Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Reichslcindische Zeitfragen ein Verstürkungsgrund dafür, fremden Zufluß willkommen zu heißen, denn das Also, im ganzen genommen sind wir darauf angewiesen, den Beamten¬ Deutsche Gesinnung ist für jedes Amt die erste Voraussetzung, auch für Reichslcindische Zeitfragen ein Verstürkungsgrund dafür, fremden Zufluß willkommen zu heißen, denn das Also, im ganzen genommen sind wir darauf angewiesen, den Beamten¬ Deutsche Gesinnung ist für jedes Amt die erste Voraussetzung, auch für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227029"/> <fw type="header" place="top"> Reichslcindische Zeitfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_391" prev="#ID_390"> ein Verstürkungsgrund dafür, fremden Zufluß willkommen zu heißen, denn das<lb/> Reichsland steht in der That der Bevölkerung des ganzen Reichs besonders<lb/> nahe; an ihm hat jeder Preuße und Valer mehr Anteil als jener am<lb/> vairischen und dieser am preußischen Staate. Ein reichslündischer Nativismus<lb/> ist für jeden Deutschen als trennende Mauer eine Beleidigung. Überdies<lb/> reicht der Ersatz aus dem Lande noch gar nicht aus: er hat in manchen Dienst¬<lb/> zweigen lange Jahre fast vollständig versagt und beginnt erst allmählich, stärker<lb/> und gleichmäßiger zu fließen. Am Anfang war für die sogenannten studirten<lb/> Stellen so gut wie kein „Angebot" da; die paar Leute sind weit über Verdienst<lb/> bedacht und gehegt worden. Berücksichtigt man dies und auch die überall<lb/> wiederkehrende Thatsache, daß die bessern und höhern Stellen in der Regel<lb/> erst im vorgerückten Lebensalter erreicht werden, so ist es natürlich, daß es<lb/> bei uns fast keine Präsidenten und Geheimräte ohne „deutsches" Blut giebt;<lb/> aus dem, was selbstverständlich ist, wird jedoch eine „Pariastelluug" der Ein-<lb/> gebornen gemacht. Nun, der Paria Zorn von Bulach ist, uoch in jungen<lb/> Jahren und ohne eine der vielen für Brahmanen erforderlichen Zwischenstufen,<lb/> zum Uuterstaatssekretür ernannt worden, zu ministerähnlicher Stellung gelaugt.<lb/> Um Mißverstündnissen zuvorzukommen, füge ich hinzu, daß ich die Ernennung<lb/> selbst keineswegs bedaure.</p><lb/> <p xml:id="ID_392"> Also, im ganzen genommen sind wir darauf angewiesen, den Beamten¬<lb/> bedarf unsers Landes aus dem übrigen Deutschland zu ergänzen. Doch, macht<lb/> denn überhaupt Geburt und Abstammung den Beamten ans? Man soll ja<lb/> bei ihm wie bei jedem andern Menschen darnach fragen, aber sie ist nicht das,<lb/> was den Beamten auszeichnet, oder das, wodurch er sich auszeichnen soll.<lb/> Andres ist wichtiger. Vor allem Vaterlandsliebe und Staatsgesinnung. Die<lb/> Vaterlandsliebe beruht in der Regel auf der Heimathliebe, beide ergänzen sich;<lb/> nnr dann stimmen sie für das Bedürfnis, insbesondre unsers Landes, nicht zu¬<lb/> sammen, wenn die Liebe zu der elsässischen oder lothringischen Heimat in dieser<lb/> nicht einen Teil von Deutschland, sondern ein abgerissenes Stück von Frank¬<lb/> reich erblickt, oder so etwas wie einen Schweizer Kanton aus der Sonder¬<lb/> bundszeit mit französischen Sitten. Dergleichen ist für uns der Feind,<lb/> während der eruste Wille, heimisch zu werde», mit der Zeit auch heimisch<lb/> macht. Die Staatsgesiuuung ihrerseits schützt in dem Staat als der Gemein¬<lb/> schaft, die alle andern umfaßt, zugleich die für unser irdisches Zusammensein<lb/> wichtigste Gemeinschaft. Staatsgesiuuung ist kein Privileg des Beamten, ihm<lb/> aber doch vorzugsweise und als Bcrufseigenschaft notwendig. Diesen im Beruf<lb/> liegenden Vorzug ist der Beamte wohlberechtigt hochzustellen, aber noch mehr<lb/> soll er ihn als Sporn zu höherer Pflichtübung empfinden. Für die reichs-<lb/> ländischen Verhältnisse lassen sich Vaterlandsliebe und Staatsgesinnung zu einer<lb/> Bezeichnung als deutsche Gesinnung zusammenfassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_393" next="#ID_394"> Deutsche Gesinnung ist für jedes Amt die erste Voraussetzung, auch für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
