Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches in die Augen getreten, als sie diese traurige Katastrophe erleben mußten. Aber Die Politischen Fehler, die seit 1890 gemacht sein mögen, können dafür nicht Und wie nehmen sich in dieser Beleuchtung die Gutachten aus, die unsre so Maßgebliches und Unmaßgebliches in die Augen getreten, als sie diese traurige Katastrophe erleben mußten. Aber Die Politischen Fehler, die seit 1890 gemacht sein mögen, können dafür nicht Und wie nehmen sich in dieser Beleuchtung die Gutachten aus, die unsre so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227189"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_981" prev="#ID_980"> in die Augen getreten, als sie diese traurige Katastrophe erleben mußten. Aber<lb/> wenn man sich auch kein Urteil über Schuld und Nichtschuld anmaßen konnte,<lb/> darüber durfte doch schon damals kein unbefangner Mann im Zweifel sein, daß<lb/> die Geschichte es spater als ungerecht erweisen werde, wenn man dem jungen Kaiser<lb/> allein die Schuld an diesen Vorgängen zuschriebe. Und vollends mußte sich jedem<lb/> unbefangnen Manne mit jedem Jahr seit 1890 die Überzeugung mehr und mehr<lb/> aufdrängen, daß die an die Entlassung Bismarcks anknüpfende und sie bis heute agi¬<lb/> tatorisch ausbeutende Fronde weit über die fiir einen königstrenen Preußen entschuldbare<lb/> Grenze hinausgegangen ist nud sich schwer an dem gesunden politischen Sinn unsrer<lb/> bessern Stände versündigt hat. Mit unverzeihlicher Frivolität, sich feig hinter der<lb/> thatsächlich sakrosankten Person des größten Mannes deckend, den Deutschland seit<lb/> Jahrhunderte» gehabt hat, hat diese Fronde unendlich viel zum Umsichgreifen der<lb/> Krankheit, von der wir hier sprechen, beigetragen. Man soll sich hüten, diese<lb/> schmutzige Wäsche jemals vor der „Öffentlichkeit," vor Gericht waschen zu wollen.<lb/> Aber vor allem darf der ehrliche königstreue Monarchist heute nicht mehr im Un¬<lb/> klaren darüber bleiben, daß gerade in der „besten" Gesellschaft unter der mi߬<lb/> bräuchlichen Schutzmarke „Bismarck" die Neigung, die Majestät des Monarchen zu<lb/> beleidigen, bedenklich zur Mode geworden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_982"> Die Politischen Fehler, die seit 1890 gemacht sein mögen, können dafür nicht<lb/> als Entschuldigung dienen. Es ist müßig zu phantasiren, wie es geworden wäre,<lb/> wenn Bismarck im Amt geblieben wäre. Es mußte auch ohne ihn gehen, gut oder<lb/> schlecht, und „nur" schlecht ist es doch nicht gegangen. Es ist freilich ein eignes<lb/> Geschick, in dieser Zeit des sensationslüsternen Pessimismus deutscher Kaiser zu<lb/> sein, der Nachfolger der ruhen- und erfolgreichsten Männer der deutschen Geschichte.<lb/> Dieser sensationslüsterne Pessimismus — zu deutsch: die weibische Heulmeierei, die<lb/> mit klatschsüchtiger Freude über alles gepaart, was elend und häßlich ist, und<lb/> blind gegen alles Edle und Schöne, niemals daran denkt, selbst handelnd das<lb/> Schlechte wieder gut zu machen — wo soll dieser Pessimismus die Fähigkeit<lb/> und den guten Willen hernehmen, diesem Monarchen gerecht zu werden? Man sehe<lb/> sich doch nnr einmal um in den Kreisen, in die man Einblick hat, und wenn man<lb/> die Augen der Herrn Räte aller Klassen und der Grafen, Freiherrn und Herrn<lb/> ,^on" glänzen sieht über Trojans Teufel mit dem Knoten im Schwanz oder über<lb/> Harders Giftzahn und Pferdefuß oder gar über die Unflatereien des „Vorwärts,"<lb/> denn frage man doch einmal, was die Liebhaber dieser pikanten Dinge in der<lb/> praktischen Politik des Kaisers eigentlich geändert haben wollen, um das Gute an<lb/> Stelle des Schlechten zu setzen. Da ist, 1000 gegen 1 zu wetten, sobald das<lb/> Gesnmtwvhl in Betracht kommt, das Latein vollständig zu Ende! Wahrhaftig man<lb/> möchte fast glauben, daß diese Kreise erst durch furchtbar schweres nationales Un¬<lb/> glück zur Vernunft gebracht und von ihren pessimistischen Liebhabereien, auch von<lb/> der für Majestätsbeleidigungen, geheilt werden können, daß sie erst durch schwere<lb/> Not und Niederlagen das Große, Edle, Gute an der hoheuzollerschen Monarchie<lb/> u»d von diesem Hohenzollern wieder werden begreifen lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_983" next="#ID_984"> Und wie nehmen sich in dieser Beleuchtung die Gutachten aus, die unsre so<lb/> Redlich um ruhige, ernste, weitblickende Förderung der Wahrheit bemühte Presse<lb/> dem lieben Publikum geboten hat? Was sagen die befragten Herren Juristen und<lb/> ^hevlogen, Dichter und Klavierspieler schönes über die Majestätsbeleidigungen?<lb/> Findet sich irgendwo auch mir ein Anklang an die Frage, ob das liebe Publikum,<lb/> diese gute bis beste Gesellschaft, vielleicht auch ein klein wenig daran schuld sein<lb/> konnte, daß es so ist, wie es ist, und ob diese Gesellschaft nicht auch ein klein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0287]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
