Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei philosophische Systeme

eine Begründung des sittlich Guten dar, noch gehen von ihm Antriebe zum
Guten aus.

Hartmanns Stil ist bekannt, und wenn bei irgend einem, so ist bei
ihm der Stil der Mann, und man darf ihm nicht zumuten, ihn zu ändern.
Auch gehöre ich nicht zu denen, die die wissenschaftlichen Kunstausdrücke ab¬
schaffen wollen. Aber ob gerade so viel nötig sind, wie Hartmann gebraucht,
und ob er seinen Grundsätzen etwas vergeben würde, wenn er hie und da
einen durch ein deutsches Wort ersetzte, z. B. Fnkticitüt*) durch Thatsächlich¬
keit, möchte ich doch bezweifeln. In dem Satze auf Seite 414 "sie ^die dua¬
listische Auffassung^ hat Unrecht, indem sie verkennt, daß es sowohl in dem
interindividuellen isotropen Antagonismus der objektiv realen Intensitäten als
auch in dem intraindividuellen allotropen Antagonismus beider Erscheinungs¬
weisen doch nur die metaphysischen Intensitäten sind, die sich transformiren,"
in diesem Satze hätte, wie mir scheint, wenigstens das letzte Zeitwort ins
Deutsche übersetzt werden können, ohne daß dadurch der Sinn verdunkelt worden
wäre und die Würde der Philosophie darunter gelitten Hütte. Bei Besprechung
einer frühern Schrift Hartmanns sind die zahlreichen Druckfehler gerügt worden;
soviel sind in diesem Buche uicht stehen geblieben, aber doch außer vielen
kleineren auch noch manche gröbere, wie auf S. 59 Lehre für Bahn, S. 182
trifft für betrifft, S. 204 verstellungsmäßige für vorstellungsmäßige.

Die Besprechung von Wundes Ethik im 42. Heft des Jahrgangs 1892
schloß mit dem Satze: "Endlich erlauben wir uns noch, eine Unterlassung zu
bedauern, die leicht als absichtliche Ungerechtigkeit gedeutet werden könnte:
Enduard von Hartmann, dessen wertvolle ethische Studien sich mit denen
Wundes vielfach berühren, wird kein einziges mal erwähnt." In der vor¬
legenden zweiten Auflage seines Systems der Philosophie erwähnt er ihn --
einmal, auf Seite 681, sagt aber kein Wort davon, daß sich Hartmann nach
dem ersten Erscheinen des genannten Werkes in den Preußischen Jahrbüchern
unt ihm ausführlich auseinandergesetzt hat. Ich gönne jetzt diese Behandlung
Hartmann ein wenig, weil er selbst Lotze -- nicht ignorirt, aber bei jeder
Gelegenheit schlecht behandelt. Trotz grundverschiedncr Anordnung und Dar¬
stellungsweise fällt Wundes Buch inhaltlich der Hauptsache nach mit den: Hart-
manns zusammen; es ist ebenfalls zur größern Hälfte Erkenntnistheorie und
Zur kleinern Metaphysik. Nach einer Einleitung behandelt es in sechs Ab-
t^unter: das Denken, die Erkenntnis, die Verstandesbegriffe, die transcendenter




^ ) Hier ist auch die Orthographie ungleichmäßig; entweder Facticitüt oder Faktizitnt.
in d ^ y^g, es ixsuw, wird freilich Hartmann sagen, wenn er an unsre Druckfehler
der ersten Hälfte dieses Aufsatzes denkt (Lies: S. 24 Z, 18 v. u. 0 (Null) für O, S. 2ö
<?"^'."' ^ Absatzes dynamische für dogmatische, und S, 28 drittletzte Zeile
^'"schließt für Erschließt.
Grenzboten IV 1897 1,
Zwei philosophische Systeme

eine Begründung des sittlich Guten dar, noch gehen von ihm Antriebe zum
Guten aus.

