Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Reichsländische Zeitfragen einen eignen Gesetzentwurf verfolgen und so den Gegenstand im Reichstag Dieselbe Offenheit würde zur Bekämpfung des dritten Antrags, das Neichs- Reichsländische Zeitfragen einen eignen Gesetzentwurf verfolgen und so den Gegenstand im Reichstag Dieselbe Offenheit würde zur Bekämpfung des dritten Antrags, das Neichs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226922"/> <fw type="header" place="top"> Reichsländische Zeitfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30"> einen eignen Gesetzentwurf verfolgen und so den Gegenstand im Reichstag<lb/> zur Verhandlung bringen. Sie wird daraus auch gegen die innern Schwierig¬<lb/> keiten Kraft schöpfen. Aber freilich, die parlamentarische Vertretung eines<lb/> solchen Gesetzentwurfs setzt voraus, daß mit der gern gesehenen Zufriedenheits¬<lb/> legende gebrochen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Dieselbe Offenheit würde zur Bekämpfung des dritten Antrags, das Neichs-<lb/> preßgesetz auf Elsaß-Lothringen auszudehnen, nötig sein; da wird überdies<lb/> kräftige Offensive der Regierung im Reichstag und in der Volksstimmung auf<lb/> stärkern und allgemeinern Widerspruch stoßen als bei der Parirung des Wahl¬<lb/> gesetzantrags durch den richtigen Gesetzentwurf. Denn die Schrankenlosigkeit<lb/> des Wahlrechts, womit Elsaß-Lothringen für seine Landesvertretung bedacht<lb/> werden soll, hat ihren Nimbus schon lange verloren, möchte sie doch ein guter<lb/> Teil des Reichstags und der liberalen Volksschichten auch im Reich gründlich<lb/> beschneiden; die Überschätzung alles dessen dagegen, was sich für Preßfreiheit<lb/> ausgiebt, ist noch nicht zur Besinnung gekommen. Trotz dieser ungünstigen<lb/> Stimmung wird es der Negierung, wenn sie eine Sammlung von Ausschnitten<lb/> aus unsern Preßerzeugnissen zum besten giebt, leicht sein, die Unwahrheit zu<lb/> widerlegen, daß die Presse im Reichsland über Mangel an Freiheit zu klagen<lb/> habe; im Gegenteil, die öffentliche Ordnung, der friedliche Bürger und das<lb/> deutsche Interesse haben über eine fast unglaubliche Zügellosigkeit und Ge¬<lb/> hässigkeit zu klagen, und die Negierung hat sich Vorwürfe zu machen, daß sie<lb/> nicht streng einschreitet. Durch solche Feststellung des wirklichen Sachverhalts<lb/> würde sich die Negierung auch für die Hervorhebung des zweiten Kernpunkts<lb/> der Sache Gehör verschaffen, nämlich dafür, daß die wesentlichen Beschränkungen<lb/> die geschäftliche Seite der Presse, das Zeitungsunternehmcn, treffen, und daß<lb/> außerdem von dem, was für wichtig gehalten wird, nur das Recht, über poli¬<lb/> tische Prozesse zu berichten, versagt ist. Das sind zwei Beschränkungen, die<lb/> dem allgemeinen Interesse nicht weh thun und in einem Lande unentbehrlich<lb/> sind, das von der Verschmelzung mit uns noch so weit entfernt ist. Alle<lb/> sonstigen Bestimmungen sind Kleinigkeiten, und wenn sie auch nicht zusammen¬<lb/> gefaßt, sondern in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen neuen und teilweise<lb/> recht alten Datums verstreut sind, so giebt es doch gute Zusammenstellungen,<lb/> und die Bestimmungen selbst sind von den Geschäftsführern leicht zu beobachten.<lb/> Dann hat zwar in Preßsachen das Argument, daß die von unsern Gegnern<lb/> cmgefochtnen Bestimmungen aus französischer Zeit stammten, keine rechte Zug¬<lb/> kraft, weil Frankreich im Jahre 1881 ein neues Preßgesetz erlassen hat, aber<lb/> dieses gewährt mit einem Nachtrag von 1895 eine andre, noch schlagendere<lb/> Waffe gegen die Bewundrer französischer Freiheit, mögen sie im Reichsland<lb/> oder im übrigen Deutschland zu Hause sein. Diese Frucht der Republik gestattet<lb/> nämlich, alle ausländischen Preßerzeugnisse und die inländischen Zeitungen<lb/> Hov.rrmux), die in einer andern als der Landessprache erscheinen, kurzer Hand<lb/> zu verbieten (interclirs), ohne gerichtliches Verfahren, durch Beschluß des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Reichsländische Zeitfragen
einen eignen Gesetzentwurf verfolgen und so den Gegenstand im Reichstag
zur Verhandlung bringen. Sie wird daraus auch gegen die innern Schwierig¬
keiten Kraft schöpfen. Aber freilich, die parlamentarische Vertretung eines
solchen Gesetzentwurfs setzt voraus, daß mit der gern gesehenen Zufriedenheits¬
legende gebrochen wird.
