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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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in den letzten beiden Jahrzehnten in den Organismus der Post eingeschlichen
haben. Das schlimmste bleibt die Verschlechterung des Personals. Hier muß
zuerst Wandel geschafft, die Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung
der Postgehilfen und Militäranwürter müssen erhöht und für die niedre Lauf¬
bahn zunächst nur junge Leute angenommen werden, die mindestens das Zeugnis
für den Einjährig-Freiwilligendienst haben. Selbstverständlich müßte mau
diesen auch bessere Aussichten für ihre Laufbahn eröffnen und es ihnen ge¬
statten, drei oder vier Jahre nach der Assistentenprüsung die Sekretärprüfung
abzulegen. Erst denn, wenn der Bedarf an Arbeitskräften aus derart vor¬
gebildeten Beamten nicht gedeckt werden kann, darf die PostVerwaltung auf
minderwertige Leute zurückgreifen.

Darnach würde die Laufbahn bei der Post eine dreifache sein: die obere
mit dem Oberpostsekrekär beginnend, die mittlere mit dem Sekretär endigend,
und die untere mit dem Assistenten abschließend. Der Übertritt aus einer Lauf¬
bahn in die andre müßte, wie bisher, unzulässig sein.

Bei der Neuregelung der Verhältnisse ist die Beantwortung der Frage von
größter Wichtigkeit: Wie hat sich die PostVerwaltung den bereits vorhandnen
Postassistenten gegenüber zu verhalten? Bekanntlich sind in dieser Beamten-
klasse seit mehreren Jahren Bestrebungen hervorgetreten, die Sekretärstellen,
auf die sie nach den Bestimmungen des Reglements keinen Anspruch haben,
sich zugänglich zu machen. Diese Bestrebungen sind leider in einem Teil der
Presse und auch im Reichstage durch Annahme der Antrüge Groebers (1894)
und or. Müllers (1895) unterstützt worden. Da der Bundesrat beschlossen
hatte, diesen Anträgen keine Folge zu geben, brachte der Abgeordnete Werner
1896 einen ähnlichen Antrag ein, der diesmal vom Reichstage abgelehnt wurde.
Dagegen wurde ein Antrag des Abgeordneten Dr. Schaedler angenommen:
"wenigstens die Zulassung zur Sekretärprüfung solchen Zivilcmwürtern zu ge¬
währen, die die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erlangt haben,
und bei den übrigen die Zulassung von dem anderweit zu bringenden Nach¬
weis einer entsprechenden Vorbildung abhängig zu macheu." Zu diesem neuesten
Antrag hat das Reichspostamt noch nicht Stellung genommen. Gegen die
frühern Anträge dagegen hatte sich der verstorbne Staatssekretär von Stephan
durchweg ablehnend verhalten, und das mit vollstem Recht.

Die PostVerwaltung hat die Versprechungen, die sie den gegenwärtig vor-
handnen Postassistenten durch das Reglement vom 23. Mai 1871 gemacht hat,
vollständig erfüllt, sie hat darüber hinaus die Besoldung dieser Beamtenklasse
von 1500 auf 3000 Mark gehoben, die frühere kündbare Anstellung in eine
lebenslängliche verwandelt und für die ältern Assistenten die Stellung der
Oberassisteuten geschaffen. Die Klagen über Unrecht und Zurücksetzung ent¬
behren daher selbst des Scheins einer Berechtigung. Auch der Umstand, daß
die Militäranwärter zur Sekretärprüfung zugelassen werden, giebt den Zivil-


in den letzten beiden Jahrzehnten in den Organismus der Post eingeschlichen
haben. Das schlimmste bleibt die Verschlechterung des Personals. Hier muß
zuerst Wandel geschafft, die Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung
der Postgehilfen und Militäranwürter müssen erhöht und für die niedre Lauf¬
bahn zunächst nur junge Leute angenommen werden, die mindestens das Zeugnis
für den Einjährig-Freiwilligendienst haben. Selbstverständlich müßte mau
diesen auch bessere Aussichten für ihre Laufbahn eröffnen und es ihnen ge¬
statten, drei oder vier Jahre nach der Assistentenprüsung die Sekretärprüfung
abzulegen. Erst denn, wenn der Bedarf an Arbeitskräften aus derart vor¬
gebildeten Beamten nicht gedeckt werden kann, darf die PostVerwaltung auf
minderwertige Leute zurückgreifen.

Darnach würde die Laufbahn bei der Post eine dreifache sein: die obere
mit dem Oberpostsekrekär beginnend, die mittlere mit dem Sekretär endigend,
und die untere mit dem Assistenten abschließend. Der Übertritt aus einer Lauf¬
bahn in die andre müßte, wie bisher, unzulässig sein.

Bei der Neuregelung der Verhältnisse ist die Beantwortung der Frage von
größter Wichtigkeit: Wie hat sich die PostVerwaltung den bereits vorhandnen
Postassistenten gegenüber zu verhalten? Bekanntlich sind in dieser Beamten-
klasse seit mehreren Jahren Bestrebungen hervorgetreten, die Sekretärstellen,
auf die sie nach den Bestimmungen des Reglements keinen Anspruch haben,
sich zugänglich zu machen. Diese Bestrebungen sind leider in einem Teil der
Presse und auch im Reichstage durch Annahme der Antrüge Groebers (1894)
und or. Müllers (1895) unterstützt worden. Da der Bundesrat beschlossen
hatte, diesen Anträgen keine Folge zu geben, brachte der Abgeordnete Werner
1896 einen ähnlichen Antrag ein, der diesmal vom Reichstage abgelehnt wurde.
Dagegen wurde ein Antrag des Abgeordneten Dr. Schaedler angenommen:
„wenigstens die Zulassung zur Sekretärprüfung solchen Zivilcmwürtern zu ge¬
währen, die die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erlangt haben,
und bei den übrigen die Zulassung von dem anderweit zu bringenden Nach¬
weis einer entsprechenden Vorbildung abhängig zu macheu." Zu diesem neuesten
Antrag hat das Reichspostamt noch nicht Stellung genommen. Gegen die
frühern Anträge dagegen hatte sich der verstorbne Staatssekretär von Stephan
durchweg ablehnend verhalten, und das mit vollstem Recht.

Die PostVerwaltung hat die Versprechungen, die sie den gegenwärtig vor-
handnen Postassistenten durch das Reglement vom 23. Mai 1871 gemacht hat,
vollständig erfüllt, sie hat darüber hinaus die Besoldung dieser Beamtenklasse
von 1500 auf 3000 Mark gehoben, die frühere kündbare Anstellung in eine
lebenslängliche verwandelt und für die ältern Assistenten die Stellung der
Oberassisteuten geschaffen. Die Klagen über Unrecht und Zurücksetzung ent¬
behren daher selbst des Scheins einer Berechtigung. Auch der Umstand, daß
die Militäranwärter zur Sekretärprüfung zugelassen werden, giebt den Zivil-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/321>, abgerufen am 26.06.2024.