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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Reichsländische Zeitfragen

er übersprungen hat, daran dächten, ihm Schwierigkeiten zu machen, und
auch sonst etwas andres als das Beste wollten, aber der Amtsapparat der
Zentralstelle als solcher ist zu groß; seit Einführung der Miuisterialverfassuug
hat er sich mehr als verdoppelt. Das ist eine starke Hemmung für die Initiative
jedes Ministers, er hätte denn ein außerordentliches Maß von Energie und
Zähigkeit. Schließlich wird es darin wohl im wesentlichen beim alten bleiben,
und Herr Dr. Petri wird noch mehr Veranlassung haben, seine Hauptthätigkeit
den Personalfragen zuzuwenden. Darüber ist noch etwas nachzutragen, was
meines Erachtens sehr wichtig ist. Im Reichslande wird viel antichambrirt,
und die Altdeutschen nehmen daran nicht weniger teil als die Eingebornen.
Aber bisher ist im Sprechzimmer des Ministers doch kaum von deutschen
Justizbeamten etwas andres als deutsch gesprochen worden. Das wird jetzt
aller Wahrscheinlichkeit nach anders werden, denn als korrekter "Einheimischer"
spricht Herr Dr. Petri mit andern Einheimischen nicht ungern französisch, lehnt
jedenfalls den Gebrauch dieser Sprache nicht ab. Dergleichen ist ja, wie be¬
hauptet wird, nur harmlose Sprachübung, aber ich bin nun einmal Chauvinist
und kann deshalb von dem Irrtum nicht loskommen, daß zu deutschem Wesen
auch deutsche Sprache gehört, und daß das Beispiel von oben zu kommen hat.

Im Landesausschuß ist die Ernennung des Herrn Dr. Petri mit allge¬
meinem Beifall aufgenommen worden. Der Beifall ist sicher aufrichtig ge¬
wesen und wird von der Bevölkerung geteilt. Es soll auch kein Abzug daran
versucht werden, in der Richtung etwa, daß der Beifall weniger der Person
als der Landsmannschaft gölte, wie man sie im Landesausschuß und im Lande
selbst gegen uus auffaßt. Aber in derselben Sitzung haben bei der Debatte
sofort Ausnahme- und Gleichstellung und Feindseligkeit gegen deutsche Ein¬
richtungen die alte Rolle gespielt. Das ist ja uur Geplänkel und will nicht
viel sagen, immerhin zeugt es uicht von einer mächtigen Wirkung der Er¬
nennung. Für den weitern Verlauf der Dinge wird ja Herr Dr. Petri damit
rechnen, daß der Sitz am Ministertische zwar ehrenreicher ist als der Sperrsitz
des Abgeordneten, aber auch weniger behaglich, und daß es etwas ganz andres
ist, sich von jedem Abgeordneten "anzapfen" lassen zu müssen, als selber an¬
zuzapfen oder großmütig zu verteidigen. Seine Ministerialabteilung bietet
überdies mehr Angriffspunkte dar als die seinem Doppelkollegen, Herrn Zorn
von Bulach, zugefallne landwirtschaftliche, und dieser ist ein Notabler erster
Klasse, was Herr Dr. Petri nicht ist. Allerdings kann sich dafür Herr
Dr. Petri manchen Mitgliedern des Landesausschnsses oder ihrer Klientel recht
unangenehm machen, innerhalb der durch die Pflichtübung gesteckten Grenze.
Das sind, wird man vielleicht einwenden, persönliche Umstünde, aber in einem
kleinen Lande sind sie recht wichtig. Doch, was bedeutet die Ernennung für
die nächste Zukunft, für die "politische Konstellation"?

Die Negierung legt großen Wert daraus, daß eine von ihr beantragte
Kapitalrentensteuer zum Gesetz werde. Dieses Gesetz wäre in der That mehr


Reichsländische Zeitfragen

er übersprungen hat, daran dächten, ihm Schwierigkeiten zu machen, und
auch sonst etwas andres als das Beste wollten, aber der Amtsapparat der
Zentralstelle als solcher ist zu groß; seit Einführung der Miuisterialverfassuug
hat er sich mehr als verdoppelt. Das ist eine starke Hemmung für die Initiative
jedes Ministers, er hätte denn ein außerordentliches Maß von Energie und
Zähigkeit. Schließlich wird es darin wohl im wesentlichen beim alten bleiben,
und Herr Dr. Petri wird noch mehr Veranlassung haben, seine Hauptthätigkeit
den Personalfragen zuzuwenden. Darüber ist noch etwas nachzutragen, was
meines Erachtens sehr wichtig ist. Im Reichslande wird viel antichambrirt,
und die Altdeutschen nehmen daran nicht weniger teil als die Eingebornen.
Aber bisher ist im Sprechzimmer des Ministers doch kaum von deutschen
Justizbeamten etwas andres als deutsch gesprochen worden. Das wird jetzt
aller Wahrscheinlichkeit nach anders werden, denn als korrekter „Einheimischer"
spricht Herr Dr. Petri mit andern Einheimischen nicht ungern französisch, lehnt
jedenfalls den Gebrauch dieser Sprache nicht ab. Dergleichen ist ja, wie be¬
hauptet wird, nur harmlose Sprachübung, aber ich bin nun einmal Chauvinist
und kann deshalb von dem Irrtum nicht loskommen, daß zu deutschem Wesen
auch deutsche Sprache gehört, und daß das Beispiel von oben zu kommen hat.