Hartmanns Stil ist bekannt, und wenn bei irgend einem, so ist bei
ihm der Stil der Mann, und man darf ihm nicht zumuten, ihn zu ändern.
Auch gehöre ich nicht zu denen, die die wissenschaftlichen Kunstausdrücke ab¬
schaffen wollen. Aber ob gerade so viel nötig sind, wie Hartmann gebraucht,
und ob er seinen Grundsätzen etwas vergeben würde, wenn er hie und da
einen durch ein deutsches Wort ersetzte, z. B. Fnkticitüt*) durch Thatsächlich¬
keit, möchte ich doch bezweifeln. In dem Satze auf Seite 414 „sie ^die dua¬
listische Auffassung^ hat Unrecht, indem sie verkennt, daß es sowohl in dem
interindividuellen isotropen Antagonismus der objektiv realen Intensitäten als
auch in dem intraindividuellen allotropen Antagonismus beider Erscheinungs¬
weisen doch nur die metaphysischen Intensitäten sind, die sich transformiren,"
in diesem Satze hätte, wie mir scheint, wenigstens das letzte Zeitwort ins
Deutsche übersetzt werden können, ohne daß dadurch der Sinn verdunkelt worden
wäre und die Würde der Philosophie darunter gelitten Hütte. Bei Besprechung
einer frühern Schrift Hartmanns sind die zahlreichen Druckfehler gerügt worden;
soviel sind in diesem Buche uicht stehen geblieben, aber doch außer vielen
kleineren auch noch manche gröbere, wie auf S. 59 Lehre für Bahn, S. 182
trifft für betrifft, S. 204 verstellungsmäßige für vorstellungsmäßige.

Die Besprechung von Wundes Ethik im 42. Heft des Jahrgangs 1892
schloß mit dem Satze: „Endlich erlauben wir uns noch, eine Unterlassung zu
bedauern, die leicht als absichtliche Ungerechtigkeit gedeutet werden könnte:
Enduard von Hartmann, dessen wertvolle ethische Studien sich mit denen
Wundes vielfach berühren, wird kein einziges mal erwähnt." In der vor¬
legenden zweiten Auflage seines Systems der Philosophie erwähnt er ihn —
einmal, auf Seite 681, sagt aber kein Wort davon, daß sich Hartmann nach
dem ersten Erscheinen des genannten Werkes in den Preußischen Jahrbüchern
unt ihm ausführlich auseinandergesetzt hat. Ich gönne jetzt diese Behandlung
Hartmann ein wenig, weil er selbst Lotze — nicht ignorirt, aber bei jeder
Gelegenheit schlecht behandelt. Trotz grundverschiedncr Anordnung und Dar¬
stellungsweise fällt Wundes Buch inhaltlich der Hauptsache nach mit den: Hart-
manns zusammen; es ist ebenfalls zur größern Hälfte Erkenntnistheorie und
Zur kleinern Metaphysik. Nach einer Einleitung behandelt es in sechs Ab-
t^unter: das Denken, die Erkenntnis, die Verstandesbegriffe, die transcendenter




