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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Personalreformen bei der Post

Pflichten seiner augenblicklichen Stellung zu erfüllen, für die er besoldet wird,
für seine weitere Ausbildung, also auch sür die Vorbereitung zur Prüfung
muß er die Mußestunden verwenden. Es ist nun keine leichte Aufgabe, den
ganzen Tag über und vielleicht auch während der Nachtzeit in dem aufreibenden,
technischen Postdienst thätig zu sein und dann, körperlich ermüdet, noch Zeit
und Frische zu mehrstündiger, angestrengter geistiger Arbeit zu finden. Selbst
körperlich und geistig kräftige Beamte schrecken vor dieser Aufgabe zurück,
um wieviel mehr Leute, die meinen, ihr Gesundheitszustand gestatte ihnen
solche Anstrengungen nicht! Andre Gründe sind: Gleichgiltigkeit, Maugel an
Energie, frühzeitiges Heiraten und nicht zum geringsten Teile die Aussicht,
auch ohne Prüfung in die angenehmen und nach der allgemeinen Gehaltsauf¬
besserung auch auskömmlich besoldeten Stellungen als Oberpostsekretär (1104),
Postmeister (681), Buchhalter (132) und Kassirer (36) bei den Oberpostkasfen
aufrücken zu können. Die Inhaber dieser Stellen gelangen bis zu einem Höchst¬
gehalt von 4200 Mark. Auch für die vierzig Rendantenstellen (Höchstgehalt
5400 Mark) ist die Ablegung der höhern Prüfung nicht erforderlich, wenn
sich auch zur Zeit zweiundzwanzig Stellen im Besitz von geprüften Beamten
befinden. Leider ist gegenwärtig noch ein ungewöhnlich großer Teil der vor-
bczeichncten Stellen mit Postsekretären aus der Klasse der Postexpedienten
besetzt (von 681 Postmeisterstellen nachweislich 426, es sind aber mehr). Wenn
aber erst der letzte "Zwanzig-Fragen-Sekretnr" verschwunden sein wird, kann
die Postverwnltung fast 2000 gut besoldete Stellen den Eleven übertragen,
die von der Berechtigung, die höhere Prüfung abzulegen, keinen Gebrauch
gemacht haben. Da die Wahl eines Lebensberufs infolge der überall herrschenden
Überfüllung heutiges Tages mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, so wird
sich jeder junge Mann, der nach dem Abiturientenexamen nicht die Mittel zum
Studium hat, glücklich schützen, wenn er bei der Post ankommt, selbst wenn
er dort seine Laufbahn in der Stellung eines Postmeisters oder Oberpostsetrctärs
beschließen muß. Die PostVerwaltung hat also keinen Grund, die Annahme
der Pvsteleven in beschränkten Grenzen zu halten und so viele junge Leute
mit dem Reifezeugnis zurückzuweisen, wie sie es bisher gethan hat. Geradezu
selbstmörderisch aber wäre es, wenn sie, wie in der Tagespresse verlautet,
wirklich beabsichtigen sollte, die Stellen der Postmeister, Oberpostsekretäre usw.
ganz den Beamten der niedern Laufbahn zu überlassen. Denn jede Staats¬
verwaltung hat doch die Verpflichtung, ihren Bedarf an Arbeitskräften aus
den besten Leuten zu erzänzen, die zu haben sind, zumal da die weniger guten
gleich hoch im Preise stehen. Aus welchem Grunde man also die Annahme
von Pvsteleven gegenwärtig ganz eingestellt hat, ist dringend der Aufklärung
bedürftig.

Wenden wir uns nun zu den Beamten der niedern Laufbahn. Für diese
hat die PostVerwaltung in den Jahren 1891 bis 1896 (nach Abzug von 2372


Personalreformen bei der Post

Pflichten seiner augenblicklichen Stellung zu erfüllen, für die er besoldet wird,
für seine weitere Ausbildung, also auch sür die Vorbereitung zur Prüfung
muß er die Mußestunden verwenden. Es ist nun keine leichte Aufgabe, den
ganzen Tag über und vielleicht auch während der Nachtzeit in dem aufreibenden,
technischen Postdienst thätig zu sein und dann, körperlich ermüdet, noch Zeit
und Frische zu mehrstündiger, angestrengter geistiger Arbeit zu finden. Selbst
körperlich und geistig kräftige Beamte schrecken vor dieser Aufgabe zurück,
um wieviel mehr Leute, die meinen, ihr Gesundheitszustand gestatte ihnen
solche Anstrengungen nicht! Andre Gründe sind: Gleichgiltigkeit, Maugel an
Energie, frühzeitiges Heiraten und nicht zum geringsten Teile die Aussicht,
auch ohne Prüfung in die angenehmen und nach der allgemeinen Gehaltsauf¬
besserung auch auskömmlich besoldeten Stellungen als Oberpostsekretär (1104),
Postmeister (681), Buchhalter (132) und Kassirer (36) bei den Oberpostkasfen
aufrücken zu können. Die Inhaber dieser Stellen gelangen bis zu einem Höchst¬
gehalt von 4200 Mark. Auch für die vierzig Rendantenstellen (Höchstgehalt
5400 Mark) ist die Ablegung der höhern Prüfung nicht erforderlich, wenn
sich auch zur Zeit zweiundzwanzig Stellen im Besitz von geprüften Beamten
befinden. Leider ist gegenwärtig noch ein ungewöhnlich großer Teil der vor-
bczeichncten Stellen mit Postsekretären aus der Klasse der Postexpedienten
besetzt (von 681 Postmeisterstellen nachweislich 426, es sind aber mehr). Wenn
aber erst der letzte „Zwanzig-Fragen-Sekretnr" verschwunden sein wird, kann
die Postverwnltung fast 2000 gut besoldete Stellen den Eleven übertragen,
die von der Berechtigung, die höhere Prüfung abzulegen, keinen Gebrauch
gemacht haben. Da die Wahl eines Lebensberufs infolge der überall herrschenden
Überfüllung heutiges Tages mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, so wird
sich jeder junge Mann, der nach dem Abiturientenexamen nicht die Mittel zum
Studium hat, glücklich schützen, wenn er bei der Post ankommt, selbst wenn
er dort seine Laufbahn in der Stellung eines Postmeisters oder Oberpostsetrctärs
beschließen muß. Die PostVerwaltung hat also keinen Grund, die Annahme
der Pvsteleven in beschränkten Grenzen zu halten und so viele junge Leute
mit dem Reifezeugnis zurückzuweisen, wie sie es bisher gethan hat. Geradezu
selbstmörderisch aber wäre es, wenn sie, wie in der Tagespresse verlautet,
wirklich beabsichtigen sollte, die Stellen der Postmeister, Oberpostsekretäre usw.
ganz den Beamten der niedern Laufbahn zu überlassen. Denn jede Staats¬
verwaltung hat doch die Verpflichtung, ihren Bedarf an Arbeitskräften aus
den besten Leuten zu erzänzen, die zu haben sind, zumal da die weniger guten
gleich hoch im Preise stehen. Aus welchem Grunde man also die Annahme
von Pvsteleven gegenwärtig ganz eingestellt hat, ist dringend der Aufklärung
bedürftig.