Im Landesausschuß ist die Ernennung des Herrn Dr. Petri mit allge¬
meinem Beifall aufgenommen worden. Der Beifall ist sicher aufrichtig ge¬
wesen und wird von der Bevölkerung geteilt. Es soll auch kein Abzug daran
versucht werden, in der Richtung etwa, daß der Beifall weniger der Person
als der Landsmannschaft gölte, wie man sie im Landesausschuß und im Lande
selbst gegen uus auffaßt. Aber in derselben Sitzung haben bei der Debatte
sofort Ausnahme- und Gleichstellung und Feindseligkeit gegen deutsche Ein¬
richtungen die alte Rolle gespielt. Das ist ja uur Geplänkel und will nicht
viel sagen, immerhin zeugt es uicht von einer mächtigen Wirkung der Er¬
nennung. Für den weitern Verlauf der Dinge wird ja Herr Dr. Petri damit
rechnen, daß der Sitz am Ministertische zwar ehrenreicher ist als der Sperrsitz
des Abgeordneten, aber auch weniger behaglich, und daß es etwas ganz andres
ist, sich von jedem Abgeordneten „anzapfen" lassen zu müssen, als selber an¬
zuzapfen oder großmütig zu verteidigen. Seine Ministerialabteilung bietet
überdies mehr Angriffspunkte dar als die seinem Doppelkollegen, Herrn Zorn
von Bulach, zugefallne landwirtschaftliche, und dieser ist ein Notabler erster
Klasse, was Herr Dr. Petri nicht ist. Allerdings kann sich dafür Herr
Dr. Petri manchen Mitgliedern des Landesausschnsses oder ihrer Klientel recht
unangenehm machen, innerhalb der durch die Pflichtübung gesteckten Grenze.
Das sind, wird man vielleicht einwenden, persönliche Umstünde, aber in einem
kleinen Lande sind sie recht wichtig. Doch, was bedeutet die Ernennung für
die nächste Zukunft, für die „politische Konstellation"?

Die Negierung legt großen Wert daraus, daß eine von ihr beantragte
Kapitalrentensteuer zum Gesetz werde. Dieses Gesetz wäre in der That mehr


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[0257] Reichsländische Zeitfragen er übersprungen hat, daran dächten, ihm Schwierigkeiten zu machen, und auch sonst etwas andres als das Beste wollten, aber der Amtsapparat der Zentralstelle als solcher ist zu groß; seit Einführung der Miuisterialverfassuug hat er sich mehr als verdoppelt. Das ist eine starke Hemmung für die Initiative jedes Ministers, er hätte denn ein außerordentliches Maß von Energie und Zähigkeit. Schließlich wird es darin wohl im wesentlichen beim alten bleiben, und Herr Dr. Petri wird noch mehr Veranlassung haben, seine Hauptthätigkeit den Personalfragen zuzuwenden. Darüber ist noch etwas nachzutragen, was meines Erachtens sehr wichtig ist. Im Reichslande wird viel antichambrirt, und die Altdeutschen nehmen daran nicht weniger teil als die Eingebornen. Aber bisher ist im Sprechzimmer des Ministers doch kaum von deutschen Justizbeamten etwas andres als deutsch gesprochen worden. Das wird jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach anders werden, denn als korrekter „Einheimischer" spricht Herr Dr. Petri mit andern Einheimischen nicht ungern französisch, lehnt jedenfalls den Gebrauch dieser Sprache nicht ab. Dergleichen ist ja, wie be¬ hauptet wird, nur harmlose Sprachübung, aber ich bin nun einmal Chauvinist und kann deshalb von dem Irrtum nicht loskommen, daß zu deutschem Wesen auch deutsche Sprache gehört, und daß das Beispiel von oben zu kommen hat. Im Landesausschuß ist die Ernennung des Herrn Dr. Petri mit allge¬ meinem Beifall aufgenommen worden. Der Beifall ist sicher aufrichtig ge¬ wesen und wird von der Bevölkerung geteilt. Es soll auch kein Abzug daran versucht werden, in der Richtung etwa, daß der Beifall weniger der Person als der Landsmannschaft gölte, wie man sie im Landesausschuß und im Lande selbst gegen uus auffaßt. Aber in derselben Sitzung haben bei der Debatte sofort Ausnahme- und Gleichstellung und Feindseligkeit gegen deutsche Ein¬ richtungen die alte Rolle gespielt. Das ist ja uur Geplänkel und will nicht viel sagen, immerhin zeugt es uicht von einer mächtigen Wirkung der Er¬ nennung. Für den weitern Verlauf der Dinge wird ja Herr Dr. Petri damit rechnen, daß der Sitz am Ministertische zwar ehrenreicher ist als der Sperrsitz des Abgeordneten, aber auch weniger behaglich, und daß es etwas ganz andres ist, sich von jedem Abgeordneten „anzapfen" lassen zu müssen, als selber an¬ zuzapfen oder großmütig zu verteidigen. Seine Ministerialabteilung bietet überdies mehr Angriffspunkte dar als die seinem Doppelkollegen, Herrn Zorn von Bulach, zugefallne landwirtschaftliche, und dieser ist ein Notabler erster Klasse, was Herr Dr. Petri nicht ist. Allerdings kann sich dafür Herr Dr. Petri manchen Mitgliedern des Landesausschnsses oder ihrer Klientel recht unangenehm machen, innerhalb der durch die Pflichtübung gesteckten Grenze. Das sind, wird man vielleicht einwenden, persönliche Umstünde, aber in einem kleinen Lande sind sie recht wichtig. Doch, was bedeutet die Ernennung für die nächste Zukunft, für die „politische Konstellation"? Die Negierung legt großen Wert daraus, daß eine von ihr beantragte Kapitalrentensteuer zum Gesetz werde. Dieses Gesetz wäre in der That mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/257>, abgerufen am 08.01.2025.