Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches kennt, wird sich hierüber Wundern. Bei Mandarinen, die sich förmlich in ihren Ähnlich ist es bisher in allen Missionsangelegenheiten gewesen. Der Be¬ Eine Ironie des Schicksals ist es, daß gerade jetzt Deutschland Ursache hatte Maßgebliches und Unmaßgebliches kennt, wird sich hierüber Wundern. Bei Mandarinen, die sich förmlich in ihren Ähnlich ist es bisher in allen Missionsangelegenheiten gewesen. Der Be¬ Eine Ironie des Schicksals ist es, daß gerade jetzt Deutschland Ursache hatte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227077"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_552" prev="#ID_551"> kennt, wird sich hierüber Wundern. Bei Mandarinen, die sich förmlich in ihren<lb/> Fremdenhaß verrannt haben, helfen eben die klarsten und einfachsten Vernunftgründe<lb/> nichts, sondern nur Gewaltmaßregeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_553"> Ähnlich ist es bisher in allen Missionsangelegenheiten gewesen. Der Be¬<lb/> hauptung, die man vielfach hört, daß die Missionsfrage in China sehr verwickelt<lb/> sei, kann ich nicht zustimmen. Zu Gegenteil, die Sache liegt ganz einfach. Ob<lb/> es klug war, den Chinesen die christlichen Sendboten gegen den offenbaren Wunsch<lb/> der Mandarinen und der Litteraten, also der führenden Kreise des Volks, auf¬<lb/> zudrängen, ist schon längst eine müssige Frage geworden. Die Missionare sind<lb/> einmal da im Reiche der Mitte, und sie würden sich nicht mehr ohne den leb¬<lb/> haftesten Widerspruch großer und einflußreicher Kreise in Europa und in Amerika<lb/> zurückrufen lassen. Mit dieser Thatsache muß man rechnen. Es fragt sich also:<lb/> wie kann man diese im Jnnern des Reichs verstreuten Europäer und Amerikaner<lb/> vor den ihnen sehr übelgesinnten Litteraten schützen? Die Antwort lautet: indem<lb/> man Gewalt gegen Gewalt setzt. In einigen deutschen Zeitungen ist gesagt worden,<lb/> man fordere von der chinesischen Regierung etwas, was sie nicht leisten könne,<lb/> wenn man verlange, sie solle keinem Missionar im Innern des Landes ein Haar<lb/> krümmen lassen. Nun, gewiß würde es nicht gerechtfertigt sein, in Fällen, wo<lb/> Missionare wirklich und nicht uur angeblich von Räuberbanden oder von auf¬<lb/> rührerischen Volkshaufen erschlagen worden sind, mit Panzerschiffen und Kanonen<lb/> einzuschreiten, und solche Fälle kommen ja dann und wann vor. Aber bisher hat<lb/> man meistens Gewißheit oder wenigstens sehr große Wahrscheinlichkeit dafür gehabt,<lb/> daß Litternten und Mandarinen das ein sich ruhige Volk gegen die Christen aus¬<lb/> gesetzt haben. Überall, wo es einmal einen freudenfreundlichen Tcwtni (Regierungs¬<lb/> präsidenten) giebt, da fürchten die Missionare nichts; nimmt der Taotcii eine neutrale<lb/> Stellung ein, so fürchten sie wenig; ist er dagegen missionsfeindlich, so sind sie<lb/> niemals vor Angriffen sicher. Das ist nicht etwa eine aus der Luft gegriffue Be¬<lb/> hauptung, sondern der Beweis dafür ist schon oft geliefert worden. Noch kürzlich<lb/> hat das die amerikanische Regierung der chinesischen amtlich ins Gesicht gesagt,<lb/> wie die Schanghaier Blätter übereinstimmend berichtet haben. Nun mag ja der<lb/> sremdcuseiudliche Geist der unverantwortlichen Litteraten den Verantwortlicher<lb/> Mandarinen in der letzten Zeit vielfach über den Kops gewachsen sein. Aber<lb/> woran liegt es, daß diesen Herren der Kamm so sehr geschwollen ist? Nur an<lb/> der Schlaffheit der Ausländer, besonders der Engländer. Alle Asiaten werden nnr<lb/> noch kecker, wenn man sie in solchen Sachen, wie die Ermordung eines Missionars,<lb/> glimpflich behandelt. Alle Asiaten werden aber mäuschenstill, sobald sie die Faust<lb/> einer europäischen Großmacht gefühlt haben. In Hongkong oder in Singapore<lb/> oder wo sonst viele Chinesen unter fremder Herrschaft wohnen, kommen niemals<lb/> Unruhen gegen Missionare vor. Bekehrungsversuche werden auch dort nach Kräften<lb/> gemacht, ohne daß das Volk daran dächte, sich an den Missionaren zu vergreifen,<lb/> weil es niemand dazu aufzuhetzen wagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_554" next="#ID_555"> Eine Ironie des Schicksals ist es, daß gerade jetzt Deutschland Ursache hatte<lb/> einzugreifen, wo sich schon die ersten Zeichen einer Besserung in der allgemeinen<lb/> Lage der christlichen Sendboten im himmlischen Reiche bemerklich machten. Während<lb/> man früher in den Kreisen der Regierung in Peking wie unter den hohen Satrapen<lb/> w den Provinzen nichts von ihnen wissen wollte, beginnen den Mandarinen jetzt<lb/> ein klein wenig die Augen über die Uneigennützigkeit der Missionare aufzugehen.<lb/> Uneigennütziges Handeln zu begreifen ist für einen Chinesen sehr schwer, wenn nicht<lb/> fast unmöglich. Daß den Mandarinen endlich eine Ahnung davon aufdämmert, daß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0175]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
kennt, wird sich hierüber Wundern. Bei Mandarinen, die sich förmlich in ihren
Fremdenhaß verrannt haben, helfen eben die klarsten und einfachsten Vernunftgründe
nichts, sondern nur Gewaltmaßregeln.
