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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Unsre südwestafrikanische Kolonie

der Last einer täglich zunehmenden Menge von Verbrechern und bildet diese
durch die Verwendung auf Strüflingsplantagen für eine nützliche Thätigkeit
aus. Nur gegen die Überführung nach Südwestafrika werden von interessirten
Seite Einwendungen gemacht, nicht, weil der Sträfling. unbezahlter Arbeiter
und nichts von ihm zu verdienen ist, sondern unter dem Vorgeben, Südwest¬
afrika sei zu gut, eine solche Geißel aufzunehmen. Aber die, denen dieser Grund
vorschwebt, mögen sich vergegenwärtigen, in welche Notlage der entlassene
Sträfling in Deutschland gerät; meist ist er gezwungen, sich von neuem zu
vergehen, um leben zu können. In Deutschland ist der entlassene Sträfling
wirklich eine Geißel, für das so gering bevölkerte Südwestafrika braucht er es
bei richtiger Leitung nicht zu werden, dort kann er zum Nutzen der Kolonie
und Deutschlands verwendet werden. Von rein menschlichem Standpunkt aus
betrachtet, steht also der Deportation nach Südwestafrika nichts im Wege.

Der Einwand, Südwestafrika habe kein für Sträflingsplantagen und zur
spätern Besiedlung entlassener Sträflinge geeignetes Land, kaun nur von denen
gemacht werden, die das Schutzgebiet nicht in seinem vollen Umfange kennen.
Im Norden, besonders in dem Thal des Okovango, hat es ein ausgedehntes
Gebiet, das sich in klimatischer und landwirtschaftlicher Beziehung ganz gut
dazu eignet. Auch deshalb ist es gut geeignet, weil es von dem übrigen
Teile des Schutzgebietes durch eine etwa 120 Kilometer breite, während
des größten Teils des Jahres wasserlose, parkähnliche Landschaft getrennt
ist, die getrennte und entfernte Lage eine Besiedlung durch freie Ansiedler in
den nächsten Jahrzehnten ausschließt und der größere Teil der farbigen Be¬
völkerung, wohl infolge früherer häufiger Beunruhigungen durch Buschleute
und Buren, vorgezogen hat, auf portugiesischer Seite, also auf dem linken
Okovangoufer zu leben. Die schlechten Erfahrungen, die von den Buren in
den siebziger Jahren am Okovango in klimatischer Beziehung gemacht sind,
brauchen nicht abzuschrecken. Die Buren kamen erschöpft am Okovango an,
es fehlte ihnen an dem nötigsten, auch an Medizin zur Bekämpfung des Fiebers.
In Mossamedes, südlich von Bihe, also unter ähnlichen klimatischen Verhält¬
nissen wie am Okovango, fühlen sich die Buren und die dort wie südlich von
Malange (Angola) angesiedelten portugiesischen Sträflinge ganz Wohl. Auch Fieber
bieten jetzt, wo man ihre Entstehung und Bekämpfung kennt, nicht mehr die
Gefahr wie früher.

Die Deportation von Sträflingen nach Südwestafrika würde also sehr
wohl möglich sein. Ehe aber Sträflingsplantagen angelegt werden, müßte
noch ein Übergang geschaffen, müßten die widerstrebenden Einflüsse einiger
Gesellschaften beseitigt werden. Bis dahin würden die Sträflinge mit Lcin-
dungsverbesserungsarbeiten bei Swakopmnnd, mit Arbeiten an der Eisenbahn,
Thalsperren, Berieselungsanlagen und Schaffung sonstiger Wasserstellen be¬
schäftigt werden wüssen. Für alle solche Arbeiten haben einzelne Gesellschaften


Unsre südwestafrikanische Kolonie

der Last einer täglich zunehmenden Menge von Verbrechern und bildet diese
durch die Verwendung auf Strüflingsplantagen für eine nützliche Thätigkeit
aus. Nur gegen die Überführung nach Südwestafrika werden von interessirten
Seite Einwendungen gemacht, nicht, weil der Sträfling. unbezahlter Arbeiter
und nichts von ihm zu verdienen ist, sondern unter dem Vorgeben, Südwest¬
afrika sei zu gut, eine solche Geißel aufzunehmen. Aber die, denen dieser Grund
vorschwebt, mögen sich vergegenwärtigen, in welche Notlage der entlassene
Sträfling in Deutschland gerät; meist ist er gezwungen, sich von neuem zu
vergehen, um leben zu können. In Deutschland ist der entlassene Sträfling
wirklich eine Geißel, für das so gering bevölkerte Südwestafrika braucht er es
bei richtiger Leitung nicht zu werden, dort kann er zum Nutzen der Kolonie
und Deutschlands verwendet werden. Von rein menschlichem Standpunkt aus
betrachtet, steht also der Deportation nach Südwestafrika nichts im Wege.