^ ) Hier ist auch die Orthographie ungleichmäßig; entweder Facticitüt oder Faktizitnt.
in d ^ y^g, es ixsuw, wird freilich Hartmann sagen, wenn er an unsre Druckfehler
der ersten Hälfte dieses Aufsatzes denkt (Lies: S. 24 Z, 18 v. u. 0 (Null) für O, S. 2ö
<?«^'."' ^ Absatzes dynamische für dogmatische, und S, 28 drittletzte Zeile
^'"schließt für Erschließt.
Grenzboten IV 1897 1,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226321"/>
          <fw type="header" place="top"> Zwei philosophische Systeme</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_207" prev="#ID_206"> eine Begründung des sittlich Guten dar, noch gehen von ihm Antriebe zum<lb/>
Guten aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_208"> Hartmanns Stil ist bekannt, und wenn bei irgend einem, so ist bei<lb/>
ihm der Stil der Mann, und man darf ihm nicht zumuten, ihn zu ändern.<lb/>
Auch gehöre ich nicht zu denen, die die wissenschaftlichen Kunstausdrücke ab¬<lb/>
schaffen wollen. Aber ob gerade so viel nötig sind, wie Hartmann gebraucht,<lb/>
und ob er seinen Grundsätzen etwas vergeben würde, wenn er hie und da<lb/>
einen durch ein deutsches Wort ersetzte, z. B. Fnkticitüt*) durch Thatsächlich¬<lb/>
keit, möchte ich doch bezweifeln. In dem Satze auf Seite 414 &#x201E;sie ^die dua¬<lb/>
listische Auffassung^ hat Unrecht, indem sie verkennt, daß es sowohl in dem<lb/>
interindividuellen isotropen Antagonismus der objektiv realen Intensitäten als<lb/>
auch in dem intraindividuellen allotropen Antagonismus beider Erscheinungs¬<lb/>
weisen doch nur die metaphysischen Intensitäten sind, die sich transformiren,"<lb/>
in diesem Satze hätte, wie mir scheint, wenigstens das letzte Zeitwort ins<lb/>
Deutsche übersetzt werden können, ohne daß dadurch der Sinn verdunkelt worden<lb/>
wäre und die Würde der Philosophie darunter gelitten Hütte. Bei Besprechung<lb/>
einer frühern Schrift Hartmanns sind die zahlreichen Druckfehler gerügt worden;<lb/>
soviel sind in diesem Buche uicht stehen geblieben, aber doch außer vielen<lb/>
kleineren auch noch manche gröbere, wie auf S. 59 Lehre für Bahn, S. 182<lb/>
trifft für betrifft, S. 204 verstellungsmäßige für vorstellungsmäßige.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_209" next="#ID_210"> Die Besprechung von Wundes Ethik im 42. Heft des Jahrgangs 1892<lb/>
schloß mit dem Satze: &#x201E;Endlich erlauben wir uns noch, eine Unterlassung zu<lb/>
bedauern, die leicht als absichtliche Ungerechtigkeit gedeutet werden könnte:<lb/>
Enduard von Hartmann, dessen wertvolle ethische Studien sich mit denen<lb/>
Wundes vielfach berühren, wird kein einziges mal erwähnt." In der vor¬<lb/>
legenden zweiten Auflage seines Systems der Philosophie erwähnt er ihn &#x2014;<lb/>
einmal, auf Seite 681, sagt aber kein Wort davon, daß sich Hartmann nach<lb/>
dem ersten Erscheinen des genannten Werkes in den Preußischen Jahrbüchern<lb/>
unt ihm ausführlich auseinandergesetzt hat. Ich gönne jetzt diese Behandlung<lb/>
Hartmann ein wenig, weil er selbst Lotze &#x2014; nicht ignorirt, aber bei jeder<lb/>
Gelegenheit schlecht behandelt. Trotz grundverschiedncr Anordnung und Dar¬<lb/>
stellungsweise fällt Wundes Buch inhaltlich der Hauptsache nach mit den: Hart-<lb/>
manns zusammen; es ist ebenfalls zur größern Hälfte Erkenntnistheorie und<lb/>
Zur kleinern Metaphysik. Nach einer Einleitung behandelt es in sechs Ab-<lb/>
