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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Zwei philosophische Systeme

Dummheit^) des Bruders und entwarf den Weltplan lediglich zu dem Zweck,
den Willen zur Einsicht in seine Unvernunft und dadurch zur Zurücknahme
des Wollenwollens zu bringen. "Daß ein Teil des Wollens mit negativem
Inhalt erfüllt wird, scheint unmöglich, wenn man erwägt, daß die Negation
im unbewußt Logischen und sin^ der von ihm gesetzten Idee gar keine Stätte hat,
da doch das Wollen die Idee zum Inhalt empfängt. Es wird aber verständlich,
wenn man darauf reflektirt, daß das Bewußtsein das andre Attribut nicht nur
negativ und positiv als Unlogisches und als Wille erkennen, sondern auch
die Idee in negativer Gestalt zum Willensinhalt machen, d, h. das Wollen
zum nicht mehr wollen Wollen umwenden kann. Da die implicite vom
Logischen von Anbeginn bestimmte Aufhebung seines Gegenteils nur verwirk¬
licht werden kann, wenn dem Wollen zur Hälfte swird auch die Hälfte hin¬
reiche"?^ ein negativer Inhalt gegeben werden kann, dies aber wieder unmittel¬
bar unmöglich und nur durch Vermittlung des Bewußtseins erreichbar ist,
so ist es eine logische Konsequenz des logisch gesetzten Zweckes, daß das Be¬
wußtsein produzirt und bis zur Einsicht in die Alogizität oder Unvernunft
des Wollens entwickelt werde" (S. 224). Das Absolute hat zwar alle
Empfindungen der einzelnen bewußten Wesen als ihr gemeinsamer Träger,
aber es hat kein von diesen abgesondertes Bewußtsein und keine Empfindung
als ein von der Welt verschiednes Subjekt; hätte es eine solche Empfindung,
so könnte das nur die Empfindung ewiger Unseligleit sein <S. 66). "Sollte
nach Beendigung dieses Weltprozesses der Wille sich noch öfter zum Wollen
erheben, so wird er ebenso oft durch das Logische vermittelst neuer Weltprozesse
ins Nichtwollen zurückgeführt werden. Erschließt er sich aber einmal zum Ver¬
harren in der Potenz, so ist es für ewig mit der Gefahr neuer Weltprozesse
vorbei" (S. 362).



(Schluß folgt)




*) "Die erste sinalkausale Determination ist ein zwar intraprozcssualer, aber noch vorwelt-
licher Akt, Der Wille hat sich ohne logischen oder teleologischen Grund, ohne Nötigung aus
innern oder äußern Ursachen, ohne Zwang durch ein Gesetz seiner Natur und ohne vernünftigen
Sinn und Zweck zum Wollen erhaben." S, 480. sDas Logisches ""ins, das Unlogische jwoinit
hier das Wollen gemeint isf> zum Nichtsein verurteilen," S. 3L7.
Zwei philosophische Systeme

Dummheit^) des Bruders und entwarf den Weltplan lediglich zu dem Zweck,
den Willen zur Einsicht in seine Unvernunft und dadurch zur Zurücknahme
des Wollenwollens zu bringen. „Daß ein Teil des Wollens mit negativem
Inhalt erfüllt wird, scheint unmöglich, wenn man erwägt, daß die Negation
im unbewußt Logischen und sin^ der von ihm gesetzten Idee gar keine Stätte hat,
da doch das Wollen die Idee zum Inhalt empfängt. Es wird aber verständlich,
wenn man darauf reflektirt, daß das Bewußtsein das andre Attribut nicht nur
negativ und positiv als Unlogisches und als Wille erkennen, sondern auch
die Idee in negativer Gestalt zum Willensinhalt machen, d, h. das Wollen
zum nicht mehr wollen Wollen umwenden kann. Da die implicite vom
Logischen von Anbeginn bestimmte Aufhebung seines Gegenteils nur verwirk¬
licht werden kann, wenn dem Wollen zur Hälfte swird auch die Hälfte hin¬
reiche»?^ ein negativer Inhalt gegeben werden kann, dies aber wieder unmittel¬
bar unmöglich und nur durch Vermittlung des Bewußtseins erreichbar ist,
so ist es eine logische Konsequenz des logisch gesetzten Zweckes, daß das Be¬
wußtsein produzirt und bis zur Einsicht in die Alogizität oder Unvernunft
des Wollens entwickelt werde" (S. 224). Das Absolute hat zwar alle
Empfindungen der einzelnen bewußten Wesen als ihr gemeinsamer Träger,
aber es hat kein von diesen abgesondertes Bewußtsein und keine Empfindung
als ein von der Welt verschiednes Subjekt; hätte es eine solche Empfindung,
so könnte das nur die Empfindung ewiger Unseligleit sein <S. 66). „Sollte
nach Beendigung dieses Weltprozesses der Wille sich noch öfter zum Wollen
erheben, so wird er ebenso oft durch das Logische vermittelst neuer Weltprozesse
ins Nichtwollen zurückgeführt werden. Erschließt er sich aber einmal zum Ver¬
harren in der Potenz, so ist es für ewig mit der Gefahr neuer Weltprozesse
vorbei" (S. 362).



