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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Unsre südwestafrikanische Kolonie

eutsch-Südwestafrika ist wieder an einem Wendepunkt angelangt.
Die Rinderpest, die Anfang Mai d. I. über den Ngamisee ihren
Einzug in das Schutzgebiet gehalten hat, fordert immer neue
Opfer. Der Viehbestand ist zum Teil vernichtet, der Ochsen¬
wagenverkehr hat aufgehört, und hiermit auch die Zufuhr von
Lebensmitteln für die ini Innern lebende, ohne die Beamten und die Truppe
etwa 800 Seelen zählende weiße Bevölkerung.") Denen, die kein Vieh besitzen,
bleibt nach Aufzehrung ihrer Vorräte nichts weiter übrig, als nach der Küste
zu wandern. In ähnliche Lage werden viele der Stationsbesatzungen kommen
mit ihrem farbigen Anhang, Bastards, Bergdamaras und Hottentotten. Der
andre Teil der farbigen Bevölkerung wird so gut als möglich im Lande weiter
leben, von Feldfrüchten und von der Jagd, und bei größerer Not die ackerbau¬
treibenden Völker im Norden und Nordosten des Schutzgebiets aufsuchen.
Verhältnisse, wie sie beim Auftreten der Rinderpest im Matabele- und Bet-
schuanenlande eintraten, Hungersnot und Aufstand, sind für unser Schutzgebiet
nicht zu befürchten. Vor einem Aufstand schützen uns die im Verhältnis zu
der 80- bis 100000 Seelen starken Bevölkerung sehr starke Truppe, die zu
einer Macht herangewachsenen Ansiedler, die Uneinigkeit unter den Eingebornen-
stämmen und innerhalb der einzelnen Stämme, insbesondre der Herero.

Dem ungeachtet erscheinen in letzter Zeit häufiger Artikel, die einen
Hereroaufstand, unterstützt durch Hottentotten, ankündigen und einer Truppen¬
vermehrung das Wort reden. Solchen Artikeln, besonders wenn sie Kap-
zeitnngen entnommen sind, thut man gut, mit Mißtrauen zu begegnen. Kap¬
kaufleute sind dnrch Lieferungen für die Truppe ebenso stark bei jeder Truppen-
vermehruug interessirt, wie der größere Teil der in Südwestafrika lebenden
Europäer, von denen die meisten fast ausschließlich von dein Gelde leben, das
die Schutztruppe und die Beamten ins Land bringen. Der gegenwärtige
Augenblick ist zu einer Verstärkung der Truppe gar nicht geeignet. Was nützt
eine Verstärkung, wenn es an Transportmitteln für Verpflegung, Gepäck,
Munition und Wasser sehlt? Es ist zu bedeuken, daß hundert Mann für einen



*) 87 Kaufleute, 77 Farmer, 109 Handwerker und Arbeiter, 9 Ingenieure, 2 Maschinen¬
bauer, (> Verwalter, 5 Bergleute, 21 Missionare.


Unsre südwestafrikanische Kolonie

eutsch-Südwestafrika ist wieder an einem Wendepunkt angelangt.
Die Rinderpest, die Anfang Mai d. I. über den Ngamisee ihren
Einzug in das Schutzgebiet gehalten hat, fordert immer neue
Opfer. Der Viehbestand ist zum Teil vernichtet, der Ochsen¬
wagenverkehr hat aufgehört, und hiermit auch die Zufuhr von
Lebensmitteln für die ini Innern lebende, ohne die Beamten und die Truppe
etwa 800 Seelen zählende weiße Bevölkerung.") Denen, die kein Vieh besitzen,
bleibt nach Aufzehrung ihrer Vorräte nichts weiter übrig, als nach der Küste
zu wandern. In ähnliche Lage werden viele der Stationsbesatzungen kommen
mit ihrem farbigen Anhang, Bastards, Bergdamaras und Hottentotten. Der
andre Teil der farbigen Bevölkerung wird so gut als möglich im Lande weiter
leben, von Feldfrüchten und von der Jagd, und bei größerer Not die ackerbau¬
treibenden Völker im Norden und Nordosten des Schutzgebiets aufsuchen.
Verhältnisse, wie sie beim Auftreten der Rinderpest im Matabele- und Bet-
schuanenlande eintraten, Hungersnot und Aufstand, sind für unser Schutzgebiet
nicht zu befürchten. Vor einem Aufstand schützen uns die im Verhältnis zu
der 80- bis 100000 Seelen starken Bevölkerung sehr starke Truppe, die zu
einer Macht herangewachsenen Ansiedler, die Uneinigkeit unter den Eingebornen-
stämmen und innerhalb der einzelnen Stämme, insbesondre der Herero.

