krieges
418 Fahrzeuge, von denen 313 Dampfer waren, angekauft. Viele der später
angekauften Schiffe waren nur für den Krieg auf den große» Strömen bestimmt.
Zwanzig Jahre früher war die Flotte stärker gewesen als 1860, weil damals
die Segelfregatten und Sloops noch vollen Gefechtswert hatten. Nach dem
Kriege hatten die Nordstaaten zwar über 650 Schiffe, doch waren nicht nur die
angekauften Schiffe, sondern auch der größte Teil der zu eilig gebauten Schiffe
für fernere Verwendung wertlos. Der Schaden, den die Nordstaaten dadurch
erlitten, daß ihre Marine hinter den Fortschritten des Schiffs- und Maschinen¬
baues zurückgeblieben war, und daß sie nun ziemlich wertloses Material schnell
und teuer beschafften, wurde noch erhöht durch die Unfähigkeit, in der ersten
Zeit die Blockaden genügend scharf auszuüben; hierdurch hatte der Süden viel
Gelegenheit, seine Kriegsvorräte aus Europa zu ergänzen. Daß schließlich
das vollständige Abschneiden der Südstaaten von der Außenwelt, das Beherrschen
der großen Flußläufe durch die Union und die Wegnahme der dort erbauten
Befestigungen die Kraft des Südens lähmten und ihn trotz der Erfolge im
Kampfe von Armee gegen Armee zum längern Widerstande gegen die Über¬
macht unfähig machten, ist bekannt.

Infolge der Blockadeerklürung erkannten England und Frankreich die Süd¬
staaten sogleich als kriegführende Partei an. Hampton Noads waren der erste
wirklich blvckirte Meeresteil, die Vlockirung der andern Haupthafen wie Wil-
mington, Charleston, Pensaeola, Mohne und New Orleans folgte später. Die
Zunächst völlig ungenügende Durchführung der Blockade ließ bald das Gewerbe
des Vlockadebrechens entstehen. Blockadebruch durch anerkannte Kriegsfahr¬
zeuge einer kriegführenden Partei ist etwas andres als Blockadebrechen durch
Handelsschiffe. Der die Blockade brechende Kreuzer kann, wenn er bedroht
wird, seine Waffen gebrauchen, um dadurch seinen Zweck oder seine Rettung
Zu erreichen; seiner Mannschaft steht bei Gefangennahme nur das Los der
Kriegsgefangenschaft bevor. Feuert dagegen der die Blockade brechende Handels¬
dampfer beim Gejagtwerden, und während er selbst beschossen wird, nur einen
Schuß zur eignen Verteidigung, so wird er dadurch zum Seeräuberschiff; seiner
Besatzung steht dann eine schlechtere Behandlung bevor, als die ohne Gegen¬
wehr schon drohende Kriegsgefangenschaft. In ältern Zeiten war Hunger die
übliche Strafe für alle Seeräuber.


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[0407] Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^86^ bis ^8K5 Nordstaaten zur Beachtung der herrschenden Ansicht, daß Blockaden, um für Neutrale bindend zu sein, von einer militärischen Macht aufrecht erhalten werden müßten, die genügend stark sei, um den Zuzug zur feindlichen Küste auch wirklich verhindern zu können. Die Nordstaaten stellten deshalb zunächst alte Segelkriegsschiffe beim Blockadedienst ein, kauften eine Menge Kauffahrtei¬ schiffe, die sie in Kriegsfahrzeuge umwandelten, und bauten zur Verstärkung der eigentlichen Kriegsflotte in Eile Schiffe. Bis zum Dezember 1861 hatten die Nordstaaten 58 Segelschiffe und 79 Dampfer, und bis zu Ende des Krieges 418 Fahrzeuge, von denen 313 Dampfer waren, angekauft. Viele der später angekauften Schiffe waren nur für den Krieg auf den große» Strömen bestimmt. Zwanzig Jahre früher war die Flotte stärker gewesen als 1860, weil damals die Segelfregatten und Sloops noch vollen Gefechtswert hatten. Nach dem Kriege hatten die Nordstaaten zwar über 650 Schiffe, doch waren nicht nur die angekauften Schiffe, sondern auch der größte Teil der zu eilig gebauten Schiffe für fernere Verwendung wertlos. Der Schaden, den die Nordstaaten dadurch erlitten, daß ihre Marine hinter den Fortschritten des Schiffs- und Maschinen¬ baues zurückgeblieben war, und daß sie nun ziemlich wertloses Material schnell und teuer beschafften, wurde noch erhöht durch die Unfähigkeit, in der ersten Zeit die Blockaden genügend scharf auszuüben; hierdurch hatte der Süden viel Gelegenheit, seine Kriegsvorräte aus Europa zu ergänzen. Daß schließlich das vollständige Abschneiden der Südstaaten von der Außenwelt, das Beherrschen der großen Flußläufe durch die Union und die Wegnahme der dort erbauten Befestigungen die Kraft des Südens lähmten und ihn trotz der Erfolge im Kampfe von Armee gegen Armee zum längern Widerstande gegen die Über¬ macht unfähig machten, ist bekannt. Infolge der Blockadeerklürung erkannten England und Frankreich die Süd¬ staaten sogleich als kriegführende Partei an. Hampton Noads waren der erste wirklich blvckirte Meeresteil, die Vlockirung der andern Haupthafen wie Wil- mington, Charleston, Pensaeola, Mohne und New Orleans folgte später. Die Zunächst völlig ungenügende Durchführung der Blockade ließ bald das Gewerbe des Vlockadebrechens entstehen. Blockadebruch durch anerkannte Kriegsfahr¬ zeuge einer kriegführenden Partei ist etwas andres als Blockadebrechen durch Handelsschiffe. Der die Blockade brechende Kreuzer kann, wenn er bedroht wird, seine Waffen gebrauchen, um dadurch seinen Zweck oder seine Rettung Zu erreichen; seiner Mannschaft steht bei Gefangennahme nur das Los der Kriegsgefangenschaft bevor. Feuert dagegen der die Blockade brechende Handels¬ dampfer beim Gejagtwerden, und während er selbst beschossen wird, nur einen Schuß zur eignen Verteidigung, so wird er dadurch zum Seeräuberschiff; seiner Besatzung steht dann eine schlechtere Behandlung bevor, als die ohne Gegen¬ wehr schon drohende Kriegsgefangenschaft. In ältern Zeiten war Hunger die übliche Strafe für alle Seeräuber.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/407>, abgerufen am 08.01.2025.