Der Einwand, Südwestafrika habe kein für Sträflingsplantagen und zur
spätern Besiedlung entlassener Sträflinge geeignetes Land, kaun nur von denen
gemacht werden, die das Schutzgebiet nicht in seinem vollen Umfange kennen.
Im Norden, besonders in dem Thal des Okovango, hat es ein ausgedehntes
Gebiet, das sich in klimatischer und landwirtschaftlicher Beziehung ganz gut
dazu eignet. Auch deshalb ist es gut geeignet, weil es von dem übrigen
Teile des Schutzgebietes durch eine etwa 120 Kilometer breite, während
des größten Teils des Jahres wasserlose, parkähnliche Landschaft getrennt
ist, die getrennte und entfernte Lage eine Besiedlung durch freie Ansiedler in
den nächsten Jahrzehnten ausschließt und der größere Teil der farbigen Be¬
völkerung, wohl infolge früherer häufiger Beunruhigungen durch Buschleute
und Buren, vorgezogen hat, auf portugiesischer Seite, also auf dem linken
Okovangoufer zu leben. Die schlechten Erfahrungen, die von den Buren in
den siebziger Jahren am Okovango in klimatischer Beziehung gemacht sind,
brauchen nicht abzuschrecken. Die Buren kamen erschöpft am Okovango an,
es fehlte ihnen an dem nötigsten, auch an Medizin zur Bekämpfung des Fiebers.
In Mossamedes, südlich von Bihe, also unter ähnlichen klimatischen Verhält¬
nissen wie am Okovango, fühlen sich die Buren und die dort wie südlich von
Malange (Angola) angesiedelten portugiesischen Sträflinge ganz Wohl. Auch Fieber
bieten jetzt, wo man ihre Entstehung und Bekämpfung kennt, nicht mehr die
Gefahr wie früher.

Die Deportation von Sträflingen nach Südwestafrika würde also sehr
wohl möglich sein. Ehe aber Sträflingsplantagen angelegt werden, müßte
noch ein Übergang geschaffen, müßten die widerstrebenden Einflüsse einiger
Gesellschaften beseitigt werden. Bis dahin würden die Sträflinge mit Lcin-
dungsverbesserungsarbeiten bei Swakopmnnd, mit Arbeiten an der Eisenbahn,
Thalsperren, Berieselungsanlagen und Schaffung sonstiger Wasserstellen be¬
schäftigt werden wüssen. Für alle solche Arbeiten haben einzelne Gesellschaften


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[0078] Unsre südwestafrikanische Kolonie der Last einer täglich zunehmenden Menge von Verbrechern und bildet diese durch die Verwendung auf Strüflingsplantagen für eine nützliche Thätigkeit aus. Nur gegen die Überführung nach Südwestafrika werden von interessirten Seite Einwendungen gemacht, nicht, weil der Sträfling. unbezahlter Arbeiter und nichts von ihm zu verdienen ist, sondern unter dem Vorgeben, Südwest¬ afrika sei zu gut, eine solche Geißel aufzunehmen. Aber die, denen dieser Grund vorschwebt, mögen sich vergegenwärtigen, in welche Notlage der entlassene Sträfling in Deutschland gerät; meist ist er gezwungen, sich von neuem zu vergehen, um leben zu können. In Deutschland ist der entlassene Sträfling wirklich eine Geißel, für das so gering bevölkerte Südwestafrika braucht er es bei richtiger Leitung nicht zu werden, dort kann er zum Nutzen der Kolonie und Deutschlands verwendet werden. Von rein menschlichem Standpunkt aus betrachtet, steht also der Deportation nach Südwestafrika nichts im Wege. Der Einwand, Südwestafrika habe kein für Sträflingsplantagen und zur spätern Besiedlung entlassener Sträflinge geeignetes Land, kaun nur von denen gemacht werden, die das Schutzgebiet nicht in seinem vollen Umfange kennen. Im Norden, besonders in dem Thal des Okovango, hat es ein ausgedehntes Gebiet, das sich in klimatischer und landwirtschaftlicher Beziehung ganz gut dazu eignet. Auch deshalb ist es gut geeignet, weil es von dem übrigen Teile des Schutzgebietes durch eine etwa 120 Kilometer breite, während des größten Teils des Jahres wasserlose, parkähnliche Landschaft getrennt ist, die getrennte und entfernte Lage eine Besiedlung durch freie Ansiedler in den nächsten Jahrzehnten ausschließt und der größere Teil der farbigen Be¬ völkerung, wohl infolge früherer häufiger Beunruhigungen durch Buschleute und Buren, vorgezogen hat, auf portugiesischer Seite, also auf dem linken Okovangoufer zu leben. Die schlechten Erfahrungen, die von den Buren in den siebziger Jahren am Okovango in klimatischer Beziehung gemacht sind, brauchen nicht abzuschrecken. Die Buren kamen erschöpft am Okovango an, es fehlte ihnen an dem nötigsten, auch an Medizin zur Bekämpfung des Fiebers. In Mossamedes, südlich von Bihe, also unter ähnlichen klimatischen Verhält¬ nissen wie am Okovango, fühlen sich die Buren und die dort wie südlich von Malange (Angola) angesiedelten portugiesischen Sträflinge ganz Wohl. Auch Fieber bieten jetzt, wo man ihre Entstehung und Bekämpfung kennt, nicht mehr die Gefahr wie früher. Die Deportation von Sträflingen nach Südwestafrika würde also sehr wohl möglich sein. Ehe aber Sträflingsplantagen angelegt werden, müßte noch ein Übergang geschaffen, müßten die widerstrebenden Einflüsse einiger Gesellschaften beseitigt werden. Bis dahin würden die Sträflinge mit Lcin- dungsverbesserungsarbeiten bei Swakopmnnd, mit Arbeiten an der Eisenbahn, Thalsperren, Berieselungsanlagen und Schaffung sonstiger Wasserstellen be¬ schäftigt werden wüssen. Für alle solche Arbeiten haben einzelne Gesellschaften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/78>, abgerufen am 23.07.2024.