t^unter: das Denken, die Erkenntnis, die Verstandesbegriffe, die transcendenter</p><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> ^ ) Hier ist auch die Orthographie ungleichmäßig; entweder Facticitüt oder Faktizitnt.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_13" place="foot"> in d  ^ y^g, es ixsuw, wird freilich Hartmann sagen, wenn er an unsre Druckfehler<lb/>
der ersten Hälfte dieses Aufsatzes denkt (Lies: S. 24 Z, 18 v. u. 0 (Null) für O, S. 2ö<lb/>
&lt;?«^'."' ^ Absatzes dynamische für dogmatische, und S, 28 drittletzte Zeile<lb/>
^'"schließt für Erschließt.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1897 1,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Zwei philosophische Systeme eine Begründung des sittlich Guten dar, noch gehen von ihm Antriebe zum Guten aus. Hartmanns Stil ist bekannt, und wenn bei irgend einem, so ist bei ihm der Stil der Mann, und man darf ihm nicht zumuten, ihn zu ändern. Auch gehöre ich nicht zu denen, die die wissenschaftlichen Kunstausdrücke ab¬ schaffen wollen. Aber ob gerade so viel nötig sind, wie Hartmann gebraucht, und ob er seinen Grundsätzen etwas vergeben würde, wenn er hie und da einen durch ein deutsches Wort ersetzte, z. B. Fnkticitüt*) durch Thatsächlich¬ keit, möchte ich doch bezweifeln. In dem Satze auf Seite 414 „sie ^die dua¬ listische Auffassung^ hat Unrecht, indem sie verkennt, daß es sowohl in dem interindividuellen isotropen Antagonismus der objektiv realen Intensitäten als auch in dem intraindividuellen allotropen Antagonismus beider Erscheinungs¬ weisen doch nur die metaphysischen Intensitäten sind, die sich transformiren," in diesem Satze hätte, wie mir scheint, wenigstens das letzte Zeitwort ins Deutsche übersetzt werden können, ohne daß dadurch der Sinn verdunkelt worden wäre und die Würde der Philosophie darunter gelitten Hütte. Bei Besprechung einer frühern Schrift Hartmanns sind die zahlreichen Druckfehler gerügt worden; soviel sind in diesem Buche uicht stehen geblieben, aber doch außer vielen kleineren auch noch manche gröbere, wie auf S. 59 Lehre für Bahn, S. 182 trifft für betrifft, S. 204 verstellungsmäßige für vorstellungsmäßige. Die Besprechung von Wundes Ethik im 42. Heft des Jahrgangs 1892 schloß mit dem Satze: „Endlich erlauben wir uns noch, eine Unterlassung zu bedauern, die leicht als absichtliche Ungerechtigkeit gedeutet werden könnte: Enduard von Hartmann, dessen wertvolle ethische Studien sich mit denen Wundes vielfach berühren, wird kein einziges mal erwähnt." In der vor¬ legenden zweiten Auflage seines Systems der Philosophie erwähnt er ihn — einmal, auf Seite 681, sagt aber kein Wort davon, daß sich Hartmann nach dem ersten Erscheinen des genannten Werkes in den Preußischen Jahrbüchern unt ihm ausführlich auseinandergesetzt hat. Ich gönne jetzt diese Behandlung Hartmann ein wenig, weil er selbst Lotze — nicht ignorirt, aber bei jeder Gelegenheit schlecht behandelt. Trotz grundverschiedncr Anordnung und Dar¬ stellungsweise fällt Wundes Buch inhaltlich der Hauptsache nach mit den: Hart- manns zusammen; es ist ebenfalls zur größern Hälfte Erkenntnistheorie und Zur kleinern Metaphysik. Nach einer Einleitung behandelt es in sechs Ab- t^unter: das Denken, die Erkenntnis, die Verstandesbegriffe, die transcendenter ^ ) Hier ist auch die Orthographie ungleichmäßig; entweder Facticitüt oder Faktizitnt. in d ^ y^g, es ixsuw, wird freilich Hartmann sagen, wenn er an unsre Druckfehler der ersten Hälfte dieses Aufsatzes denkt (Lies: S. 24 Z, 18 v. u. 0 (Null) für O, S. 2ö <?«^'."' ^ Absatzes dynamische für dogmatische, und S, 28 drittletzte Zeile ^'"schließt für Erschließt. Grenzboten IV 1897 1,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/89>, abgerufen am 23.07.2024.