Reichslcindische Zeitfragen
ein Verstürkungsgrund dafür, fremden Zufluß willkommen zu heißen, denn das
Reichsland steht in der That der Bevölkerung des ganzen Reichs besonders
nahe; an ihm hat jeder Preuße und Valer mehr Anteil als jener am
vairischen und dieser am preußischen Staate. Ein reichslündischer Nativismus
ist für jeden Deutschen als trennende Mauer eine Beleidigung. Überdies
reicht der Ersatz aus dem Lande noch gar nicht aus: er hat in manchen Dienst¬
zweigen lange Jahre fast vollständig versagt und beginnt erst allmählich, stärker
und gleichmäßiger zu fließen. Am Anfang war für die sogenannten studirten
Stellen so gut wie kein „Angebot" da; die paar Leute sind weit über Verdienst
bedacht und gehegt worden. Berücksichtigt man dies und auch die überall
wiederkehrende Thatsache, daß die bessern und höhern Stellen in der Regel
erst im vorgerückten Lebensalter erreicht werden, so ist es natürlich, daß es
bei uns fast keine Präsidenten und Geheimräte ohne „deutsches" Blut giebt;
aus dem, was selbstverständlich ist, wird jedoch eine „Pariastelluug" der Ein-
gebornen gemacht. Nun, der Paria Zorn von Bulach ist, uoch in jungen
Jahren und ohne eine der vielen für Brahmanen erforderlichen Zwischenstufen,
zum Uuterstaatssekretür ernannt worden, zu ministerähnlicher Stellung gelaugt.
Um Mißverstündnissen zuvorzukommen, füge ich hinzu, daß ich die Ernennung
selbst keineswegs bedaure.
Also, im ganzen genommen sind wir darauf angewiesen, den Beamten¬
bedarf unsers Landes aus dem übrigen Deutschland zu ergänzen. Doch, macht
denn überhaupt Geburt und Abstammung den Beamten ans? Man soll ja
bei ihm wie bei jedem andern Menschen darnach fragen, aber sie ist nicht das,
was den Beamten auszeichnet, oder das, wodurch er sich auszeichnen soll.
Andres ist wichtiger. Vor allem Vaterlandsliebe und Staatsgesinnung. Die
Vaterlandsliebe beruht in der Regel auf der Heimathliebe, beide ergänzen sich;
nnr dann stimmen sie für das Bedürfnis, insbesondre unsers Landes, nicht zu¬
sammen, wenn die Liebe zu der elsässischen oder lothringischen Heimat in dieser
nicht einen Teil von Deutschland, sondern ein abgerissenes Stück von Frank¬
reich erblickt, oder so etwas wie einen Schweizer Kanton aus der Sonder¬
bundszeit mit französischen Sitten. Dergleichen ist für uns der Feind,
während der eruste Wille, heimisch zu werde», mit der Zeit auch heimisch
macht. Die Staatsgesiuuung ihrerseits schützt in dem Staat als der Gemein¬
schaft, die alle andern umfaßt, zugleich die für unser irdisches Zusammensein
wichtigste Gemeinschaft. Staatsgesiuuung ist kein Privileg des Beamten, ihm
aber doch vorzugsweise und als Bcrufseigenschaft notwendig. Diesen im Beruf
liegenden Vorzug ist der Beamte wohlberechtigt hochzustellen, aber noch mehr
soll er ihn als Sporn zu höherer Pflichtübung empfinden. Für die reichs-
ländischen Verhältnisse lassen sich Vaterlandsliebe und Staatsgesinnung zu einer
Bezeichnung als deutsche Gesinnung zusammenfassen.
Deutsche Gesinnung ist für jedes Amt die erste Voraussetzung, auch für
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