(Schluß folgt)




*) „Die erste sinalkausale Determination ist ein zwar intraprozcssualer, aber noch vorwelt-
licher Akt, Der Wille hat sich ohne logischen oder teleologischen Grund, ohne Nötigung aus
innern oder äußern Ursachen, ohne Zwang durch ein Gesetz seiner Natur und ohne vernünftigen
Sinn und Zweck zum Wollen erhaben." S, 480. sDas Logisches „„ins, das Unlogische jwoinit
hier das Wollen gemeint isf> zum Nichtsein verurteilen," S. 3L7.
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[0036] Zwei philosophische Systeme Dummheit^) des Bruders und entwarf den Weltplan lediglich zu dem Zweck, den Willen zur Einsicht in seine Unvernunft und dadurch zur Zurücknahme des Wollenwollens zu bringen. „Daß ein Teil des Wollens mit negativem Inhalt erfüllt wird, scheint unmöglich, wenn man erwägt, daß die Negation im unbewußt Logischen und sin^ der von ihm gesetzten Idee gar keine Stätte hat, da doch das Wollen die Idee zum Inhalt empfängt. Es wird aber verständlich, wenn man darauf reflektirt, daß das Bewußtsein das andre Attribut nicht nur negativ und positiv als Unlogisches und als Wille erkennen, sondern auch die Idee in negativer Gestalt zum Willensinhalt machen, d, h. das Wollen zum nicht mehr wollen Wollen umwenden kann. Da die implicite vom Logischen von Anbeginn bestimmte Aufhebung seines Gegenteils nur verwirk¬ licht werden kann, wenn dem Wollen zur Hälfte swird auch die Hälfte hin¬ reiche»?^ ein negativer Inhalt gegeben werden kann, dies aber wieder unmittel¬ bar unmöglich und nur durch Vermittlung des Bewußtseins erreichbar ist, so ist es eine logische Konsequenz des logisch gesetzten Zweckes, daß das Be¬ wußtsein produzirt und bis zur Einsicht in die Alogizität oder Unvernunft des Wollens entwickelt werde" (S. 224). Das Absolute hat zwar alle Empfindungen der einzelnen bewußten Wesen als ihr gemeinsamer Träger, aber es hat kein von diesen abgesondertes Bewußtsein und keine Empfindung als ein von der Welt verschiednes Subjekt; hätte es eine solche Empfindung, so könnte das nur die Empfindung ewiger Unseligleit sein <S. 66). „Sollte nach Beendigung dieses Weltprozesses der Wille sich noch öfter zum Wollen erheben, so wird er ebenso oft durch das Logische vermittelst neuer Weltprozesse ins Nichtwollen zurückgeführt werden. Erschließt er sich aber einmal zum Ver¬ harren in der Potenz, so ist es für ewig mit der Gefahr neuer Weltprozesse vorbei" (S. 362). (Schluß folgt) *) „Die erste sinalkausale Determination ist ein zwar intraprozcssualer, aber noch vorwelt- licher Akt, Der Wille hat sich ohne logischen oder teleologischen Grund, ohne Nötigung aus innern oder äußern Ursachen, ohne Zwang durch ein Gesetz seiner Natur und ohne vernünftigen Sinn und Zweck zum Wollen erhaben." S, 480. sDas Logisches „„ins, das Unlogische jwoinit hier das Wollen gemeint isf> zum Nichtsein verurteilen," S. 3L7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/36>, abgerufen am 26.06.2024.