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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Die Kunst für das Volk

vielfach eigentümlichen, aber immer bestimmten Geschmack, in ihren sichern
Urteilen über Kunstdinge und in dem ziemlich tief hinunterreichenden Interesse
dafür, liegt nicht darin ein noch wertvollerer Besitz beschlossen, nämlich
die Erfahrungen einer ruhmvollen Geschichte und das Bewußtsein einer alten,
reichen Kultur?' Ohne weiteres wird einleuchten, was Lichtwark über den
wirtschaftlichen Kampf der Zukunft im Hinblick auf die künstlerische Erziehung
sagt: Wir würden unsre Rolle auf dem Weltmarkte nur behaupten können,
wenn wir uns einen "heimischen Konsumenten, der die höchsten Anforderungen
stellt," erzogen. Dafür ist nun ja Hamburg gewiß der richtige Platz: eine
reiche Bevölkerung und ausgedehnter Welthandel, dazu eigne Tradition in
schöner Litteratur und sogar in Malerei, das sind die Grundlagen, und ein
strebsamer, für seiue Sache begeisterter Lehrerstand wird unter so kundiger
Leitung schon etwas daraus zu gewinnen wissen, wovon wir unsern Lesern
hoffentlich wieder einmal berichten können.

Von demselben Verlage sind in ähnlichen hübschen Einbänden fünf andre
kleine Eiuzelschriften Lichtwarks herausgegeben worden, die alle dem Interesse,
das man in Hamburg an bildender Kunst nimmt, ihre Entstehung verdanken.
Aus Vortrügen über Reiseziele und Neisevorbereitung ging hervor: Deutsche
Königs se atte (Berlin, Potsdam, Dresden, München, Stuttgart), ans der
geschichtlichen Betrachtung der Heimat ein andres Büchlein: Hamburg
(Niedersachsen). Wir haben uns schon früher bei der Besprechung des "Pan,"
worin der größere Teil des Inhalts dieser zwei Bücher zuerst erschienen ist, über
diese belehrende und zugleich unterhaltende Art ausgesprochen, Reisende und
Spaziergänger zum eignen Beobachten zu veranlassen, und wir hoffen, daß das
Gebotne in der neuen Form die gebührende Aufnahme finde. Wir sollen
unsre Umgebung verstehen, indem wir die Umstünde, aus denen sie hervor¬
gegangen ist, in ihrer äußern Erscheinung wiederfinden -- das ist, kurz aus¬
gedrückt, das Ziel dieser Methode.

Ein drittes Heft: Die Wiedererweckung der Medaille, giebt außer
einigen zuerst im Pan erschienenen Aufsätzen über moderne französische Medaillen
und Plaketten Bemerkungen über diese Art von kleinen Gelegenheitskunstwerken
in Wien und in Deutschland. Die Gattung steckt bei uns noch in den An¬
sängen, sie ist geeignet, den Sinn für kräftigen Ausdruck und schöne Form
mit kleinen Mitteln zu wecken, und aus Lichtwarks Buch mit seinen vielen
Abbildungen können sich über das Wie? in ausgiebiger Weise auch solche
unterrichten, die bisher noch nie von einer Medaille außer im Zusammenhang
mit einer Rettung aus der Gefahr des Ertrinkens gehört haben.

Wieder ein andres Gebiet wird in einem vierten behandelt: Vom
Arbeitsfeld des Dilettantismus, immer zunächst im Anschluß an die
Bestrebungen Hamburgischer Dilettantenvereine. Der Dilettantismus in den


Die Kunst für das Volk

vielfach eigentümlichen, aber immer bestimmten Geschmack, in ihren sichern
Urteilen über Kunstdinge und in dem ziemlich tief hinunterreichenden Interesse
dafür, liegt nicht darin ein noch wertvollerer Besitz beschlossen, nämlich
die Erfahrungen einer ruhmvollen Geschichte und das Bewußtsein einer alten,
reichen Kultur?' Ohne weiteres wird einleuchten, was Lichtwark über den
wirtschaftlichen Kampf der Zukunft im Hinblick auf die künstlerische Erziehung
sagt: Wir würden unsre Rolle auf dem Weltmarkte nur behaupten können,
wenn wir uns einen „heimischen Konsumenten, der die höchsten Anforderungen
stellt," erzogen. Dafür ist nun ja Hamburg gewiß der richtige Platz: eine
reiche Bevölkerung und ausgedehnter Welthandel, dazu eigne Tradition in
schöner Litteratur und sogar in Malerei, das sind die Grundlagen, und ein
strebsamer, für seiue Sache begeisterter Lehrerstand wird unter so kundiger
Leitung schon etwas daraus zu gewinnen wissen, wovon wir unsern Lesern
hoffentlich wieder einmal berichten können.

