Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Vergleicht man mit der Kundgebung der Kaufleute und Industriellen die Maßgebliches und Unmaßgebliches Vergleicht man mit der Kundgebung der Kaufleute und Industriellen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227073"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Vergleicht man mit der Kundgebung der Kaufleute und Industriellen die<lb/> Kundgebungen aus einem ganz andern Kreise von Männern, die zu sammeln und<lb/> zu veröffentlichen die Allgemeine Zeitung sich das große Verdienst erworben hat,<lb/> die Antworten der zweiundfünfzig „Gelehrten," die ihr auf eine Umfrage über die<lb/> Flottenfrage zugegangen sind, und die in den außerordentlichen Beilagen vom 11.,<lb/> 12. und 13. Januar vorliege», so fällt, das müssen wir ehrlich bekennen, der Ver¬<lb/> gleich leider zu Gunsten der Gelehrtcuschaft aus. Hoffentlich wird die deutsche<lb/> Kaufmannschaft daraus lernen, was sie zu leisten hat in ihrem eignen praktischen<lb/> Interesse und in dem der Gesamtheit. Es ist uns freilich eine große Genugthuung,<lb/> in den Urteile» der deutscheu Gelehrten mit verschwindenden Ausnahmen eine Be¬<lb/> stätigung der Berechtigung des Standpunkts zu finden, von dem aus wir bisher<lb/> nach besten Kräften für die Handels- und Flvttenpolitik des Kaisers eingetreten<lb/> sind, mögen auch sonst unsre Anschauungen mit denen der Antwortgcber nicht<lb/> immer übereinstimmen. Wir sehen hier in sast vollständiger Einstimmigkeit die<lb/> Berechtigung und Notwendigkeit der kaiserlichen Politik bewiesen, es erfüllt uns<lb/> mit aufrichtiger Freude, sagen zu können: möge diese Profcssorenweisheit dem<lb/> deutschen Volk und der deutscheu Kaufmannschaft bald und gründlich in Fleisch und<lb/> Blut übergehen! Bei der Art der Kundgebungen — kurze Antworten auf eine<lb/> Reihe kurzer Fragen — ist es schwer, dem Leser mit wenig Worten einen Über¬<lb/> blick über den reichen Inhalt des Ganzen zu geben. Jeder gebildete Deutsche<lb/> sollte die Antworten selbst lesen, selbst auf sich wirken lassen. Nur einige Äuße¬<lb/> rungen bekannterer Nationcüökonomen möchten wir hervorheben und besondrer Be-<lb/> achtung empfehlen. Den Reigen hat der alte Schäffle in vier schon im Dezember<lb/> in der Allgemeinen Zeitung erschienenen Artikeln eröffnet. Treffend schließt er<lb/> seine Ausführungen über die volkswirtschaftliche Bedeutung einer „starken Flotte"<lb/> mit folgender Mahnung. Seines Erachtens wären gerade die, die die vollste Ent¬<lb/> wicklung des Welthandels wünschten, also die Freihändler aller Schattirnngen, vor<lb/> allem die freihändlerischen Vertreter des am Export heute gewaltig interessirten<lb/> Arbeiterstandes und des Exportindustrie- wie Expvrthandelskapitals nicht bloß<lb/> vollauf berechtigt, sondern anch vouiehmlich berufen und verpflichtet, eine im Sinne<lb/> der Tirpitzschen Vorlage ausreichend starke Flotte zu fordern und zu fördern. Die<lb/> aus einer Blockade usw. entstehende wirtschaftliche Bedrängnis wäre in erster Linie<lb/> empfindlich für die Lohnarbeiter, unmittelbar für die der Exportindustrie und der<lb/> Handelsschiffahrt, mittelbar aber wieder zumeist für den ganzen Arbeiterstand, da<lb/> sich die Stockung mehr oder weniger ans alle Industriezweige ausdehnen würde,<lb/> und die stark vermehrte Zahl überzähliger Hände einen Druck auf den Lohn im<lb/> allgemeinen ausüben müßte. Dabei wäre in solchen Fällen an eine Auswanderung<lb/> kaum zu denken. — Auch Lujo Brentano kommt diesmal mit einer ganz praktischen<lb/> Betrachtung zum Vorschein, die von Herrn Haßler und Genossen dankend zu be¬<lb/> herzigen sein wird. Kein Zweifel, meint er, daß die Entfaltung einer starken<lb/> Macht zur See in asiatischen und südamerikanischen Gewässern unserm auswärtigen<lb/> Handel und damit der weitern Entwicklung des heimischen Gewerbfleißes mächtigen<lb/> Vorschub leisten würde. Indes genüge es dazu nicht, eine starke Flotte zu schaffen,<lb/> ja es könnten alle wirtschaftlichen Wirkungen einer Flottenvermehrung durch eine<lb/> Wirtschaftspolitik, die mit ihr in Widerspruch stehe, neutralisirt werden. „Wie<lb/> könnte man dnrch eine Flottenvermehrung dem deutschen Handel, speziell der<lb/> deutschen Ausfuhr, nützen, wenn man gleichzeitig dnrch hohe Zölle den auswärtigen<lb/> Völkern es unmöglich machte, für unsre Produkte das zu geben, was sie zu bieten<lb/> haben?" Man solle nicht vergessen, daß sich eine blühende Handelsschiffnhrt und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vergleicht man mit der Kundgebung der Kaufleute und Industriellen die
