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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Anthropologische Fragen

lichen Bestrebungen hingeben" wollte. Sich fügen und schmiegen, in mecha¬
nischer Arbeit geduldig Schuften und sich placken, das allein sichert ihm sein
notdürftiges Brot. Weiter als seine Genossen kommt allerdings der Rührigere
und Regsamere; aber Rührigkeit im Erwerben ist ja gerade eine der Eigen¬
schaften, die Ammon den Langschädeln ab- und den Rundschädeln zuspricht,
wobei er augenscheinlich an die Juden denkt.

Schließlich solle" nach Lapouge die Langschädel geborne Protestanten, die
Rundschädel geborne Katholiken sein, und die Bestätigung, die Ammon dafür
gefunden hat, ist vielleicht die merkwürdigste unter allen seinen Entdeckungen.
"Die Freiburger Konviktsschüler stellen eine Auslese der Rundköpfe vor. und
zwar bilden sie eine Gruppe, die rundköpfiger ist als irgend eine der bisher
untersuchten, sogar rundköpfiger als der ländliche Durchschnitt von ganz
Baden." Also was unter klerikaler Einwirkung steht, das ist in auffälligen
Grade rundköpfig. Ammon spricht diesen Knaben, wie überhaupt den Rund-
köpfen, die Begabung nicht ab und teilt mit, daß ihr Fleiß von den Lehrern
gerühmt werde. Er berichtet außerdem, daß sie ziemlich große Köpfe haben,
also richtige Dickköpfe sind. Er wendet auf sie die Charakteristik zweier
Schülcrartcn an, die W. H. nicht entwirft: den beschränkten Bauerjungen,
der mit der Geduld und Beharrlichkeit des Pflugstiers sein Gymnasialpensum
durchackert, und den geistig angeregten Sohn gebildeter Eltern, der vorm Abi-
tnrium abfällt. Es wäre zu untersuchen, ob es in allen Fällen Genialität
ist, was die mindere Beharrlichkeit mancher vornehmen Knaben verschuldet,
und ob wirklich alle studirenden Vauerjungen beschränkt sind. Übrigens wollen
wir bei dieser Gelegenheit Ammon zugestehen, daß er wenigstens einen ver¬
nünftigen Gedanken ausspricht, nämlich den, daß es auch glückliche ethnologische
Mischungen giebt.") Ob die Kombination begründet ist, die ihm diesen Ge¬
danken eingegeben hat, mag dahingestellt bleiben. Er schreibt nämlich das
Vorwiegen der Brünetten auf deu Gymnasien dem Umstände zu, daß die
braune Haarfarbe wahrscheinlich mit der Nnudschädeleigenschaft des Fleißes
verbunden sei, und daß am Gymnasium die Mischung am besten fortkomme,
die diese Eigenschaft mit den andern Eigenschaften der Langschädel verbinde.
Auch habe ja die höchste Kultur nicht Völker ganz reiner Nasse, sondern
Mischlinge hervorgebracht, im Altertum die Hellenen, im Mittelalter die
Italiener, in neuerer Zeit die Deutschen, wenigstens sind wir überzeugt, daß
unsre Kultur als die vielseitigere und feinere höher steht als die der rein-
blütigern Engländer. Die Beziehung der Schädelbildung zur Religion stellt
Ammon folgendermaßen dar. "Den Germanen wohnte eine andre Art des
religiösen Empfindens inne als den Asiaten. Schon in den ältesten christ-



") Im allgemeinen hält er die Mischlinge für schlechter als die Völker und Menschen
von reiner Rasse; Rachel erklärt das für ein durch die Völkerkunde widerlegtes Vorurteil.
Anthropologische Fragen

lichen Bestrebungen hingeben" wollte. Sich fügen und schmiegen, in mecha¬
nischer Arbeit geduldig Schuften und sich placken, das allein sichert ihm sein
notdürftiges Brot. Weiter als seine Genossen kommt allerdings der Rührigere
und Regsamere; aber Rührigkeit im Erwerben ist ja gerade eine der Eigen¬
schaften, die Ammon den Langschädeln ab- und den Rundschädeln zuspricht,
wobei er augenscheinlich an die Juden denkt.

