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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die Brganisation des Handwerks

halten, so muß sie mehrere Regierungsbezirke umfassen. Huber will daher
Kammern eingerichtet wissen, die sich über mehrere Regierungsbezirke er¬
strecken; je eine Kammer für ganz Rheinland, Baiern, Württemberg, Sachsen,
Baden usw.

Die Gründe Hubers kann man vielleicht gelten lassen, aber es lassen
sich ebenso gute beibringen für die Beschränkung der Kammern auf kleinere
Bezirke. Ausschlaggebend muß immer sein, daß-der Bezirk, wenn irgend
möglich, ein in sich geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstelle. Die Einrichtung
der Bczirksgremieu ist sehr schwerfällig, und dem Bedürfnis einer Zentral-
lcitung kann auch für mehrere kleinere Kammern genügt werden. Wir erinnern
an die Einrichtung des sächsischen Handels- und Gewerbekammertages, die sich
gut bewährt hat. Die Vorstände sämtlicher Kammern im Königreiche Sachsen
treten je nach dem Bedürfnis zu gemeinsamen Beratungen zusammen. Gegen
zu große Kammerbezirke spricht vor allem der Übelstand, daß die weit aus¬
einander wohnenden Mitglieder nur schwer zu häufiger stattfindenden Sitzungen
zusammenzubringen siud. Das hat man schon in größern Handclskammer-
bezirken unangenehm empfunden und wird es in den Handwerkskammern noch
mehr spüren. Der Kaufmann kann immer noch leichter für einen oder mehrere
Tage abkommen, um seine Pflicht als Mitglied der Handelskammer zu erfüllen;
der Handwerker ist viel mehr ans Geschäft gefesselt, so sehr, daß ihn in vielen
Fällen selbst die Vergütung der Reisekosten nicht losreißen wird.

Auch den Aufgabenkreis, der den Handwerkskammern gesteckt ist, will
Huber beträchtlich weiter ziehen als das Gesetz, und es ist lehrreich, zu sehen,
wie weit er ihn erstreckt, da wir daraus eine Vorstellung erhalten, was eine
solche Kammer uuter Umständen leisten kann. Huber denkt daran, daß die
Kammern mit einem ganzen Stäbe von technisch, juristisch und volkswirtschaftlich
vorgebildeten Beamten arbeiten sollen. Zur Beschaffung von Bibliotheken,
Muster-, Modell-, Maschinensammlungen, zur Einrichtung technologischer
Museen, zu einer großartigen Organisation des Personallredits, zur Einführung
von Kleinmotoren, zur Unterweisung der Meister und Gesellen durch Wander¬
lehrer und der Lehrlinge durch Fachschulen wünscht er den Kammer" eine in
die Hunderttausende gehende Staatsuutersttttzuug. Wir haben, wie gesagt, nichts
gegen dieses Programm einzuwenden, wenn es ein allmählich, in der Zukunft
zu erreichendes Ziel bezeichnen soll; gegen seine unmittelbare Durchführung
erklären wir uns aber aus den schon angegebnen Gründen.




Die Brganisation des Handwerks

halten, so muß sie mehrere Regierungsbezirke umfassen. Huber will daher
Kammern eingerichtet wissen, die sich über mehrere Regierungsbezirke er¬
strecken; je eine Kammer für ganz Rheinland, Baiern, Württemberg, Sachsen,
Baden usw.

Die Gründe Hubers kann man vielleicht gelten lassen, aber es lassen
sich ebenso gute beibringen für die Beschränkung der Kammern auf kleinere
Bezirke. Ausschlaggebend muß immer sein, daß-der Bezirk, wenn irgend
möglich, ein in sich geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstelle. Die Einrichtung
der Bczirksgremieu ist sehr schwerfällig, und dem Bedürfnis einer Zentral-
lcitung kann auch für mehrere kleinere Kammern genügt werden. Wir erinnern
an die Einrichtung des sächsischen Handels- und Gewerbekammertages, die sich
gut bewährt hat. Die Vorstände sämtlicher Kammern im Königreiche Sachsen
treten je nach dem Bedürfnis zu gemeinsamen Beratungen zusammen. Gegen
zu große Kammerbezirke spricht vor allem der Übelstand, daß die weit aus¬
einander wohnenden Mitglieder nur schwer zu häufiger stattfindenden Sitzungen
zusammenzubringen siud. Das hat man schon in größern Handclskammer-
bezirken unangenehm empfunden und wird es in den Handwerkskammern noch
mehr spüren. Der Kaufmann kann immer noch leichter für einen oder mehrere
Tage abkommen, um seine Pflicht als Mitglied der Handelskammer zu erfüllen;
der Handwerker ist viel mehr ans Geschäft gefesselt, so sehr, daß ihn in vielen
Fällen selbst die Vergütung der Reisekosten nicht losreißen wird.

