Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.dieser, noch dazu nur einmal im Monat erscheinenden Zeitschrift und unter diesen dieser, noch dazu nur einmal im Monat erscheinenden Zeitschrift und unter diesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227192"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_991" prev="#ID_990" next="#ID_992"> dieser, noch dazu nur einmal im Monat erscheinenden Zeitschrift und unter diesen<lb/> doch immerhin ernsthaft interessanten Umständen, unter denen der Herausgeber jetzt<lb/> öffentlich laut wird, durfte man erwarten, daß er sich nicht mit dem kurzen, auch<lb/> noch mit langen Zitaten belasteten Aufangsbrnchstück einer Arbeit abfinden würde,<lb/> die doch augenscheinlich die Kern- und Hauptfrage, um die er kämpfen will, pro¬<lb/> grammatisch treffen soll. Ist diese Art, mit dem Leser umzuspringen, nicht<lb/> Zufall, denn ist gegen sie als schlechte Manier nachdrücklich Verwahrung einzulegen,<lb/> Sie paßt für Pscudogeuics wie Arno Holz, aber nicht in diese Zeitschrift. Dem<lb/> Inhalt nach behandelt der Herausgeber auf seinen sieben Seiten den Widerspruch,<lb/> in den gewisse kathedersozialistischc Erklärungen auf dem letzten Evangelisch-sozialen<lb/> Kongreß in Leipzig (1897) gerate» sind mit der früher von denselben Leuten<lb/> in bekannter Unfehlbarkeit verkündeten Theorie von der „Vernichtung des Mittel¬<lb/> standes." Von dem Widerspruch, in den sich neuerdings die Sozialdemokraten<lb/> mit der „Verelendungstheorie" gesetzt haben, will er erst später reden. Wörtlich<lb/> beginnt das Artikelbruchstück wie folgt: „Binnen fünf Jahren hat die in Deutsch¬<lb/> land herrschende Nationalökonomie einen merkwürdigen Wandel ihrer Anschauungen<lb/> durchgemacht. In zwanzigjähriger Arbeit war sie dazu gelangt, sür gewisse<lb/> »Theorien« den Beifall der Presse und eines großen Teils der ungeschriebnen<lb/> öffentlichen Meinung zu gewinnen. Binnen kurzer Frist verließ sie dieselbe und rief<lb/> neue Götter an." Noch als der Herausgeber — heißt es an einer andern Stelle —<lb/> vor fünf Jahren mit seinem Versuch hervorgetreten sei, „der als System des<lb/> sozialen Optimismus den Kampf gegen die Lehren des Pessimismus aufnahm," sei<lb/> es nur natürlich gewesen, „daß er mit Hohn als ein Einbruch in die Burg ge¬<lb/> schlossener Erbwahrheiten betrachtet und mit allen Mitteln, über welche beschränkter<lb/> Fanatismus von den ältesten Zeiten an verfügt, zurückgewiesen und verurteilt<lb/> Wurde." „Nichts in der Aufnahme, die er fand, verriet, daß, ehe fünf Jahre um<lb/> sein würden, der »Sozialismus« die dort bekämpfte Theorie der Verelendung, der<lb/> »Kathedcrsozialismus« die Theorie vom Schwinden des Mittelstands fallen gelassen<lb/> und beide Richtungen, jede für sich, eine von den zwei Festungen im Reiche des<lb/> sozialen Pessimismus preisgegeben haben würde, denn in so kurzer Zeit vollziehen<lb/> sich selten Bekehrungen des öffentlichen Geistes." Wir begreifen, daß es Wolf<lb/> eine gewisse Genugthuung gewährt, die alten Aussprüche Schmollers mit seiner<lb/> Rettung des Mittelstands vor den Evangelisch-sozialen zu vergleiche!,, und er hat ganz<lb/> gewiß Recht, wenn er den Vorwurf an die Kathedersozialisten zurückverweist, den<lb/> Ad. Wagner auf dem Kongreß den Sozialdemokraten machte: „Ihr habt völlig falsch<lb/> generalisirt, indem ihr das, was bei gewissen Erwerbsbernfen, Gewerben teilweise<lb/> gilt, ohne weiteres für die ganze Entwicklung der Volkswirtschaft als allgemeines<lb/> Prinzip aufgestellt habt." Aber ob er deshalb schon von einer „Bekehrung des<lb/> öffentlichen Geistes" nach dem Erscheinen seines Systems der Sozialpolitik vor<lb/> fünf Jahren sprechen kann, ob die Kathedersozialisten wirklich eine „Schwenkung"<lb/> von nennenswerter praktischer Bedeutung bewußt vollzogen haben, das ist uns doch<lb/> vorläufig noch keineswegs bewiesen. Jedenfalls werden diese unfehlbaren Herren<lb/> selbst versichern, an eine Schwenkung gar nicht zu denken, und wenigstens Schmoller<lb/> hat doch im Verein für Sozialpolitik in Köln und in seiner bekannten Berliner<lb/> Rektoratsrede schon ganz unzweideutig kund gethan, daß er und die seinen — zu<lb/> denen ja Wagner ganz und gar nicht gehört — „unentwegt" und unbelehrbar<lb/> den Faden falscher Geueralisiruugen und vermessener Prophezeiungen fortzuspinnen<lb/> entschlossen sind. Diese Leute zur Kapitulation zu zwingen, sollte sich Herr Professor<lb/> Wolf lieber nicht gar so leicht vorstellen. Die Rolle, der Ruf, die Macht der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