Dem ungeachtet erscheinen in letzter Zeit häufiger Artikel, die einen
Hereroaufstand, unterstützt durch Hottentotten, ankündigen und einer Truppen¬
vermehrung das Wort reden. Solchen Artikeln, besonders wenn sie Kap-
zeitnngen entnommen sind, thut man gut, mit Mißtrauen zu begegnen. Kap¬
kaufleute sind dnrch Lieferungen für die Truppe ebenso stark bei jeder Truppen-
vermehruug interessirt, wie der größere Teil der in Südwestafrika lebenden
Europäer, von denen die meisten fast ausschließlich von dein Gelde leben, das
die Schutztruppe und die Beamten ins Land bringen. Der gegenwärtige
Augenblick ist zu einer Verstärkung der Truppe gar nicht geeignet. Was nützt
eine Verstärkung, wenn es an Transportmitteln für Verpflegung, Gepäck,
Munition und Wasser sehlt? Es ist zu bedeuken, daß hundert Mann für einen



*) 87 Kaufleute, 77 Farmer, 109 Handwerker und Arbeiter, 9 Ingenieure, 2 Maschinen¬
bauer, (> Verwalter, 5 Bergleute, 21 Missionare.
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[0075] [Abbildung] Unsre südwestafrikanische Kolonie eutsch-Südwestafrika ist wieder an einem Wendepunkt angelangt. Die Rinderpest, die Anfang Mai d. I. über den Ngamisee ihren Einzug in das Schutzgebiet gehalten hat, fordert immer neue Opfer. Der Viehbestand ist zum Teil vernichtet, der Ochsen¬ wagenverkehr hat aufgehört, und hiermit auch die Zufuhr von Lebensmitteln für die ini Innern lebende, ohne die Beamten und die Truppe etwa 800 Seelen zählende weiße Bevölkerung.") Denen, die kein Vieh besitzen, bleibt nach Aufzehrung ihrer Vorräte nichts weiter übrig, als nach der Küste zu wandern. In ähnliche Lage werden viele der Stationsbesatzungen kommen mit ihrem farbigen Anhang, Bastards, Bergdamaras und Hottentotten. Der andre Teil der farbigen Bevölkerung wird so gut als möglich im Lande weiter leben, von Feldfrüchten und von der Jagd, und bei größerer Not die ackerbau¬ treibenden Völker im Norden und Nordosten des Schutzgebiets aufsuchen. Verhältnisse, wie sie beim Auftreten der Rinderpest im Matabele- und Bet- schuanenlande eintraten, Hungersnot und Aufstand, sind für unser Schutzgebiet nicht zu befürchten. Vor einem Aufstand schützen uns die im Verhältnis zu der 80- bis 100000 Seelen starken Bevölkerung sehr starke Truppe, die zu einer Macht herangewachsenen Ansiedler, die Uneinigkeit unter den Eingebornen- stämmen und innerhalb der einzelnen Stämme, insbesondre der Herero. Dem ungeachtet erscheinen in letzter Zeit häufiger Artikel, die einen Hereroaufstand, unterstützt durch Hottentotten, ankündigen und einer Truppen¬ vermehrung das Wort reden. Solchen Artikeln, besonders wenn sie Kap- zeitnngen entnommen sind, thut man gut, mit Mißtrauen zu begegnen. Kap¬ kaufleute sind dnrch Lieferungen für die Truppe ebenso stark bei jeder Truppen- vermehruug interessirt, wie der größere Teil der in Südwestafrika lebenden Europäer, von denen die meisten fast ausschließlich von dein Gelde leben, das die Schutztruppe und die Beamten ins Land bringen. Der gegenwärtige Augenblick ist zu einer Verstärkung der Truppe gar nicht geeignet. Was nützt eine Verstärkung, wenn es an Transportmitteln für Verpflegung, Gepäck, Munition und Wasser sehlt? Es ist zu bedeuken, daß hundert Mann für einen *) 87 Kaufleute, 77 Farmer, 109 Handwerker und Arbeiter, 9 Ingenieure, 2 Maschinen¬ bauer, (> Verwalter, 5 Bergleute, 21 Missionare.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/75>, abgerufen am 23.07.2024.