Dieselbe Offenheit würde zur Bekämpfung des dritten Antrags, das Neichs-
preßgesetz auf Elsaß-Lothringen auszudehnen, nötig sein; da wird überdies
kräftige Offensive der Regierung im Reichstag und in der Volksstimmung auf
stärkern und allgemeinern Widerspruch stoßen als bei der Parirung des Wahl¬
gesetzantrags durch den richtigen Gesetzentwurf. Denn die Schrankenlosigkeit
des Wahlrechts, womit Elsaß-Lothringen für seine Landesvertretung bedacht
werden soll, hat ihren Nimbus schon lange verloren, möchte sie doch ein guter
Teil des Reichstags und der liberalen Volksschichten auch im Reich gründlich
beschneiden; die Überschätzung alles dessen dagegen, was sich für Preßfreiheit
ausgiebt, ist noch nicht zur Besinnung gekommen. Trotz dieser ungünstigen
Stimmung wird es der Negierung, wenn sie eine Sammlung von Ausschnitten
aus unsern Preßerzeugnissen zum besten giebt, leicht sein, die Unwahrheit zu
widerlegen, daß die Presse im Reichsland über Mangel an Freiheit zu klagen
habe; im Gegenteil, die öffentliche Ordnung, der friedliche Bürger und das
deutsche Interesse haben über eine fast unglaubliche Zügellosigkeit und Ge¬
hässigkeit zu klagen, und die Negierung hat sich Vorwürfe zu machen, daß sie
nicht streng einschreitet. Durch solche Feststellung des wirklichen Sachverhalts
würde sich die Negierung auch für die Hervorhebung des zweiten Kernpunkts
der Sache Gehör verschaffen, nämlich dafür, daß die wesentlichen Beschränkungen
die geschäftliche Seite der Presse, das Zeitungsunternehmcn, treffen, und daß
außerdem von dem, was für wichtig gehalten wird, nur das Recht, über poli¬
tische Prozesse zu berichten, versagt ist. Das sind zwei Beschränkungen, die
dem allgemeinen Interesse nicht weh thun und in einem Lande unentbehrlich
sind, das von der Verschmelzung mit uns noch so weit entfernt ist. Alle
sonstigen Bestimmungen sind Kleinigkeiten, und wenn sie auch nicht zusammen¬
gefaßt, sondern in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen neuen und teilweise
recht alten Datums verstreut sind, so giebt es doch gute Zusammenstellungen,
und die Bestimmungen selbst sind von den Geschäftsführern leicht zu beobachten.
Dann hat zwar in Preßsachen das Argument, daß die von unsern Gegnern
cmgefochtnen Bestimmungen aus französischer Zeit stammten, keine rechte Zug¬
kraft, weil Frankreich im Jahre 1881 ein neues Preßgesetz erlassen hat, aber
dieses gewährt mit einem Nachtrag von 1895 eine andre, noch schlagendere
Waffe gegen die Bewundrer französischer Freiheit, mögen sie im Reichsland
oder im übrigen Deutschland zu Hause sein. Diese Frucht der Republik gestattet
nämlich, alle ausländischen Preßerzeugnisse und die inländischen Zeitungen
Hov.rrmux), die in einer andern als der Landessprache erscheinen, kurzer Hand
zu verbieten (interclirs), ohne gerichtliches Verfahren, durch Beschluß des
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