Von demselben Verlage sind in ähnlichen hübschen Einbänden fünf andre
kleine Eiuzelschriften Lichtwarks herausgegeben worden, die alle dem Interesse,
das man in Hamburg an bildender Kunst nimmt, ihre Entstehung verdanken.
Aus Vortrügen über Reiseziele und Neisevorbereitung ging hervor: Deutsche
Königs se atte (Berlin, Potsdam, Dresden, München, Stuttgart), ans der
geschichtlichen Betrachtung der Heimat ein andres Büchlein: Hamburg
(Niedersachsen). Wir haben uns schon früher bei der Besprechung des „Pan,"
worin der größere Teil des Inhalts dieser zwei Bücher zuerst erschienen ist, über
diese belehrende und zugleich unterhaltende Art ausgesprochen, Reisende und
Spaziergänger zum eignen Beobachten zu veranlassen, und wir hoffen, daß das
Gebotne in der neuen Form die gebührende Aufnahme finde. Wir sollen
unsre Umgebung verstehen, indem wir die Umstünde, aus denen sie hervor¬
gegangen ist, in ihrer äußern Erscheinung wiederfinden — das ist, kurz aus¬
gedrückt, das Ziel dieser Methode.

Ein drittes Heft: Die Wiedererweckung der Medaille, giebt außer
einigen zuerst im Pan erschienenen Aufsätzen über moderne französische Medaillen
und Plaketten Bemerkungen über diese Art von kleinen Gelegenheitskunstwerken
in Wien und in Deutschland. Die Gattung steckt bei uns noch in den An¬
sängen, sie ist geeignet, den Sinn für kräftigen Ausdruck und schöne Form
mit kleinen Mitteln zu wecken, und aus Lichtwarks Buch mit seinen vielen
Abbildungen können sich über das Wie? in ausgiebiger Weise auch solche
unterrichten, die bisher noch nie von einer Medaille außer im Zusammenhang
mit einer Rettung aus der Gefahr des Ertrinkens gehört haben.

Wieder ein andres Gebiet wird in einem vierten behandelt: Vom
Arbeitsfeld des Dilettantismus, immer zunächst im Anschluß an die
Bestrebungen Hamburgischer Dilettantenvereine. Der Dilettantismus in den


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[0274] Die Kunst für das Volk vielfach eigentümlichen, aber immer bestimmten Geschmack, in ihren sichern Urteilen über Kunstdinge und in dem ziemlich tief hinunterreichenden Interesse dafür, liegt nicht darin ein noch wertvollerer Besitz beschlossen, nämlich die Erfahrungen einer ruhmvollen Geschichte und das Bewußtsein einer alten, reichen Kultur?' Ohne weiteres wird einleuchten, was Lichtwark über den wirtschaftlichen Kampf der Zukunft im Hinblick auf die künstlerische Erziehung sagt: Wir würden unsre Rolle auf dem Weltmarkte nur behaupten können, wenn wir uns einen „heimischen Konsumenten, der die höchsten Anforderungen stellt," erzogen. Dafür ist nun ja Hamburg gewiß der richtige Platz: eine reiche Bevölkerung und ausgedehnter Welthandel, dazu eigne Tradition in schöner Litteratur und sogar in Malerei, das sind die Grundlagen, und ein strebsamer, für seiue Sache begeisterter Lehrerstand wird unter so kundiger Leitung schon etwas daraus zu gewinnen wissen, wovon wir unsern Lesern hoffentlich wieder einmal berichten können. Von demselben Verlage sind in ähnlichen hübschen Einbänden fünf andre kleine Eiuzelschriften Lichtwarks herausgegeben worden, die alle dem Interesse, das man in Hamburg an bildender Kunst nimmt, ihre Entstehung verdanken. Aus Vortrügen über Reiseziele und Neisevorbereitung ging hervor: Deutsche Königs se atte (Berlin, Potsdam, Dresden, München, Stuttgart), ans der geschichtlichen Betrachtung der Heimat ein andres Büchlein: Hamburg (Niedersachsen). Wir haben uns schon früher bei der Besprechung des „Pan," worin der größere Teil des Inhalts dieser zwei Bücher zuerst erschienen ist, über diese belehrende und zugleich unterhaltende Art ausgesprochen, Reisende und Spaziergänger zum eignen Beobachten zu veranlassen, und wir hoffen, daß das Gebotne in der neuen Form die gebührende Aufnahme finde. Wir sollen unsre Umgebung verstehen, indem wir die Umstünde, aus denen sie hervor¬ gegangen ist, in ihrer äußern Erscheinung wiederfinden — das ist, kurz aus¬ gedrückt, das Ziel dieser Methode. Ein drittes Heft: Die Wiedererweckung der Medaille, giebt außer einigen zuerst im Pan erschienenen Aufsätzen über moderne französische Medaillen und Plaketten Bemerkungen über diese Art von kleinen Gelegenheitskunstwerken in Wien und in Deutschland. Die Gattung steckt bei uns noch in den An¬ sängen, sie ist geeignet, den Sinn für kräftigen Ausdruck und schöne Form mit kleinen Mitteln zu wecken, und aus Lichtwarks Buch mit seinen vielen Abbildungen können sich über das Wie? in ausgiebiger Weise auch solche unterrichten, die bisher noch nie von einer Medaille außer im Zusammenhang mit einer Rettung aus der Gefahr des Ertrinkens gehört haben. Wieder ein andres Gebiet wird in einem vierten behandelt: Vom Arbeitsfeld des Dilettantismus, immer zunächst im Anschluß an die Bestrebungen Hamburgischer Dilettantenvereine. Der Dilettantismus in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/274>, abgerufen am 09.01.2025.