Ähnlich ist es bisher in allen Missionsangelegenheiten gewesen. Der Be¬
hauptung, die man vielfach hört, daß die Missionsfrage in China sehr verwickelt
sei, kann ich nicht zustimmen. Zu Gegenteil, die Sache liegt ganz einfach. Ob
es klug war, den Chinesen die christlichen Sendboten gegen den offenbaren Wunsch
der Mandarinen und der Litteraten, also der führenden Kreise des Volks, auf¬
zudrängen, ist schon längst eine müssige Frage geworden. Die Missionare sind
einmal da im Reiche der Mitte, und sie würden sich nicht mehr ohne den leb¬
haftesten Widerspruch großer und einflußreicher Kreise in Europa und in Amerika
zurückrufen lassen. Mit dieser Thatsache muß man rechnen. Es fragt sich also:
wie kann man diese im Jnnern des Reichs verstreuten Europäer und Amerikaner
vor den ihnen sehr übelgesinnten Litteraten schützen? Die Antwort lautet: indem
man Gewalt gegen Gewalt setzt. In einigen deutschen Zeitungen ist gesagt worden,
man fordere von der chinesischen Regierung etwas, was sie nicht leisten könne,
wenn man verlange, sie solle keinem Missionar im Innern des Landes ein Haar
krümmen lassen. Nun, gewiß würde es nicht gerechtfertigt sein, in Fällen, wo
Missionare wirklich und nicht uur angeblich von Räuberbanden oder von auf¬
rührerischen Volkshaufen erschlagen worden sind, mit Panzerschiffen und Kanonen
einzuschreiten, und solche Fälle kommen ja dann und wann vor. Aber bisher hat
man meistens Gewißheit oder wenigstens sehr große Wahrscheinlichkeit dafür gehabt,
daß Litternten und Mandarinen das ein sich ruhige Volk gegen die Christen aus¬
gesetzt haben. Überall, wo es einmal einen freudenfreundlichen Tcwtni (Regierungs¬
präsidenten) giebt, da fürchten die Missionare nichts; nimmt der Taotcii eine neutrale
Stellung ein, so fürchten sie wenig; ist er dagegen missionsfeindlich, so sind sie
niemals vor Angriffen sicher. Das ist nicht etwa eine aus der Luft gegriffue Be¬
hauptung, sondern der Beweis dafür ist schon oft geliefert worden. Noch kürzlich
hat das die amerikanische Regierung der chinesischen amtlich ins Gesicht gesagt,
wie die Schanghaier Blätter übereinstimmend berichtet haben. Nun mag ja der
sremdcuseiudliche Geist der unverantwortlichen Litteraten den Verantwortlicher
Mandarinen in der letzten Zeit vielfach über den Kops gewachsen sein. Aber
woran liegt es, daß diesen Herren der Kamm so sehr geschwollen ist? Nur an
der Schlaffheit der Ausländer, besonders der Engländer. Alle Asiaten werden nnr
noch kecker, wenn man sie in solchen Sachen, wie die Ermordung eines Missionars,
glimpflich behandelt. Alle Asiaten werden aber mäuschenstill, sobald sie die Faust
einer europäischen Großmacht gefühlt haben. In Hongkong oder in Singapore
oder wo sonst viele Chinesen unter fremder Herrschaft wohnen, kommen niemals
Unruhen gegen Missionare vor. Bekehrungsversuche werden auch dort nach Kräften
gemacht, ohne daß das Volk daran dächte, sich an den Missionaren zu vergreifen,
weil es niemand dazu aufzuhetzen wagt.
Eine Ironie des Schicksals ist es, daß gerade jetzt Deutschland Ursache hatte
einzugreifen, wo sich schon die ersten Zeichen einer Besserung in der allgemeinen
Lage der christlichen Sendboten im himmlischen Reiche bemerklich machten. Während
man früher in den Kreisen der Regierung in Peking wie unter den hohen Satrapen
w den Provinzen nichts von ihnen wissen wollte, beginnen den Mandarinen jetzt
ein klein wenig die Augen über die Uneigennützigkeit der Missionare aufzugehen.
Uneigennütziges Handeln zu begreifen ist für einen Chinesen sehr schwer, wenn nicht
fast unmöglich. Daß den Mandarinen endlich eine Ahnung davon aufdämmert, daß
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