Schließlich solle» nach Lapouge die Langschädel geborne Protestanten, die
Rundschädel geborne Katholiken sein, und die Bestätigung, die Ammon dafür
gefunden hat, ist vielleicht die merkwürdigste unter allen seinen Entdeckungen.
„Die Freiburger Konviktsschüler stellen eine Auslese der Rundköpfe vor. und
zwar bilden sie eine Gruppe, die rundköpfiger ist als irgend eine der bisher
untersuchten, sogar rundköpfiger als der ländliche Durchschnitt von ganz
Baden." Also was unter klerikaler Einwirkung steht, das ist in auffälligen
Grade rundköpfig. Ammon spricht diesen Knaben, wie überhaupt den Rund-
köpfen, die Begabung nicht ab und teilt mit, daß ihr Fleiß von den Lehrern
gerühmt werde. Er berichtet außerdem, daß sie ziemlich große Köpfe haben,
also richtige Dickköpfe sind. Er wendet auf sie die Charakteristik zweier
Schülcrartcn an, die W. H. nicht entwirft: den beschränkten Bauerjungen,
der mit der Geduld und Beharrlichkeit des Pflugstiers sein Gymnasialpensum
durchackert, und den geistig angeregten Sohn gebildeter Eltern, der vorm Abi-
tnrium abfällt. Es wäre zu untersuchen, ob es in allen Fällen Genialität
ist, was die mindere Beharrlichkeit mancher vornehmen Knaben verschuldet,
und ob wirklich alle studirenden Vauerjungen beschränkt sind. Übrigens wollen
wir bei dieser Gelegenheit Ammon zugestehen, daß er wenigstens einen ver¬
nünftigen Gedanken ausspricht, nämlich den, daß es auch glückliche ethnologische
Mischungen giebt.") Ob die Kombination begründet ist, die ihm diesen Ge¬
danken eingegeben hat, mag dahingestellt bleiben. Er schreibt nämlich das
Vorwiegen der Brünetten auf deu Gymnasien dem Umstände zu, daß die
braune Haarfarbe wahrscheinlich mit der Nnudschädeleigenschaft des Fleißes
verbunden sei, und daß am Gymnasium die Mischung am besten fortkomme,
die diese Eigenschaft mit den andern Eigenschaften der Langschädel verbinde.
Auch habe ja die höchste Kultur nicht Völker ganz reiner Nasse, sondern
Mischlinge hervorgebracht, im Altertum die Hellenen, im Mittelalter die
Italiener, in neuerer Zeit die Deutschen, wenigstens sind wir überzeugt, daß
unsre Kultur als die vielseitigere und feinere höher steht als die der rein-
blütigern Engländer. Die Beziehung der Schädelbildung zur Religion stellt
Ammon folgendermaßen dar. „Den Germanen wohnte eine andre Art des
religiösen Empfindens inne als den Asiaten. Schon in den ältesten christ-



") Im allgemeinen hält er die Mischlinge für schlechter als die Völker und Menschen
von reiner Rasse; Rachel erklärt das für ein durch die Völkerkunde widerlegtes Vorurteil.
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[0434] Anthropologische Fragen lichen Bestrebungen hingeben" wollte. Sich fügen und schmiegen, in mecha¬ nischer Arbeit geduldig Schuften und sich placken, das allein sichert ihm sein notdürftiges Brot. Weiter als seine Genossen kommt allerdings der Rührigere und Regsamere; aber Rührigkeit im Erwerben ist ja gerade eine der Eigen¬ schaften, die Ammon den Langschädeln ab- und den Rundschädeln zuspricht, wobei er augenscheinlich an die Juden denkt. Schließlich solle» nach Lapouge die Langschädel geborne Protestanten, die Rundschädel geborne Katholiken sein, und die Bestätigung, die Ammon dafür gefunden hat, ist vielleicht die merkwürdigste unter allen seinen Entdeckungen. „Die Freiburger Konviktsschüler stellen eine Auslese der Rundköpfe vor. und zwar bilden sie eine Gruppe, die rundköpfiger ist als irgend eine der bisher untersuchten, sogar rundköpfiger als der ländliche Durchschnitt von ganz Baden." Also was unter klerikaler Einwirkung steht, das ist in auffälligen Grade rundköpfig. Ammon spricht diesen Knaben, wie überhaupt den Rund- köpfen, die Begabung nicht ab und teilt mit, daß ihr Fleiß von den Lehrern gerühmt werde. Er berichtet außerdem, daß sie ziemlich große Köpfe haben, also richtige Dickköpfe sind. Er wendet auf sie die Charakteristik zweier Schülcrartcn an, die W. H. nicht entwirft: den beschränkten Bauerjungen, der mit der Geduld und Beharrlichkeit des Pflugstiers sein Gymnasialpensum durchackert, und den geistig angeregten Sohn gebildeter Eltern, der vorm Abi- tnrium abfällt. Es wäre zu untersuchen, ob es in allen Fällen Genialität ist, was die mindere Beharrlichkeit mancher vornehmen Knaben verschuldet, und ob wirklich alle studirenden Vauerjungen beschränkt sind. Übrigens wollen wir bei dieser Gelegenheit Ammon zugestehen, daß er wenigstens einen ver¬ nünftigen Gedanken ausspricht, nämlich den, daß es auch glückliche ethnologische Mischungen giebt.") Ob die Kombination begründet ist, die ihm diesen Ge¬ danken eingegeben hat, mag dahingestellt bleiben. Er schreibt nämlich das Vorwiegen der Brünetten auf deu Gymnasien dem Umstände zu, daß die braune Haarfarbe wahrscheinlich mit der Nnudschädeleigenschaft des Fleißes verbunden sei, und daß am Gymnasium die Mischung am besten fortkomme, die diese Eigenschaft mit den andern Eigenschaften der Langschädel verbinde. Auch habe ja die höchste Kultur nicht Völker ganz reiner Nasse, sondern Mischlinge hervorgebracht, im Altertum die Hellenen, im Mittelalter die Italiener, in neuerer Zeit die Deutschen, wenigstens sind wir überzeugt, daß unsre Kultur als die vielseitigere und feinere höher steht als die der rein- blütigern Engländer. Die Beziehung der Schädelbildung zur Religion stellt Ammon folgendermaßen dar. „Den Germanen wohnte eine andre Art des religiösen Empfindens inne als den Asiaten. Schon in den ältesten christ- ") Im allgemeinen hält er die Mischlinge für schlechter als die Völker und Menschen von reiner Rasse; Rachel erklärt das für ein durch die Völkerkunde widerlegtes Vorurteil.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/434>, abgerufen am 29.06.2024.