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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und seine Kolonien im Jahre ^896

Zuckerrohr gefunden zu habe", und auf Anregung Meincckes hat sich schon
eine Gesellschaft gebildet, die auch für diesen Versuch Geldmittel hergeben will.

Durch diese Verbindung von praktischen Zwecken mit litterarischer Thätigkeit
hat Meinecke eine feste Organisation geschaffen, die ihren Mittelpunkt in der
Deutschen Kolonialzeitung, in einem Kolonialen Jahrbuch und einem Kolonial¬
kalender erhalten hat und sich jetzt auch bei der Zusammenstellung und Gliede¬
rung des reichen Stoffes, der ihm von seinen Mitarbeitern zugeflossen ist,
bewährt hat.

Daß die eigentlichen Kolonialmänner, die aus geschäftlichem Interesse
oder aus persönlichem Ehrgeiz, weil sie in dieser Pionierarbeit das ideale
Ziel eines sonst unbefriedigten Strebens sehen, kräftig mitgewirkt haben,
ist selbstverständlich. Es -muß aber, wie wir aus der Haltung des
ganzen Werkes sehen, für alle Mitarbeiter die Parole ausgegeben worden
sein: "Haltet euch fern von allen leeren Phrasen und allem Überschwang!"
Als bezeichnend für diese Zurückhaltung darf ein Aufsatz von Konsul Zimmer¬
mann herangezogen werden, der sich über die Notwendigkeit der Kolonialpolitik
von handelspolitischen Gesichtspunkten aus verbreitet. Auch der Skeptiker, der
noch mit Mißtrauen auf unsre kolonialen Bestrebungen sieht, wird kein Wort
finden, das er als "kolonial-fanatisch" brandmarken könnte. Nach einem ge¬
schichtlichen Überblick über die Entwicklung der Kolonisation, beiläufig gesagt,
einem Muster knapper und doch alles Wesentliche umfassender Darstellung,
wägt er die Vorteile und die Nachteile der Kolonialpolitik gegen einander ab.
Neue Gesichtspunkte kommen dabei nicht zu Tage, und das wird niemand
überraschen, der die Koloniallitteratur der letzten Jahrzehnte, die Polemik in
den Zeitungen, die Debatten im Reichstage usw. verfolgt hat. Das Für und
Wider ist so erschöpfend behandelt, daß der Augenblick gekommen ist, wo nichts
Belangreiches mehr gesagt werden kann, und man die praktischen Erfolge der
Kolonialpolitik abwarten muß. Luftschlösser zu bauen und glänzende Aus¬
sichten zu eröffnen lag aber auch nicht in der Absicht der Herausgeber dieses
Werkes, das einen im wesentlichen historischen Charakter haben sollte, und an
ihm hat Zimmermann in seinem Aufsätze auch bis zum Schluß festgehalten,
wo er von den Nachteilen spricht, die Deutschland aus kolonialen Besitz er¬
wachsen könnten. Er denkt hierbei an zwei Möglichkeiten. Einerseits könnten
durch unsern Kolonialbesitz "in irgend einer Weise Staaten, mit denen der
deutsche Handel wichtige Beziehungen unterhält, zu feindseligen Maßnahmen
gegen das Reich gereizt werden," und andrerseits könnten "etwa durch aben¬
teuerliche Maßnahmen die Finanzen des Reichs zu stark in Anspruch genommen
und Mittel, welche zur Befriedigung dringender Bedürfnisse dienen, dem deutschen
Volke entzogen werden." Es ist bisher weder zu dem einen noch zu dem andern
gekommen, und es wird nach der Meinung des Verfassers auch nicht dazu kommen,
"so lange eine maßvolle Regierung am Nuder ist, und die Volksvertretung ihre


Deutschland und seine Kolonien im Jahre ^896

Zuckerrohr gefunden zu habe», und auf Anregung Meincckes hat sich schon
eine Gesellschaft gebildet, die auch für diesen Versuch Geldmittel hergeben will.

Durch diese Verbindung von praktischen Zwecken mit litterarischer Thätigkeit
hat Meinecke eine feste Organisation geschaffen, die ihren Mittelpunkt in der
Deutschen Kolonialzeitung, in einem Kolonialen Jahrbuch und einem Kolonial¬
kalender erhalten hat und sich jetzt auch bei der Zusammenstellung und Gliede¬
rung des reichen Stoffes, der ihm von seinen Mitarbeitern zugeflossen ist,
bewährt hat.

Daß die eigentlichen Kolonialmänner, die aus geschäftlichem Interesse
oder aus persönlichem Ehrgeiz, weil sie in dieser Pionierarbeit das ideale
Ziel eines sonst unbefriedigten Strebens sehen, kräftig mitgewirkt haben,
ist selbstverständlich. Es -muß aber, wie wir aus der Haltung des
ganzen Werkes sehen, für alle Mitarbeiter die Parole ausgegeben worden
sein: „Haltet euch fern von allen leeren Phrasen und allem Überschwang!"
Als bezeichnend für diese Zurückhaltung darf ein Aufsatz von Konsul Zimmer¬
mann herangezogen werden, der sich über die Notwendigkeit der Kolonialpolitik
von handelspolitischen Gesichtspunkten aus verbreitet. Auch der Skeptiker, der
noch mit Mißtrauen auf unsre kolonialen Bestrebungen sieht, wird kein Wort
finden, das er als „kolonial-fanatisch" brandmarken könnte. Nach einem ge¬
schichtlichen Überblick über die Entwicklung der Kolonisation, beiläufig gesagt,
einem Muster knapper und doch alles Wesentliche umfassender Darstellung,
wägt er die Vorteile und die Nachteile der Kolonialpolitik gegen einander ab.
Neue Gesichtspunkte kommen dabei nicht zu Tage, und das wird niemand
überraschen, der die Koloniallitteratur der letzten Jahrzehnte, die Polemik in
den Zeitungen, die Debatten im Reichstage usw. verfolgt hat. Das Für und
Wider ist so erschöpfend behandelt, daß der Augenblick gekommen ist, wo nichts
Belangreiches mehr gesagt werden kann, und man die praktischen Erfolge der
Kolonialpolitik abwarten muß. Luftschlösser zu bauen und glänzende Aus¬
sichten zu eröffnen lag aber auch nicht in der Absicht der Herausgeber dieses
Werkes, das einen im wesentlichen historischen Charakter haben sollte, und an
ihm hat Zimmermann in seinem Aufsätze auch bis zum Schluß festgehalten,
wo er von den Nachteilen spricht, die Deutschland aus kolonialen Besitz er¬
wachsen könnten. Er denkt hierbei an zwei Möglichkeiten. Einerseits könnten
durch unsern Kolonialbesitz „in irgend einer Weise Staaten, mit denen der
deutsche Handel wichtige Beziehungen unterhält, zu feindseligen Maßnahmen
gegen das Reich gereizt werden," und andrerseits könnten „etwa durch aben¬
teuerliche Maßnahmen die Finanzen des Reichs zu stark in Anspruch genommen
und Mittel, welche zur Befriedigung dringender Bedürfnisse dienen, dem deutschen
Volke entzogen werden." Es ist bisher weder zu dem einen noch zu dem andern
gekommen, und es wird nach der Meinung des Verfassers auch nicht dazu kommen,
„so lange eine maßvolle Regierung am Nuder ist, und die Volksvertretung ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/372>, abgerufen am 08.01.2025.