Wenden wir uns nun zu den Beamten der niedern Laufbahn. Für diese
hat die PostVerwaltung in den Jahren 1891 bis 1896 (nach Abzug von 2372


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[0319] Personalreformen bei der Post Pflichten seiner augenblicklichen Stellung zu erfüllen, für die er besoldet wird, für seine weitere Ausbildung, also auch sür die Vorbereitung zur Prüfung muß er die Mußestunden verwenden. Es ist nun keine leichte Aufgabe, den ganzen Tag über und vielleicht auch während der Nachtzeit in dem aufreibenden, technischen Postdienst thätig zu sein und dann, körperlich ermüdet, noch Zeit und Frische zu mehrstündiger, angestrengter geistiger Arbeit zu finden. Selbst körperlich und geistig kräftige Beamte schrecken vor dieser Aufgabe zurück, um wieviel mehr Leute, die meinen, ihr Gesundheitszustand gestatte ihnen solche Anstrengungen nicht! Andre Gründe sind: Gleichgiltigkeit, Maugel an Energie, frühzeitiges Heiraten und nicht zum geringsten Teile die Aussicht, auch ohne Prüfung in die angenehmen und nach der allgemeinen Gehaltsauf¬ besserung auch auskömmlich besoldeten Stellungen als Oberpostsekretär (1104), Postmeister (681), Buchhalter (132) und Kassirer (36) bei den Oberpostkasfen aufrücken zu können. Die Inhaber dieser Stellen gelangen bis zu einem Höchst¬ gehalt von 4200 Mark. Auch für die vierzig Rendantenstellen (Höchstgehalt 5400 Mark) ist die Ablegung der höhern Prüfung nicht erforderlich, wenn sich auch zur Zeit zweiundzwanzig Stellen im Besitz von geprüften Beamten befinden. Leider ist gegenwärtig noch ein ungewöhnlich großer Teil der vor- bczeichncten Stellen mit Postsekretären aus der Klasse der Postexpedienten besetzt (von 681 Postmeisterstellen nachweislich 426, es sind aber mehr). Wenn aber erst der letzte „Zwanzig-Fragen-Sekretnr" verschwunden sein wird, kann die Postverwnltung fast 2000 gut besoldete Stellen den Eleven übertragen, die von der Berechtigung, die höhere Prüfung abzulegen, keinen Gebrauch gemacht haben. Da die Wahl eines Lebensberufs infolge der überall herrschenden Überfüllung heutiges Tages mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, so wird sich jeder junge Mann, der nach dem Abiturientenexamen nicht die Mittel zum Studium hat, glücklich schützen, wenn er bei der Post ankommt, selbst wenn er dort seine Laufbahn in der Stellung eines Postmeisters oder Oberpostsetrctärs beschließen muß. Die PostVerwaltung hat also keinen Grund, die Annahme der Pvsteleven in beschränkten Grenzen zu halten und so viele junge Leute mit dem Reifezeugnis zurückzuweisen, wie sie es bisher gethan hat. Geradezu selbstmörderisch aber wäre es, wenn sie, wie in der Tagespresse verlautet, wirklich beabsichtigen sollte, die Stellen der Postmeister, Oberpostsekretäre usw. ganz den Beamten der niedern Laufbahn zu überlassen. Denn jede Staats¬ verwaltung hat doch die Verpflichtung, ihren Bedarf an Arbeitskräften aus den besten Leuten zu erzänzen, die zu haben sind, zumal da die weniger guten gleich hoch im Preise stehen. Aus welchem Grunde man also die Annahme von Pvsteleven gegenwärtig ganz eingestellt hat, ist dringend der Aufklärung bedürftig. Wenden wir uns nun zu den Beamten der niedern Laufbahn. Für diese hat die PostVerwaltung in den Jahren 1891 bis 1896 (nach Abzug von 2372

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/319>, abgerufen am 26.06.2024.