Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Zentrum und Flotte nur darauf hinaus, eine durchschlagende Begründung für die Ablehnung der Gerade dieser plumpe Versuch von Bauernfang wird seine guten Wir¬ Es kommt jetzt alles darauf an, daß die Regierungen fest bleiben. Das Zentrum und Flotte nur darauf hinaus, eine durchschlagende Begründung für die Ablehnung der Gerade dieser plumpe Versuch von Bauernfang wird seine guten Wir¬ Es kommt jetzt alles darauf an, daß die Regierungen fest bleiben. Das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227124"/> <fw type="header" place="top"> Zentrum und Flotte</fw><lb/> <p xml:id="ID_698" prev="#ID_697"> nur darauf hinaus, eine durchschlagende Begründung für die Ablehnung der<lb/> Regierungsforderungen zu finden. Ganze fünfundsiebzig Seiten der Schrift<lb/> find dem Nachweis der Unzulässigkeit auch der „etatsmäßigen Bewilligung"<lb/> der Flottenverstärkung gewidmet, ans zwei Seiten wird die „Forderung<lb/> dauernder gesetzlicher Festlegung der Flottenstärke" abgethan, und doch sehen<lb/> wir dann zum Schluß die schon mitgeteilten Sätze angehängt, mit denen jedem<lb/> Anschein, als ob der Verfasser und seine Parteigenossen sachlich der kaiserlichen<lb/> Flottenpolitik ein Bein stellen wollten, vorgebeugt werde» soll. Das kann doch<lb/> der Michel, wenn er aufgewacht sein wird, nur als Schwindel und Bauern¬<lb/> fang ansehen. Wir können nur dringend raten, die Müllersche Schrift und<lb/> den der Marinevvrlage gewidmeten Anhang zum Nichterschen Abcbuch zu lesen.<lb/> Es ist ein Hochgenuß, zu sehen, was das ?^r nodilö krg.dro.ur dem faulen<lb/> Michel uoch zu bieten wagt, und sich vorzustellen, wie der biedre Bärenhäuter,<lb/> wenn er aufwacht, mit diesen Herrschaften abfahren wird. Und aufwachen<lb/> wird der deutsche Michel im Zentrum wie im Freisinn, das hoffen wir,<lb/> bald genug.</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Gerade dieser plumpe Versuch von Bauernfang wird seine guten Wir¬<lb/> kungen haben. Das Unwürdige, zur Gefolgschaft einer Politik zu gehören,<lb/> mit deren Aufrichtigkeit in den wichtigsten Fragen der patriotischen Pflicht¬<lb/> erfüllung es so elend bestellt ist, muß den ehrlichen deutschen Männern<lb/> im Zentrum endlich zum Bewußtsein kommen. Hier spielt das religiöse Ge¬<lb/> fühl gar keine Rolle, dessen Verletzung im Kulturkampf der ultramontnnen<lb/> Politik eine so verhängnisvolle Macht über die Gemüter der katholischen<lb/> Deutschen verschafft und das Zentrum so fest zusammengeschweißt hat. Klar und<lb/> nackt tritt die ultramontane Politik in Gegensatz zur deutschen Reichspolitik.<lb/> Mit Freisinn und Sozialdemokratie im Bunde will die Partei die deutsche<lb/> Politik lahmen. Und wem zuliebe? Nun, den gebildeten deutscheu Katholiken<lb/> kann es nicht verborgen bleiben, wohin diese Wege zuletzt führen, und vor<lb/> die Frage gestellt, ob sie wissentlich die Zukunft des neuen deutschen Reichs<lb/> an die Pfaffheit in Rom, die die Herrschaft führt über Papst und Kirche, ver¬<lb/> raten sollen oder ehrliche Leute bleiben, wird ihnen, das ist ganz sicher, die<lb/> Wahl nicht schwer fallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_700"> Es kommt jetzt alles darauf an, daß die Regierungen fest bleiben. Das<lb/> Durchdrücken einer Flottenverstürknng ans der in der Müllcrschen Schrift<lb/> wenigstens erwähnten, wenn auch nicht befürworteten Grundlage „etatsmüßigcr<lb/> Bewilligung" wäre ein Pyrrhussieg der kaiserlichen Flottcnpolitik, weit schlimmer<lb/> als die Verzögerung der gesetzlichen Sicherstellung der mäßigen Flottenfvrde-<lb/> rungen der Vorlage um Jahr'und Tag. Das Volk muß an den Ernst der<lb/> Regierung glauben lernen. Es gehört zu den frivolsten, aber leider auch zu<lb/> den wirksamsten Agitationsmitteln der heutigen Opposition, die Ernsthaftigkeit<lb/> der Ncgierungspolitik anzuzweifeln und die ersten Räte des Reichs als urteils-<lb/> und überzeugungslose Diener hinzustellen, die deu Launen des Herrn wohl<lb/> oder übel zu genügen suchte:,. Es ist traurig, daß solche Mittel im deutschen<lb/> Volke noch anschlagen, aber es ist wahr. Wer in dieses Horn bläst, der darf auf<lb/> lauschende Hörer rechnen vom Sachsenwalde bis an die Jsnr und vom Nieder¬<lb/> rhein bis zum Pregel, der ist gern gesehen in der kleinsten Werkstatt und im<lb/> größten Bankhanse, im Botenzimmer und uuter Geheimen Räten. Und des¬<lb/> halb immer wieder: Nur jetzt keine Schwäche, nur kein Schacher, nur keine<lb/> halbe Arbeit!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Zentrum und Flotte
