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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Agrarpolitische Aussichten

dischen Ökonomie." Der praktische Ostelbier Graf Klinckowström bezeichnet
Buchenbergers Ansichten als durchaus modern, das soll heißen: "sammelnd,
beruhigend, nach rechts und links, um schließlich zu Vorschlägen zu kommen, die
allgemein bekannt und anerkannt, doch niemals genügen können, um eine so schwere
Krankheit zu heilen, wie die, unter der die deutsche Landwirtschaft jetzt seit Jahren
leidet." Zu bekämpfen unternimmt der ostpreußische Agrarier in erster Linie die
Behauptung Buchenbergers, "daß im Norden und Nordosten der Großgrundbesitz
stärker vertreten sei als erwünscht." Es sei unrichtig, von einer falschen Ver¬
teilung des Bodens östlich der Elbe zu sprechen und eine auf die Abstellung
des angeblichen Fehlers gerichtete "sogenannte Landpolitik" zu empfehlen. Der
Domänenbesitz des Staats müsse auch im Osten "unbedingt erhalten" werden.
Eine "unbefriedigte Nachfrage nach Land" sei auch für den Osten zu bestreiten.
Land sei mehr zu haben, als gefordert werde. Buchenberger mache sich einer
übertriebnen Schwärmerei für die preußische Anstedlungspolitik schuldig. Er,
Graf Klinckowström, sei immer dafür eingetreten, "mit Staatshilfe den "be¬
stehenden," arg gefährdeten Bauernbesitz in Rentengüter umzuwandeln, nicht
aber durch Schaffung von kleinen neuen Stellen landwirtschaftliches Proletariat
zu erzeugen." Der "alte, gute, einfache und zuverlässige Stamm" sei da¬
gewesen, warum wolle man da, statt ihn zu erhalten, "Neuerungen" anfangen.
Die Nentengutsgesetzgebung sei doch immer nur "der Anfang der großen
Agrargesetzgebung, deren Träger ein genialer preußischer Minister ist." Diese
Gesetzgebung solle dem "ganzen Grundbesitz" zu gute kommen, "wenigstens
soweit es den Gewohnheiten entspricht," es müsse "voller Bruch mit der
Kapitalschuld" verlangt werden. Verfehlt sei der Vorschlag Buchenbergers,
"von der Genehmigung zur Errichtung von Fideikommißgüteru nur einen
sparsamen Gebrauch zu machen." Im Gegenteil müsse man "von der neuen
Fideikommißgesetzgebung erhebliche Erleichterungen" erhoffen. Jedes neue
Fideikommiß, jeder so oder so befestigte kleine Grundbesitz sei die "zuverlässigste
Stütze für Königtum, Staat und Kirche."

Das sind agrarpolitische Anschauungen, die in ihren praktischen Konse¬
quenzen auf nichts mehr und nichts weniger hinauslaufen, als auf den völligen
Umsturz der preußischen Agrarverfassung, die man als die Stein-Hardenbergsche
zu bezeichnen Pflegt; und nach gelegentlichen öffentlichen Äußerungen Herrn
von Miquels kann Graf Klinckowström schon recht haben, wenn er diesen
Umsturz als das Endziel der großen Agrargesetzgebung hinstellt, "deren Trüger
ein genialer preußischer Minister ist." Es soll hier nicht näher auf diesen
Kampf von Genie gegen Genie eingegangen werden. Einige Gesetzesvorlagen
sollen ja in Preußen schon bereit liegen, und man muß abwarten, was sie
bringen. Wir haben in den Grenzboten wiederholt die Ansicht gefunden, daß
eine auf möglichst schnelle und allgemeine Zerschlagung der Rittergüter im
Osten gerichtete Landpolitik durchaus nicht am Platze wäre und nicht nur die


Agrarpolitische Aussichten

dischen Ökonomie." Der praktische Ostelbier Graf Klinckowström bezeichnet
Buchenbergers Ansichten als durchaus modern, das soll heißen: „sammelnd,
beruhigend, nach rechts und links, um schließlich zu Vorschlägen zu kommen, die
allgemein bekannt und anerkannt, doch niemals genügen können, um eine so schwere
Krankheit zu heilen, wie die, unter der die deutsche Landwirtschaft jetzt seit Jahren
leidet." Zu bekämpfen unternimmt der ostpreußische Agrarier in erster Linie die
Behauptung Buchenbergers, „daß im Norden und Nordosten der Großgrundbesitz
stärker vertreten sei als erwünscht." Es sei unrichtig, von einer falschen Ver¬
teilung des Bodens östlich der Elbe zu sprechen und eine auf die Abstellung
des angeblichen Fehlers gerichtete „sogenannte Landpolitik" zu empfehlen. Der
Domänenbesitz des Staats müsse auch im Osten „unbedingt erhalten" werden.
Eine „unbefriedigte Nachfrage nach Land" sei auch für den Osten zu bestreiten.
Land sei mehr zu haben, als gefordert werde. Buchenberger mache sich einer
übertriebnen Schwärmerei für die preußische Anstedlungspolitik schuldig. Er,
Graf Klinckowström, sei immer dafür eingetreten, „mit Staatshilfe den »be¬
stehenden,« arg gefährdeten Bauernbesitz in Rentengüter umzuwandeln, nicht
aber durch Schaffung von kleinen neuen Stellen landwirtschaftliches Proletariat
zu erzeugen." Der „alte, gute, einfache und zuverlässige Stamm" sei da¬
gewesen, warum wolle man da, statt ihn zu erhalten, „Neuerungen" anfangen.
Die Nentengutsgesetzgebung sei doch immer nur „der Anfang der großen
Agrargesetzgebung, deren Träger ein genialer preußischer Minister ist." Diese
Gesetzgebung solle dem „ganzen Grundbesitz" zu gute kommen, „wenigstens
soweit es den Gewohnheiten entspricht," es müsse „voller Bruch mit der
Kapitalschuld" verlangt werden. Verfehlt sei der Vorschlag Buchenbergers,
„von der Genehmigung zur Errichtung von Fideikommißgüteru nur einen
sparsamen Gebrauch zu machen." Im Gegenteil müsse man „von der neuen
Fideikommißgesetzgebung erhebliche Erleichterungen" erhoffen. Jedes neue
Fideikommiß, jeder so oder so befestigte kleine Grundbesitz sei die „zuverlässigste
Stütze für Königtum, Staat und Kirche."