Auch den Aufgabenkreis, der den Handwerkskammern gesteckt ist, will
Huber beträchtlich weiter ziehen als das Gesetz, und es ist lehrreich, zu sehen,
wie weit er ihn erstreckt, da wir daraus eine Vorstellung erhalten, was eine
solche Kammer uuter Umständen leisten kann. Huber denkt daran, daß die
Kammern mit einem ganzen Stäbe von technisch, juristisch und volkswirtschaftlich
vorgebildeten Beamten arbeiten sollen. Zur Beschaffung von Bibliotheken,
Muster-, Modell-, Maschinensammlungen, zur Einrichtung technologischer
Museen, zu einer großartigen Organisation des Personallredits, zur Einführung
von Kleinmotoren, zur Unterweisung der Meister und Gesellen durch Wander¬
lehrer und der Lehrlinge durch Fachschulen wünscht er den Kammer» eine in
die Hunderttausende gehende Staatsuutersttttzuug. Wir haben, wie gesagt, nichts
gegen dieses Programm einzuwenden, wenn es ein allmählich, in der Zukunft
zu erreichendes Ziel bezeichnen soll; gegen seine unmittelbare Durchführung
erklären wir uns aber aus den schon angegebnen Gründen.




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[0375] Die Brganisation des Handwerks halten, so muß sie mehrere Regierungsbezirke umfassen. Huber will daher Kammern eingerichtet wissen, die sich über mehrere Regierungsbezirke er¬ strecken; je eine Kammer für ganz Rheinland, Baiern, Württemberg, Sachsen, Baden usw. Die Gründe Hubers kann man vielleicht gelten lassen, aber es lassen sich ebenso gute beibringen für die Beschränkung der Kammern auf kleinere Bezirke. Ausschlaggebend muß immer sein, daß-der Bezirk, wenn irgend möglich, ein in sich geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstelle. Die Einrichtung der Bczirksgremieu ist sehr schwerfällig, und dem Bedürfnis einer Zentral- lcitung kann auch für mehrere kleinere Kammern genügt werden. Wir erinnern an die Einrichtung des sächsischen Handels- und Gewerbekammertages, die sich gut bewährt hat. Die Vorstände sämtlicher Kammern im Königreiche Sachsen treten je nach dem Bedürfnis zu gemeinsamen Beratungen zusammen. Gegen zu große Kammerbezirke spricht vor allem der Übelstand, daß die weit aus¬ einander wohnenden Mitglieder nur schwer zu häufiger stattfindenden Sitzungen zusammenzubringen siud. Das hat man schon in größern Handclskammer- bezirken unangenehm empfunden und wird es in den Handwerkskammern noch mehr spüren. Der Kaufmann kann immer noch leichter für einen oder mehrere Tage abkommen, um seine Pflicht als Mitglied der Handelskammer zu erfüllen; der Handwerker ist viel mehr ans Geschäft gefesselt, so sehr, daß ihn in vielen Fällen selbst die Vergütung der Reisekosten nicht losreißen wird. Auch den Aufgabenkreis, der den Handwerkskammern gesteckt ist, will Huber beträchtlich weiter ziehen als das Gesetz, und es ist lehrreich, zu sehen, wie weit er ihn erstreckt, da wir daraus eine Vorstellung erhalten, was eine solche Kammer uuter Umständen leisten kann. Huber denkt daran, daß die Kammern mit einem ganzen Stäbe von technisch, juristisch und volkswirtschaftlich vorgebildeten Beamten arbeiten sollen. Zur Beschaffung von Bibliotheken, Muster-, Modell-, Maschinensammlungen, zur Einrichtung technologischer Museen, zu einer großartigen Organisation des Personallredits, zur Einführung von Kleinmotoren, zur Unterweisung der Meister und Gesellen durch Wander¬ lehrer und der Lehrlinge durch Fachschulen wünscht er den Kammer» eine in die Hunderttausende gehende Staatsuutersttttzuug. Wir haben, wie gesagt, nichts gegen dieses Programm einzuwenden, wenn es ein allmählich, in der Zukunft zu erreichendes Ziel bezeichnen soll; gegen seine unmittelbare Durchführung erklären wir uns aber aus den schon angegebnen Gründen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/375>, abgerufen am 29.06.2024.