in die Augen getreten, als sie diese traurige Katastrophe erleben mußten. Aber
wenn man sich auch kein Urteil über Schuld und Nichtschuld anmaßen konnte,
darüber durfte doch schon damals kein unbefangner Mann im Zweifel sein, daß
die Geschichte es spater als ungerecht erweisen werde, wenn man dem jungen Kaiser
allein die Schuld an diesen Vorgängen zuschriebe. Und vollends mußte sich jedem
unbefangnen Manne mit jedem Jahr seit 1890 die Überzeugung mehr und mehr
aufdrängen, daß die an die Entlassung Bismarcks anknüpfende und sie bis heute agi¬
tatorisch ausbeutende Fronde weit über die fiir einen königstrenen Preußen entschuldbare
Grenze hinausgegangen ist nud sich schwer an dem gesunden politischen Sinn unsrer
bessern Stände versündigt hat. Mit unverzeihlicher Frivolität, sich feig hinter der
thatsächlich sakrosankten Person des größten Mannes deckend, den Deutschland seit
Jahrhunderte» gehabt hat, hat diese Fronde unendlich viel zum Umsichgreifen der
Krankheit, von der wir hier sprechen, beigetragen. Man soll sich hüten, diese
schmutzige Wäsche jemals vor der „Öffentlichkeit," vor Gericht waschen zu wollen.
Aber vor allem darf der ehrliche königstreue Monarchist heute nicht mehr im Un¬
klaren darüber bleiben, daß gerade in der „besten" Gesellschaft unter der mi߬
bräuchlichen Schutzmarke „Bismarck" die Neigung, die Majestät des Monarchen zu
beleidigen, bedenklich zur Mode geworden ist.
Die Politischen Fehler, die seit 1890 gemacht sein mögen, können dafür nicht
als Entschuldigung dienen. Es ist müßig zu phantasiren, wie es geworden wäre,
wenn Bismarck im Amt geblieben wäre. Es mußte auch ohne ihn gehen, gut oder
schlecht, und „nur" schlecht ist es doch nicht gegangen. Es ist freilich ein eignes
Geschick, in dieser Zeit des sensationslüsternen Pessimismus deutscher Kaiser zu
sein, der Nachfolger der ruhen- und erfolgreichsten Männer der deutschen Geschichte.
Dieser sensationslüsterne Pessimismus — zu deutsch: die weibische Heulmeierei, die
mit klatschsüchtiger Freude über alles gepaart, was elend und häßlich ist, und
blind gegen alles Edle und Schöne, niemals daran denkt, selbst handelnd das
Schlechte wieder gut zu machen — wo soll dieser Pessimismus die Fähigkeit
und den guten Willen hernehmen, diesem Monarchen gerecht zu werden? Man sehe
sich doch nnr einmal um in den Kreisen, in die man Einblick hat, und wenn man
die Augen der Herrn Räte aller Klassen und der Grafen, Freiherrn und Herrn
,^on" glänzen sieht über Trojans Teufel mit dem Knoten im Schwanz oder über
Harders Giftzahn und Pferdefuß oder gar über die Unflatereien des „Vorwärts,"
denn frage man doch einmal, was die Liebhaber dieser pikanten Dinge in der
praktischen Politik des Kaisers eigentlich geändert haben wollen, um das Gute an
Stelle des Schlechten zu setzen. Da ist, 1000 gegen 1 zu wetten, sobald das
Gesnmtwvhl in Betracht kommt, das Latein vollständig zu Ende! Wahrhaftig man
möchte fast glauben, daß diese Kreise erst durch furchtbar schweres nationales Un¬
glück zur Vernunft gebracht und von ihren pessimistischen Liebhabereien, auch von
der für Majestätsbeleidigungen, geheilt werden können, daß sie erst durch schwere
Not und Niederlagen das Große, Edle, Gute an der hoheuzollerschen Monarchie
u»d von diesem Hohenzollern wieder werden begreifen lernen.
Und wie nehmen sich in dieser Beleuchtung die Gutachten aus, die unsre so
Redlich um ruhige, ernste, weitblickende Förderung der Wahrheit bemühte Presse
dem lieben Publikum geboten hat? Was sagen die befragten Herren Juristen und
^hevlogen, Dichter und Klavierspieler schönes über die Majestätsbeleidigungen?
Findet sich irgendwo auch mir ein Anklang an die Frage, ob das liebe Publikum,
diese gute bis beste Gesellschaft, vielleicht auch ein klein wenig daran schuld sein
konnte, daß es so ist, wie es ist, und ob diese Gesellschaft nicht auch ein klein
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