Das sind agrarpolitische Anschauungen, die in ihren praktischen Konse¬
quenzen auf nichts mehr und nichts weniger hinauslaufen, als auf den völligen
Umsturz der preußischen Agrarverfassung, die man als die Stein-Hardenbergsche
zu bezeichnen Pflegt; und nach gelegentlichen öffentlichen Äußerungen Herrn
von Miquels kann Graf Klinckowström schon recht haben, wenn er diesen
Umsturz als das Endziel der großen Agrargesetzgebung hinstellt, „deren Trüger
ein genialer preußischer Minister ist." Es soll hier nicht näher auf diesen
Kampf von Genie gegen Genie eingegangen werden. Einige Gesetzesvorlagen
sollen ja in Preußen schon bereit liegen, und man muß abwarten, was sie
bringen. Wir haben in den Grenzboten wiederholt die Ansicht gefunden, daß
eine auf möglichst schnelle und allgemeine Zerschlagung der Rittergüter im
Osten gerichtete Landpolitik durchaus nicht am Platze wäre und nicht nur die


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[0298] Agrarpolitische Aussichten dischen Ökonomie." Der praktische Ostelbier Graf Klinckowström bezeichnet Buchenbergers Ansichten als durchaus modern, das soll heißen: „sammelnd, beruhigend, nach rechts und links, um schließlich zu Vorschlägen zu kommen, die allgemein bekannt und anerkannt, doch niemals genügen können, um eine so schwere Krankheit zu heilen, wie die, unter der die deutsche Landwirtschaft jetzt seit Jahren leidet." Zu bekämpfen unternimmt der ostpreußische Agrarier in erster Linie die Behauptung Buchenbergers, „daß im Norden und Nordosten der Großgrundbesitz stärker vertreten sei als erwünscht." Es sei unrichtig, von einer falschen Ver¬ teilung des Bodens östlich der Elbe zu sprechen und eine auf die Abstellung des angeblichen Fehlers gerichtete „sogenannte Landpolitik" zu empfehlen. Der Domänenbesitz des Staats müsse auch im Osten „unbedingt erhalten" werden. Eine „unbefriedigte Nachfrage nach Land" sei auch für den Osten zu bestreiten. Land sei mehr zu haben, als gefordert werde. Buchenberger mache sich einer übertriebnen Schwärmerei für die preußische Anstedlungspolitik schuldig. Er, Graf Klinckowström, sei immer dafür eingetreten, „mit Staatshilfe den »be¬ stehenden,« arg gefährdeten Bauernbesitz in Rentengüter umzuwandeln, nicht aber durch Schaffung von kleinen neuen Stellen landwirtschaftliches Proletariat zu erzeugen." Der „alte, gute, einfache und zuverlässige Stamm" sei da¬ gewesen, warum wolle man da, statt ihn zu erhalten, „Neuerungen" anfangen. Die Nentengutsgesetzgebung sei doch immer nur „der Anfang der großen Agrargesetzgebung, deren Träger ein genialer preußischer Minister ist." Diese Gesetzgebung solle dem „ganzen Grundbesitz" zu gute kommen, „wenigstens soweit es den Gewohnheiten entspricht," es müsse „voller Bruch mit der Kapitalschuld" verlangt werden. Verfehlt sei der Vorschlag Buchenbergers, „von der Genehmigung zur Errichtung von Fideikommißgüteru nur einen sparsamen Gebrauch zu machen." Im Gegenteil müsse man „von der neuen Fideikommißgesetzgebung erhebliche Erleichterungen" erhoffen. Jedes neue Fideikommiß, jeder so oder so befestigte kleine Grundbesitz sei die „zuverlässigste Stütze für Königtum, Staat und Kirche." Das sind agrarpolitische Anschauungen, die in ihren praktischen Konse¬ quenzen auf nichts mehr und nichts weniger hinauslaufen, als auf den völligen Umsturz der preußischen Agrarverfassung, die man als die Stein-Hardenbergsche zu bezeichnen Pflegt; und nach gelegentlichen öffentlichen Äußerungen Herrn von Miquels kann Graf Klinckowström schon recht haben, wenn er diesen Umsturz als das Endziel der großen Agrargesetzgebung hinstellt, „deren Trüger ein genialer preußischer Minister ist." Es soll hier nicht näher auf diesen Kampf von Genie gegen Genie eingegangen werden. Einige Gesetzesvorlagen sollen ja in Preußen schon bereit liegen, und man muß abwarten, was sie bringen. Wir haben in den Grenzboten wiederholt die Ansicht gefunden, daß eine auf möglichst schnelle und allgemeine Zerschlagung der Rittergüter im Osten gerichtete Landpolitik durchaus nicht am Platze wäre und nicht nur die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/298>, abgerufen am 07.01.2025.