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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und seine Kolonien im Jahre ^3^6

Pflicht thut. Bisher haben alle deutschen Schutzgebiete mit den an sie grenzenden
fremden Kolonien die besten Beziehungen unterhalten. Die Reichsregierung hat
ängstlich jeden Schritt vermieden, der zu irgend welchen Verwicklungen führen
könnte, und ebenso hat sie uferlosen Plänen, die von Zeit zu Zeit von privater
Seite auftauchen, niemals ihr Ohr geliehen. Solange diese Grundsätze befolgt
werden -- und es ist nicht zu befürchten, daß das in absehbarer Zeit nicht
der Fall sein würde --, wird die koloniale Politik Deutschlands Volks¬
wirtschaft im allgemeinen und seinem Handel im besondern nur Vorteile
bieten."

Dem wissenschaftlichen Teile des Werkes ist besonders die Mitarbeiterschaft
der Beamten der königlichen Museen Berlins zu gute gekommen, die von
Anfang an dem Unternehmen ihr Wissen und ihre persönliche Mitwirkung in
regem Schaffenseifer zur Verfügung gestellt haben. Es ist bekannt, daß die
Pioniere der deutschen Wissenschaft, Forschungsreisende und Naturkundige,
schon um mehrere Jahrzehnte den deutschen Kolonisten voraufgezogen sind und
dafür gesorgt haben, daß diese nicht völlig unbekannten Boden betraten. Nicht
wenigen ist es auch gelungen, ihre reichen zoologischen, botanischen, ethno¬
logischen und sonstigen Sammlungen glücklich heimzubringen, und schon seit
den sechziger Jahren ist vieles davon nach Berlin gekommen, wo die Samm¬
lungen später in den prächtigen Museen für Völker- und Naturkunde aufgestellt
und systematisch bearbeitet worden sind. Bei dieser Arbeit hat sich mit der
Zeit eine stattliche Zahl von Gelehrten herangebildet, die mit dem erforder¬
lichen Rüstzeug ausgestattet waren, als ihnen die Kolonialausstellung eine kaum
übersehbare Fülle neuer Schätze eröffnete. Von besondrer Wichtigkeit war dabei
die mit großen Kosten verknüpfte Überführung von Bewohnern aller deutschen
Schntzgebiete nach Berlin, die freilich zunächst zur Befriedigung der Schaulust
des großen Publikums dienen sollten, mit der gerechnet werden mußte, wenn
man eines finanziellen Erfolgs sicher sein wollte. Diese Vorführung von
Suahelis, Duallcmegern, Masfais, Togo- und Neu-Guinealeuten, Hereros und
Hottentotten, die die getreu nach der heimischen Gewohnheit erbauten und ein¬
gerichteten "Eingebornendörfer" belebten, hat denn auch in der That das Glück
der Ausstellung gemacht, zugleich aber auch der anthropologischen und ethnogra¬
phischen Wissenschaft ein überaus wertvolles Material zugeführt, das von Pro¬
fessor von Luschnn, dem vielgewanderten Reisenden, Arzt und Naturforscher zu¬
gleich, im Verein mit mehreren Fachgenossen mit größter Sorgfalt bearbeitet
worden ist. Was an Ort und Stelle nur unter den größten Schwierigkeiten oder
gar nicht erreicht werden kann: anthropologische Messungen und photographische
Aufnahmen, die wissenschaftlich brauchbar sind, das konnte in den Ein-
gebornendörfern der Ausstellung unter den günstigsten Bedingungen, wenn man
von den klimatischen Widerwärtigkeiten des naßkalten Sommers von 1896
absteht, und mit den vollkommensten Hilfsmitteln vorgenommen werden. Diese


Grenzboten I 1898 47
Deutschland und seine Kolonien im Jahre ^3^6

Pflicht thut. Bisher haben alle deutschen Schutzgebiete mit den an sie grenzenden
fremden Kolonien die besten Beziehungen unterhalten. Die Reichsregierung hat
ängstlich jeden Schritt vermieden, der zu irgend welchen Verwicklungen führen
könnte, und ebenso hat sie uferlosen Plänen, die von Zeit zu Zeit von privater
Seite auftauchen, niemals ihr Ohr geliehen. Solange diese Grundsätze befolgt
werden — und es ist nicht zu befürchten, daß das in absehbarer Zeit nicht
der Fall sein würde —, wird die koloniale Politik Deutschlands Volks¬
wirtschaft im allgemeinen und seinem Handel im besondern nur Vorteile
bieten."

Dem wissenschaftlichen Teile des Werkes ist besonders die Mitarbeiterschaft
der Beamten der königlichen Museen Berlins zu gute gekommen, die von
Anfang an dem Unternehmen ihr Wissen und ihre persönliche Mitwirkung in
regem Schaffenseifer zur Verfügung gestellt haben. Es ist bekannt, daß die
Pioniere der deutschen Wissenschaft, Forschungsreisende und Naturkundige,
schon um mehrere Jahrzehnte den deutschen Kolonisten voraufgezogen sind und
dafür gesorgt haben, daß diese nicht völlig unbekannten Boden betraten. Nicht
wenigen ist es auch gelungen, ihre reichen zoologischen, botanischen, ethno¬
logischen und sonstigen Sammlungen glücklich heimzubringen, und schon seit
den sechziger Jahren ist vieles davon nach Berlin gekommen, wo die Samm¬
lungen später in den prächtigen Museen für Völker- und Naturkunde aufgestellt
und systematisch bearbeitet worden sind. Bei dieser Arbeit hat sich mit der
Zeit eine stattliche Zahl von Gelehrten herangebildet, die mit dem erforder¬
lichen Rüstzeug ausgestattet waren, als ihnen die Kolonialausstellung eine kaum
übersehbare Fülle neuer Schätze eröffnete. Von besondrer Wichtigkeit war dabei
die mit großen Kosten verknüpfte Überführung von Bewohnern aller deutschen
Schntzgebiete nach Berlin, die freilich zunächst zur Befriedigung der Schaulust
des großen Publikums dienen sollten, mit der gerechnet werden mußte, wenn
man eines finanziellen Erfolgs sicher sein wollte. Diese Vorführung von
Suahelis, Duallcmegern, Masfais, Togo- und Neu-Guinealeuten, Hereros und
Hottentotten, die die getreu nach der heimischen Gewohnheit erbauten und ein¬
gerichteten „Eingebornendörfer" belebten, hat denn auch in der That das Glück
der Ausstellung gemacht, zugleich aber auch der anthropologischen und ethnogra¬
phischen Wissenschaft ein überaus wertvolles Material zugeführt, das von Pro¬
fessor von Luschnn, dem vielgewanderten Reisenden, Arzt und Naturforscher zu¬
gleich, im Verein mit mehreren Fachgenossen mit größter Sorgfalt bearbeitet
worden ist. Was an Ort und Stelle nur unter den größten Schwierigkeiten oder
gar nicht erreicht werden kann: anthropologische Messungen und photographische
Aufnahmen, die wissenschaftlich brauchbar sind, das konnte in den Ein-
gebornendörfern der Ausstellung unter den günstigsten Bedingungen, wenn man
von den klimatischen Widerwärtigkeiten des naßkalten Sommers von 1896
absteht, und mit den vollkommensten Hilfsmitteln vorgenommen werden. Diese


Grenzboten I 1898 47
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/373>, abgerufen am 07.01.2025.