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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die großen Kunstausstellungen des Jahres 1.39?

Kunststadt" nachweisen. Der äußere Erfolg ist diesem Feldzugsplan nicht günstig
gewesen. Man kann sogar von einer Niederlage reden, wenn man sich an
Äußerlichkeiten halten will. Das Ausstellungskomitee hat sich genötigt gesehen,
eine herbe Mahnung an die Einwohnerschaft Münchens, der "Kunststadt
xs.r 6X(!"zUsn<z<z," wie man jetzt gern sagt, zu richten und ihr eine Strafpredigt
wegen des überaus schwachen Besuchs der Ausstellung durch die Einheimischen
zu halten. Man hat Vergleiche zwischen dem Besuch der Kunstausstellung
und dem des neu erbauten, fast gleichzeitig mit ihr eröffneten Hofbräuhauses
angestellt, und diese Vergleiche sind zu Gunsten des Hofbräuhauses ausgefallen.
Das ist wenig ermutigend, aber es fragt sich, ob nicht die Leiter der großen
Münchner Kunstausstellung selbst an diesem äußern Mißerfolg ein wenig
schuld sind. Den Münchnern, die ohnehin an ein wohlfeileres Leben gewöhnt
sind als die Großstädter Norddeutschlands, wird für eine Mark kein andrer Genuß
geboten als der der Kunstwerke. Gartenanlagen, in denen sich das Publikum zur
Erholung von den Strapazen der Kunstwanderung ergehen kann, fehlen, und
Konzerte, die jetzt zum notwendigen Bestandteil jeder Ausstellung geworden
sind, giebt es nicht. In Berlin hat man für die Hälfte des Eintrittspreises
obendrein noch den Genuß eines Doppelkonzerts und anmutiger Parkanlagen
mit Wasserflächen und Springbrunnen, und Dresden hat ebenfalls nach dem
Beispiele Berlins das Belehrende und Erbauende mit dein Angenehmen ver¬
bunden. Daß in Dresden der Lvkcilpatriotismns stärker ausgebildet ist als
in andern deutschen Großstädten, ist bekannt, und er hat ganz besonders zu
dem Erfolg der Ausstellung beigetragen, wenn auch vielleicht die Mehrzahl
der Besucher den meisten Kunstwerken gegenüber fremd und kühl geblieben ist.
In Berlin ist der Ausstellungspark seit langer Zeit ein volkstümliches Ver¬
gnügungslokal, das auch wegen des billigen Eintrittspreises von Leuten
besucht wird, die sonst nur wenig Kunstinteresse haben, durch äußere Reizmittel
aber doch einmal in eine Kunstausstellung gelockt werden. Wir haben die
Beobachtung gemacht, daß die Säle der Münchner Kunstausstellung an Sonntag¬
nachmittagen eine erschreckende Leere zeigen, während sich in dem "banausischen"
Berlin, das keine "Kunststadt x"r oxoellEnos" ist, ein dichter Menschenstrom
vom frühen Sonntag vormittag bis zur Abenddämmerung durch die Räume
der Ausstellung wälzt. Ob die Ausstellung einmal weniger gut oder gar
schlecht ist, hat auf den Besuch nicht den geringsten Einfluß.

Diese Beobachtungen sollten den Münchnern zu denken geben. In ihrem
Glaspalast, der nun schon fast dreißig Jahre lang für Kunstausstellungen
herhalten muß, obwohl er zu einem ganz andern Zweck erbaut worden war,
können sie nicht länger Hausen. Sie mögen noch so schone Einbänden von
genialen Architekten machen, noch so stimmungsvolle "Angenblicksattraktionen"
von berühmten Meistern wie Lenbach herstellen lassen, über die Unbehaglichkeit,
die frostige Öde und die schlechte, zum Teil tellerartige Beleuchtung vieler


Die großen Kunstausstellungen des Jahres 1.39?

Kunststadt" nachweisen. Der äußere Erfolg ist diesem Feldzugsplan nicht günstig
gewesen. Man kann sogar von einer Niederlage reden, wenn man sich an
Äußerlichkeiten halten will. Das Ausstellungskomitee hat sich genötigt gesehen,
eine herbe Mahnung an die Einwohnerschaft Münchens, der „Kunststadt
xs.r 6X(!«zUsn<z<z," wie man jetzt gern sagt, zu richten und ihr eine Strafpredigt
wegen des überaus schwachen Besuchs der Ausstellung durch die Einheimischen
zu halten. Man hat Vergleiche zwischen dem Besuch der Kunstausstellung
und dem des neu erbauten, fast gleichzeitig mit ihr eröffneten Hofbräuhauses
angestellt, und diese Vergleiche sind zu Gunsten des Hofbräuhauses ausgefallen.
Das ist wenig ermutigend, aber es fragt sich, ob nicht die Leiter der großen
Münchner Kunstausstellung selbst an diesem äußern Mißerfolg ein wenig
schuld sind. Den Münchnern, die ohnehin an ein wohlfeileres Leben gewöhnt
sind als die Großstädter Norddeutschlands, wird für eine Mark kein andrer Genuß
geboten als der der Kunstwerke. Gartenanlagen, in denen sich das Publikum zur
Erholung von den Strapazen der Kunstwanderung ergehen kann, fehlen, und
Konzerte, die jetzt zum notwendigen Bestandteil jeder Ausstellung geworden
sind, giebt es nicht. In Berlin hat man für die Hälfte des Eintrittspreises
obendrein noch den Genuß eines Doppelkonzerts und anmutiger Parkanlagen
mit Wasserflächen und Springbrunnen, und Dresden hat ebenfalls nach dem
Beispiele Berlins das Belehrende und Erbauende mit dein Angenehmen ver¬
bunden. Daß in Dresden der Lvkcilpatriotismns stärker ausgebildet ist als
in andern deutschen Großstädten, ist bekannt, und er hat ganz besonders zu
dem Erfolg der Ausstellung beigetragen, wenn auch vielleicht die Mehrzahl
der Besucher den meisten Kunstwerken gegenüber fremd und kühl geblieben ist.
In Berlin ist der Ausstellungspark seit langer Zeit ein volkstümliches Ver¬
gnügungslokal, das auch wegen des billigen Eintrittspreises von Leuten
besucht wird, die sonst nur wenig Kunstinteresse haben, durch äußere Reizmittel
aber doch einmal in eine Kunstausstellung gelockt werden. Wir haben die
Beobachtung gemacht, daß die Säle der Münchner Kunstausstellung an Sonntag¬
nachmittagen eine erschreckende Leere zeigen, während sich in dem „banausischen"
Berlin, das keine „Kunststadt x»r oxoellEnos" ist, ein dichter Menschenstrom
vom frühen Sonntag vormittag bis zur Abenddämmerung durch die Räume
der Ausstellung wälzt. Ob die Ausstellung einmal weniger gut oder gar
schlecht ist, hat auf den Besuch nicht den geringsten Einfluß.

Diese Beobachtungen sollten den Münchnern zu denken geben. In ihrem
Glaspalast, der nun schon fast dreißig Jahre lang für Kunstausstellungen
herhalten muß, obwohl er zu einem ganz andern Zweck erbaut worden war,
können sie nicht länger Hausen. Sie mögen noch so schone Einbänden von
genialen Architekten machen, noch so stimmungsvolle „Angenblicksattraktionen"
von berühmten Meistern wie Lenbach herstellen lassen, über die Unbehaglichkeit,
die frostige Öde und die schlechte, zum Teil tellerartige Beleuchtung vieler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/583>, abgerufen am 26.06.2024.