nur darauf hinaus, eine durchschlagende Begründung für die Ablehnung der
Regierungsforderungen zu finden. Ganze fünfundsiebzig Seiten der Schrift
find dem Nachweis der Unzulässigkeit auch der „etatsmäßigen Bewilligung"
der Flottenverstärkung gewidmet, ans zwei Seiten wird die „Forderung
dauernder gesetzlicher Festlegung der Flottenstärke" abgethan, und doch sehen
wir dann zum Schluß die schon mitgeteilten Sätze angehängt, mit denen jedem
Anschein, als ob der Verfasser und seine Parteigenossen sachlich der kaiserlichen
Flottenpolitik ein Bein stellen wollten, vorgebeugt werde» soll. Das kann doch
der Michel, wenn er aufgewacht sein wird, nur als Schwindel und Bauern¬
fang ansehen. Wir können nur dringend raten, die Müllersche Schrift und
den der Marinevvrlage gewidmeten Anhang zum Nichterschen Abcbuch zu lesen.
Es ist ein Hochgenuß, zu sehen, was das ?^r nodilö krg.dro.ur dem faulen
Michel uoch zu bieten wagt, und sich vorzustellen, wie der biedre Bärenhäuter,
wenn er aufwacht, mit diesen Herrschaften abfahren wird. Und aufwachen
wird der deutsche Michel im Zentrum wie im Freisinn, das hoffen wir,
bald genug.
Gerade dieser plumpe Versuch von Bauernfang wird seine guten Wir¬
kungen haben. Das Unwürdige, zur Gefolgschaft einer Politik zu gehören,
mit deren Aufrichtigkeit in den wichtigsten Fragen der patriotischen Pflicht¬
erfüllung es so elend bestellt ist, muß den ehrlichen deutschen Männern
im Zentrum endlich zum Bewußtsein kommen. Hier spielt das religiöse Ge¬
fühl gar keine Rolle, dessen Verletzung im Kulturkampf der ultramontnnen
Politik eine so verhängnisvolle Macht über die Gemüter der katholischen
Deutschen verschafft und das Zentrum so fest zusammengeschweißt hat. Klar und
nackt tritt die ultramontane Politik in Gegensatz zur deutschen Reichspolitik.
Mit Freisinn und Sozialdemokratie im Bunde will die Partei die deutsche
Politik lahmen. Und wem zuliebe? Nun, den gebildeten deutscheu Katholiken
kann es nicht verborgen bleiben, wohin diese Wege zuletzt führen, und vor
die Frage gestellt, ob sie wissentlich die Zukunft des neuen deutschen Reichs
an die Pfaffheit in Rom, die die Herrschaft führt über Papst und Kirche, ver¬
raten sollen oder ehrliche Leute bleiben, wird ihnen, das ist ganz sicher, die
Wahl nicht schwer fallen.
Es kommt jetzt alles darauf an, daß die Regierungen fest bleiben. Das
Durchdrücken einer Flottenverstürknng ans der in der Müllcrschen Schrift
wenigstens erwähnten, wenn auch nicht befürworteten Grundlage „etatsmüßigcr
Bewilligung" wäre ein Pyrrhussieg der kaiserlichen Flottcnpolitik, weit schlimmer
als die Verzögerung der gesetzlichen Sicherstellung der mäßigen Flottenfvrde-
rungen der Vorlage um Jahr'und Tag. Das Volk muß an den Ernst der
Regierung glauben lernen. Es gehört zu den frivolsten, aber leider auch zu
den wirksamsten Agitationsmitteln der heutigen Opposition, die Ernsthaftigkeit
der Ncgierungspolitik anzuzweifeln und die ersten Räte des Reichs als urteils-
und überzeugungslose Diener hinzustellen, die deu Launen des Herrn wohl
oder übel zu genügen suchte:,. Es ist traurig, daß solche Mittel im deutschen
Volke noch anschlagen, aber es ist wahr. Wer in dieses Horn bläst, der darf auf
lauschende Hörer rechnen vom Sachsenwalde bis an die Jsnr und vom Nieder¬
rhein bis zum Pregel, der ist gern gesehen in der kleinsten Werkstatt und im
größten Bankhanse, im Botenzimmer und uuter Geheimen Räten. Und des¬
halb immer wieder: Nur jetzt keine Schwäche, nur kein Schacher, nur keine
halbe Arbeit!
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