Kundgebungen aus einem ganz andern Kreise von Männern, die zu sammeln und
zu veröffentlichen die Allgemeine Zeitung sich das große Verdienst erworben hat,
die Antworten der zweiundfünfzig „Gelehrten," die ihr auf eine Umfrage über die
Flottenfrage zugegangen sind, und die in den außerordentlichen Beilagen vom 11.,
12. und 13. Januar vorliege», so fällt, das müssen wir ehrlich bekennen, der Ver¬
gleich leider zu Gunsten der Gelehrtcuschaft aus. Hoffentlich wird die deutsche
Kaufmannschaft daraus lernen, was sie zu leisten hat in ihrem eignen praktischen
Interesse und in dem der Gesamtheit. Es ist uns freilich eine große Genugthuung,
in den Urteile» der deutscheu Gelehrten mit verschwindenden Ausnahmen eine Be¬
stätigung der Berechtigung des Standpunkts zu finden, von dem aus wir bisher
nach besten Kräften für die Handels- und Flvttenpolitik des Kaisers eingetreten
sind, mögen auch sonst unsre Anschauungen mit denen der Antwortgcber nicht
immer übereinstimmen. Wir sehen hier in sast vollständiger Einstimmigkeit die
Berechtigung und Notwendigkeit der kaiserlichen Politik bewiesen, es erfüllt uns
mit aufrichtiger Freude, sagen zu können: möge diese Profcssorenweisheit dem
deutschen Volk und der deutscheu Kaufmannschaft bald und gründlich in Fleisch und
Blut übergehen! Bei der Art der Kundgebungen — kurze Antworten auf eine
Reihe kurzer Fragen — ist es schwer, dem Leser mit wenig Worten einen Über¬
blick über den reichen Inhalt des Ganzen zu geben. Jeder gebildete Deutsche
sollte die Antworten selbst lesen, selbst auf sich wirken lassen. Nur einige Äuße¬
rungen bekannterer Nationcüökonomen möchten wir hervorheben und besondrer Be-
achtung empfehlen. Den Reigen hat der alte Schäffle in vier schon im Dezember
in der Allgemeinen Zeitung erschienenen Artikeln eröffnet. Treffend schließt er
seine Ausführungen über die volkswirtschaftliche Bedeutung einer „starken Flotte"
mit folgender Mahnung. Seines Erachtens wären gerade die, die die vollste Ent¬
wicklung des Welthandels wünschten, also die Freihändler aller Schattirnngen, vor
allem die freihändlerischen Vertreter des am Export heute gewaltig interessirten
Arbeiterstandes und des Exportindustrie- wie Expvrthandelskapitals nicht bloß
vollauf berechtigt, sondern anch vouiehmlich berufen und verpflichtet, eine im Sinne
der Tirpitzschen Vorlage ausreichend starke Flotte zu fordern und zu fördern. Die
aus einer Blockade usw. entstehende wirtschaftliche Bedrängnis wäre in erster Linie
empfindlich für die Lohnarbeiter, unmittelbar für die der Exportindustrie und der
Handelsschiffahrt, mittelbar aber wieder zumeist für den ganzen Arbeiterstand, da
sich die Stockung mehr oder weniger ans alle Industriezweige ausdehnen würde,
und die stark vermehrte Zahl überzähliger Hände einen Druck auf den Lohn im
allgemeinen ausüben müßte. Dabei wäre in solchen Fällen an eine Auswanderung
kaum zu denken. — Auch Lujo Brentano kommt diesmal mit einer ganz praktischen
Betrachtung zum Vorschein, die von Herrn Haßler und Genossen dankend zu be¬
herzigen sein wird. Kein Zweifel, meint er, daß die Entfaltung einer starken
Macht zur See in asiatischen und südamerikanischen Gewässern unserm auswärtigen
Handel und damit der weitern Entwicklung des heimischen Gewerbfleißes mächtigen
Vorschub leisten würde. Indes genüge es dazu nicht, eine starke Flotte zu schaffen,
ja es könnten alle wirtschaftlichen Wirkungen einer Flottenvermehrung durch eine
Wirtschaftspolitik, die mit ihr in Widerspruch stehe, neutralisirt werden. „Wie
könnte man dnrch eine Flottenvermehrung dem deutschen Handel, speziell der
deutschen Ausfuhr, nützen, wenn man gleichzeitig dnrch hohe Zölle den auswärtigen
Völkern es unmöglich machte, für unsre Produkte das zu geben, was sie zu bieten
haben?" Man solle nicht vergessen, daß sich eine blühende Handelsschiffnhrt und
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