dieser, noch dazu nur einmal im Monat erscheinenden Zeitschrift und unter diesen
doch immerhin ernsthaft interessanten Umständen, unter denen der Herausgeber jetzt
öffentlich laut wird, durfte man erwarten, daß er sich nicht mit dem kurzen, auch
noch mit langen Zitaten belasteten Aufangsbrnchstück einer Arbeit abfinden würde,
die doch augenscheinlich die Kern- und Hauptfrage, um die er kämpfen will, pro¬
grammatisch treffen soll. Ist diese Art, mit dem Leser umzuspringen, nicht
Zufall, denn ist gegen sie als schlechte Manier nachdrücklich Verwahrung einzulegen,
Sie paßt für Pscudogeuics wie Arno Holz, aber nicht in diese Zeitschrift. Dem
Inhalt nach behandelt der Herausgeber auf seinen sieben Seiten den Widerspruch,
in den gewisse kathedersozialistischc Erklärungen auf dem letzten Evangelisch-sozialen
Kongreß in Leipzig (1897) gerate» sind mit der früher von denselben Leuten
in bekannter Unfehlbarkeit verkündeten Theorie von der „Vernichtung des Mittel¬
standes." Von dem Widerspruch, in den sich neuerdings die Sozialdemokraten
mit der „Verelendungstheorie" gesetzt haben, will er erst später reden. Wörtlich
beginnt das Artikelbruchstück wie folgt: „Binnen fünf Jahren hat die in Deutsch¬
land herrschende Nationalökonomie einen merkwürdigen Wandel ihrer Anschauungen
durchgemacht. In zwanzigjähriger Arbeit war sie dazu gelangt, sür gewisse
»Theorien« den Beifall der Presse und eines großen Teils der ungeschriebnen
öffentlichen Meinung zu gewinnen. Binnen kurzer Frist verließ sie dieselbe und rief
neue Götter an." Noch als der Herausgeber — heißt es an einer andern Stelle —
vor fünf Jahren mit seinem Versuch hervorgetreten sei, „der als System des
sozialen Optimismus den Kampf gegen die Lehren des Pessimismus aufnahm," sei
es nur natürlich gewesen, „daß er mit Hohn als ein Einbruch in die Burg ge¬
schlossener Erbwahrheiten betrachtet und mit allen Mitteln, über welche beschränkter
Fanatismus von den ältesten Zeiten an verfügt, zurückgewiesen und verurteilt
Wurde." „Nichts in der Aufnahme, die er fand, verriet, daß, ehe fünf Jahre um
sein würden, der »Sozialismus« die dort bekämpfte Theorie der Verelendung, der
»Kathedcrsozialismus« die Theorie vom Schwinden des Mittelstands fallen gelassen
und beide Richtungen, jede für sich, eine von den zwei Festungen im Reiche des
sozialen Pessimismus preisgegeben haben würde, denn in so kurzer Zeit vollziehen
sich selten Bekehrungen des öffentlichen Geistes." Wir begreifen, daß es Wolf
eine gewisse Genugthuung gewährt, die alten Aussprüche Schmollers mit seiner
Rettung des Mittelstands vor den Evangelisch-sozialen zu vergleiche!,, und er hat ganz
gewiß Recht, wenn er den Vorwurf an die Kathedersozialisten zurückverweist, den
Ad. Wagner auf dem Kongreß den Sozialdemokraten machte: „Ihr habt völlig falsch
generalisirt, indem ihr das, was bei gewissen Erwerbsbernfen, Gewerben teilweise
gilt, ohne weiteres für die ganze Entwicklung der Volkswirtschaft als allgemeines
Prinzip aufgestellt habt." Aber ob er deshalb schon von einer „Bekehrung des
öffentlichen Geistes" nach dem Erscheinen seines Systems der Sozialpolitik vor
fünf Jahren sprechen kann, ob die Kathedersozialisten wirklich eine „Schwenkung"
von nennenswerter praktischer Bedeutung bewußt vollzogen haben, das ist uns doch
vorläufig noch keineswegs bewiesen. Jedenfalls werden diese unfehlbaren Herren
selbst versichern, an eine Schwenkung gar nicht zu denken, und wenigstens Schmoller
hat doch im Verein für Sozialpolitik in Köln und in seiner bekannten Berliner
Rektoratsrede schon ganz unzweideutig kund gethan, daß er und die seinen — zu
denen ja Wagner ganz und gar nicht gehört — „unentwegt" und unbelehrbar
den Faden falscher Geueralisiruugen und vermessener Prophezeiungen fortzuspinnen
entschlossen sind. Diese Leute zur Kapitulation zu zwingen, sollte sich Herr Professor
Wolf lieber nicht gar so leicht vorstellen. Die Rolle, der Ruf, die Macht der
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